Khajuraho 1 |
Khajuraho ist eine Stadt im
indischen Bundesstaat Madhya Pradesh mit rund 24.500 Einwohnern. Bekannt ist sie
für den Tempelbezirk von Khajuraho. Die Gruppe der Tempel mit erotischen
Darstellungen aus dem 10. bis 12. Jahrhundert gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe
und macht aus dem ansonsten eher unbedeutenden Ort ein beliebtes Touristenziel.
Khajuraho liegt im Distrikt Chhatarpur im Norden Madhya Pradeshs unweit der
Grenze zum Nachbarbundesstaat Uttar Pradesh. Der nächstgrößere Ort ist die
Distrikthauptstadt Chhatarpur etwa 44 Kilometer (Fahrtstrecke) westlich, Delhi
liegt rund 650 Kilometer nordwestlich.
Geschichte
Khajuraho war vom 9. bis zum 16. Jahrhundert die religiöse und kulturelle
Hauptstadt des Chandella-Reiches. Politisch und militärisch regierten die
Chandellas von Kanauj oder der Festung Kalinjar aus, die jedoch – im Unterschied
zu Khajuraho – in der Zeit des islamischen Vordringens in Nordindien mehrfach
belagert und teilweise zerstört wurde. Doch mit dem Niedergang der Chandellas im
12. Jahrhundert verlor auch Khajuraho an Bedeutung. Aufgrund seiner abgelegenen
Lage blieben der Ort und seine Tempel jedoch von zerstörerischen Übergriffen
islamischer Heere verschont. Im 18. und 19. Jahrhundert hatte das Dorf Khajuraho
nur noch etwa 300 Einwohner.
Tempelbezirk von Khajuraho
Der Tempelbezirk von Khajuraho umfasst eine Gruppe von etwa 20
Tempeln im Zentrum und in der näheren Umgebung der Stadt Khajuraho im indischen
Bundesstaat Madhya Pradesh. Sie zählen zum UNESCO-Welterbe.
Geschichte
Nahezu alle Tempel Khajurahos wurde von den Herrschern der Chandella-Dynastie
zwischen 950 und 1120 erbaut. Die Chandellas waren ein zwischen dem 10. und 16.
Jahrhundert regierender Rajputen-Klan, welcher sich um 950 in Gwalior
festsetzte. Im 10. und 11. Jahrhundert waren die Chandellas die führende Macht
in Nordindien, obwohl sie formell noch bis 1018 Vasallen der Pratihara waren.
Nach dem Niedergang der Dynastie im 12. Jahrhundert wurden die Tempel von
Khajuraho kaum noch oder gar nicht mehr benutzt und blieben dem Vordringen des
umliegenden Buschlandes überlassen. Der politisch, militärisch und
wirtschaftlich bedeutungslos gewordene Ort lag abseits aller Wege und blieb
somit auch in der Zeit des islamischen Eindringens in Nordindien von
Zerstörungen verschont. Im 18. und 19. Jahrhundert zählte die einstmals
bedeutsame Stadt nur noch etwa 300 Einwohner. Im 19. Jahrhundert wurden die
Tempel von den Briten „wiederentdeckt“. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen
systematische Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten, die schließlich zur
Wiederherstellung dieses einzigartigen Architektur-Ensembles führten.
Tempel
Ursprünglich gab es in Khajuraho etwa 80 Tempelbauten verstreut auf einer
Gesamtfläche von ca. 21 Quadratkilometern – heutzutage sind davon nur noch etwa
20 erhalten, von denen die meisten in zwei Gruppen stehen. Die Mehrzahl der
Tempel ist den hinduistischen Hauptgöttern geweiht, einige den
Jaina-Tirthankaras. Buddhistische Bauten gab es in Khajuraho wohl nicht,
jedenfalls wurden keine buddhistischen Skulpturen entdeckt.
Alle Tempel stehen auf 1,50 bis 3 Meter hohen Plattformen (jagatis), die das
Bauwerk vor Witterungseinflüssen (Monsunregen) und freilaufenden Tieren
schützten. Hinzu kommt eine Sockelzone, die bei den späteren Tempeln (ab ca.
950) mehrfach gestuft ist und durchaus nochmals 3 Meter hoch sein kann.
Plattform und Sockel tragen natürlich auch zu einer 'Erhöhung' des aufstehenden
Bauwerks im übertragenen Sinn bei.
Die Mehrzahl der Tempeleingänge sind nach Osten, also in Richtung der
aufgehenden Sonne ausgerichtet, d. h. die Cella (garbhagriha) liegt im Westen.
Bei zwei Tempeln ist es umgekehrt: sie orientieren sich nach Westen, d. h. in
Richtung der untergehenden Sonne (Lalguan-Mahadeva-Tempel und Chaturbuja-Tempel).
Beide Ausrichtungen waren bei indischen Tempeln seit Jahrhunderten möglich und
üblich. Die vorderen zwei Begleitschreine des Lakshmana-Tempels liegen einander
gegenüber und sind nach Süden bzw. Norden ausgerichtet.
Westgruppe (Hindu-Tempel):
Matangeshvara-Tempel (ca. 950), Varaha-Tempel (ca. 950), Lakshmana-Tempel (ca. 950), Devi-Tempel, Vishvanatha-Tempel (ca. 1000), Nandi-Schrein, Parvati-Schrein, Jagadambi-Tempel, Chitragupta-Tempel, Kandariya-Mahadeva-Tempel (1. Hälfte 11. Jhdt.)
