Das Buch
Das Buch von Gallus Etschenreutter liegt im kl. 8° = Klein-Oktav-Format (ca. 15 x 9,5 cm) vor. Der Einband besteht aus einer mit lateinischen Wörtern beschriebenen Pergamentseite. Pergament wurde vor allem im 16. und 17. Jahrhundert gerne zum Einbinden von Büchern und Akten verwendet. Seine Vorzüge sind außerordentliche Festigkeit und Unverwüstlichkeit, was seine Beliebtheit als Material für Gebrauchseinbände erklärt. In meinem Falle hat man vermutlich eine Seite aus einem nicht mehr benötigten Missale o.ä. verwendet.
Das Werk trägt den gewaltigen Titel "Aller heilsamen Baeder und Brunnen Natur / krafft / tugendt / und würckung / so in Teutschlanden bekandt und erfahren. Beschriben in Teutscher sprach / durch Gallum Etschenreütterum / der Artzney Doctor zu Straßburg" Das ursprüngliche Titelblatt ist leider nicht mehr vorhanden. Es gibt aber eine sog. "Schmutzseite" bzw. "Frontispiz-Seite". Darauf ist ein Wappen abgebildet mit der Inschrift "GALLUS ETSCHENREUTTERUS DER ARTZNEI DOCTOR" und die Jahreszahl 1571; darunter der lateinische Spruch: "En hominis studium: Galeam: Rosea arma parentum symbola virtutis; fors sua quenq manet." Das Buch ist in deutscher Sprache geschrieben - sicher eine Folge der Reformation Luthers und des Humanismus. Während im 15. Jahrhundert rund drei Viertel der gedruckten Texte noch in Lateinisch gedruckt wurden, war es im 16. Jahrhundert umgekehrt. Im Zuge des Humanismus wurde Latein auch als alleinige Wissenschaftssprache immer mehr abgelöst. Ein weiterer Aspekt der Reformation war sicherlich auch die Abkehr vom 'Wunderglauben' hin zu mehr 'Wissenschaftlichkeit'. Auch wenn in Etschenreutters Buch hin und wieder 'wunderliches' berichtet wird (dass z.B. das Wasser des Emser Bades Pfeile und Bleikugeln herauszieht oder Lahme und Sieche wieder völlig gesund werden), bemüht er sich, wissenschaftliche Erklärungen zu geben. Unter dem Thema "Repräsentationen von Wasser und Heilquellen in der Frühen Neuzeit zwischen Sakralität und Säkularität" befasst sich Dr. Ute Lotz-Heumann von der Humboldt-Universität Berlin in einem Forschungsprojekt u.a. mit diesem Thema:
Inhalt des Buchs: Beschrieben werden Badeorte und Bäder, die zur damaligen Zeit in Deutschland (Österreich, Schweiz) bekannt waren. Etschenreutter beginnt sein Werk mit einer "Vorrede", der damals üblichen Widmung an (s)einen Fürsten, in diesem Falle an "Herrn Ernst Graf zu Holstein, Schaumburg und Sternenberg, Herr zu Gemmen etc."
Ob es dieser "Ernst" war, weiß ich nicht. Der war ja bei Erscheinen des Buches erst 2 Jahre alt. Einen anderen habe ich bei meinen Recherchen aber nicht finden können. Das Buch ist in mehrere große Kapitel eingeteilt: Zunächst werden Badeorte beschrieben, zuerst die "natürlich warmen Bäder", nach Etschenreutters Angaben in der Vorrede 46, danach folgen die "Sauerbrunnen", von denen er 35 beschreibt. Es folgen allgemeine Darstellungen von Salzbrunnen und Süßwasserbrunnen, wobei er die Nutzung und Wirkung dieser Bäder beschreibt. Im anschließenden Kapitel gibt er Hinweise, wie man für bestimmten Krankheiten Bäder mit Zusätzen (Mineralien, Pflanzen etc.) zubereitet. Hierbei erfährt man viel über die vorherrschenden Krankheiten der damaligen Zeit. Danach beschreibt er die Mineralien, aus denen die Bäder ihre Kraft beziehen: Schwefel, Bergwachs, Vitriol, Alaun, Salpeter, Steinsalz. Er gibt Hinweise, wie man sie untersuchen und erkennen kann. Es folgt eine "Badeordnung", in der er Anweisungen für gesunde Kuren gibt. Dabei spart er auch nicht mit Kritik: Dass man nicht mit vollem Magen die Bäder besuchen solle, dass manche Bäder nicht besonders sauber seien, dass in einigen Orten die Unterkünfte nicht besonders zu empfehlen sind. Auch Wunder werden berichtet (Jungbrunnen, Pfeile und Bleikugeln werden aus der Haut gezogen). Hier einige Beispiele:
Zum Schluss gibt es 3 große Register: Das erste ist nach Krankheiten gegliedert, und zwar 83 "vom Haupt bis an die Füße", mit Hinweisen auf die dazu hilfreichen Bäder. Das zweite zeigt die Krankheiten nach dem Alphabet geordnet. Das dritte zeigt die Bäder ebenfalls nach dem Alphabet geordnet an. Von den Registern aus können durch Anklicken die Seiten sofort aufgerufen werden. Etschenreutters Werk hatte mehrere Auflagen. Es war vermutlich im 16. Jahrhundert eine Art Standardwerk. Meine Recherchen im Internet in verschiedenen internationalen Bibliothekskatalogen ergaben folgende Auflagen:
Über Dr. Gallus Etschenreutter selber habe ich bisher nur sehr wenige Informationen: Er war Arzt in Straßburg und hat mehrere medizinische Schriften verfasst, auch auf Latein (u.a.: Drachmolēplon, sive : Calculus perutilis et medicis et aegrotantibus von Gallus Etschenreuter; Argentororati, 1569; Epistola ad Guilelmum Gratarolum von Gallus Etschenreuter, Francofurtum 1614). Für mich stellt sich weiterhin die Frage, ob Etschenreutters Bäderbuch eine eigenständige Arbeit darstellt oder nur eine Übersetzung und Erweiterung des Buches "Medici commentarius de balneis, & aquis medicatis in tres dialogos distinctus" seines Kollegen Ioannes Guintherius Andernacus (= Johann Winter), 1565, ist. Dieser Johann Winter von Andernach, auch Johannes Winter von Andernach, geboren als Johann Winter, lat. Doctor Ioannes Guinterius Andernacus (Antunnacensis) (* 1505 in Andernach; † 4. Oktober 1574 in Straßburg) war ein promovierter Mediziner, Universitätsprofessor, Humanist, Übersetzer antiker, meist medizinischer Werke und Verfasser eigener medizinischer, sprachlicher und geisteswissenschaftlicher Werke. Etschenreutter erwähnt ihn in seiner Vorrede: "....So hab ich demnach lenger nit umbgehen woellen / diß mein vor habend werck und buechlein / von den baedern / als nemlich deren ursprung / würckung / krafft / natur / eigenschafft / unnd wie sie zugebrauchen seyen / etc. (so vor ettlich jarn durch den edlen unnd hochgelehrten Herrn Johann Guinther von Andernach / der Artzney Doct. alhie Lateinisch beschriben)..." und schreibt weiter: " ...jetzunder ins Teütsch gebracht / unnd so vil mueglich / gemehret / und in truck verfertigt hab / ...." Ich habe nun alle Seiten des Büchleins eingescannt und die Fraktur in lateinische Buchstaben umgeschrieben (s. dazu auch das Kapitel "Besonderheiten der Fraktur"). Die auf den Seiten dargestellten Scans sind nur 40% der Originalscans. Beim Lesen tauchen einige Schwierigkeiten auf. Es gibt Wörter, die ich beim besten Willen nicht 'übersetzen' kann. Vor allem Namen von Krankheiten oder Mineralien und Pflanzen sind schwer mit heutigen Begriffen zu ersetzen. So taucht z.B. häufig der Krankheitsbegriff "Maltzey" auf. Dabei handelt es sich um Aussatz, Lepra oder Krebs. Manches erschließt sich auch erst bei mehrmaligem Lesen. So rätselte ich längere Zeit über das Wort "oberzelten" wie in "oberzelten krankheyten". Zuerst dachte ich an sehr seltene Krankheiten, dabei heißt es bloß "die bereits oben erwähnten (erzählten) Krankheiten. Damals gab es auch noch keine Rechtschreibregeln. Man schrieb wohl so, wie es einem gerade einfiel. Manchmal findet man ein Wort auf einer Seite in dreifach verschiedener Schreibweise. Hier einige Beispiele:
Ebenfalls gibt es kaum Satzzeichen. Meistens werden Sätze durch sog. 'Virgeln' (= Schrägstriche) unterteilt. Punkte und Kommata werden nur sehr selten verwendet. Ich habe auch versucht, anhand der damaligen Beschreibungen die heutigen Orte auf der Karte zu finden. Manche der Bäder lassen sich eindeutig zuordnen. Einige Orte existieren heute nicht mehr oder haben andere Namen (s. Orte). Worterklärungen: Fährt man mit der Maus über die grün hervorgehobenen Wörter, gibt es Erklärungen. Außerdem kann man das Lexikon aufrufen. Es erscheint in einem extra Fenster. |
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