Ostgruppe (Jain-Tempel):
Parsvanatha-Tempel (ca. 960), Adinatha-Tempel (ca. 1050), Shantinatha-Tempel, Ghantai-Tempel (ca. 990)
Architektur
Die Tempel von Khajuraho bieten die Möglichkeit, auf engstem Raum die
Entwicklung der nordindischen Baukunst in einer Zeitspanne von etwa 200 Jahren
zu verfolgen – von kleinen (wenig gegliederten, einräumigen und geschlossenen)
Tempeln hin zu großen (stark gegliederten, mehrräumigen und offenen) Bauten.
Auch die Höhe der Bauten erfährt während dieser Zeit eine enorme Steigerung.
Gemeinsam ist nahezu allen Bauten (Ausnahme: Chausath-Yogini-Tempel), dass sie
über Dachaufbauten (Shikhara-Türme oder Pyramidendächer) verfügen, die von
gerippten amalaka-Steinen und kalasha-Krügen bekrönt werden.
Frühzeit
Abgesehen vom Chausath-Yogini-Tempel, dem ältesten und vollkommen anderen
baulichen Traditionen verpflichteten Tempelbau in Khajuraho, bestehen die frühen
Tempel nur aus einer – von einem gestuften Pyramidendach bedeckten – Cella (garbhagriha),
der im Fall des Brahma-Tempels noch ein Portalvorbau (antarala), im Fall des
Varaha-Tempels und des Matangesvara-Tempels jeweils ein kleiner offener Vorraum
(mandapa) vorgesetzt ist. Die Außenwände sind nur geringfügig gegliedert und
überwiegend steinsichtig.
Blütezeit
Die Blütezeit der Tempelarchitektur in Khajuraho beginnt mit dem
Lakshmana-Tempel (ca. 930–950), der wahrscheinlich vom Maladevi-Tempel in
Gyaraspur und von früheren Tempelbauten in Rajasthan beeinflusst ist, die
ihrerseits wiederum allesamt auf die beim Bau des Kalika-Mata-Tempels in
Chittorgarh (ca. 700) erstmals entwickelten baulichen Innovationen zurückgeführt
werden können. Diese sind im Wesentlichen: mehrere hintereinander liegende, aber
harmonisch miteinander verbundenen Bauteile (mandapas, antarala und garbhagriha);
gleiche Grundfläche von großer Vorhalle (mahamandapa) und Sanktumsbereich; Cella
als eigenständiger Baukörper im Innern; Pfeiler – und nicht mehr Wände – als
tragende Stützelemente für die Dachaufbauten – dadurch wurde es möglich, die
Räume nach außen hin durch balkonähnliche Vorbauten zu öffnen; mehrfache
Abstufung und Gliederung der verbliebenen Wandteile außen wie innen – dadurch
treten sie gar nicht mehr als 'Wand' in Erscheinung; Fortsetzung der
Außenwandgliederung im Dachaufbau.
Beim Lakshmana-Tempel ist die Cella als eigener, innenliegender Baukörper
gestaltet und von einem Umgang (pradakshinapatha) umgeben. Der gesamte
Sanktumsbereich sowie seine vier Nebenschreine werden – erstmals in Khajuraho –
von steil und hoch aufragenden Shikhara-Türmen überhöht; die weniger wichtigen
Vorhallen werden auch weiterhin von den insgesamt flacheren, pyramidenförmigen
Dächern bedeckt, so dass eine architektonische Steigerung der Tempel – einem
Gebirge durchaus vergleichbar – hin zur Cella erreicht wird.
Die wichtigsten Nachfolgebauten des Lakshmana-Tempels sind der
Vishvanatha-Tempel (ca. 1000) und der Kandariya-Mahadeva-Tempel (ca. 1050), bei
denen wegen der vielfältigen architektonischen Gliederungen und des dichten
Skulpturenprogramms eine Stein- bzw. Wandsichtigkeit nicht mehr gegeben ist.
Skulpturen
Auch im Hinblick auf die Entwicklung der indischen Skulptur bieten die Tempel
von Khajuraho einen Überblick über ca. 200 Jahre indischer Kunstgeschichte – von
den in Architekturelemente eingebundenen und eher unbewegt und statisch
erscheinenden Reliefdarstellungen der Frühzeit bis hin zu den beinahe
freiplastisch gearbeiteten und durch ihre Posenvielfalt nahezu lebendig
wirkenden Figuren.
Frühzeit
Die nur wenig gegliederten Außenwände der frühen Tempel von Khajuraho zeigen
kaum figürlichen oder ornamentalen Schmuck. Dieser ist, noch stark
reliefgebunden, auf die Portale (Lalguan-Mahadeva-Tempel, Brahma-Tempel) sowie
auf einige Fensternischen (Matangeshvara-Tempel) beschränkt. Erotische
Skulpturen sind in den frühen Tempeln noch nicht zu finden.
Blütezeit
Auch hier ist es der Lakshmana-Tempel, der für Khajuraho neue Zeichen setzt:
Während die Außenwände der Vorhallen nur wenig figürliche Reliefs zeigen, sind
die Wände des Sanktums überreich mit Skulpturen geschmückt. Darunter finden sich
Götterfiguren (devas oder devis), „schöne Mädchen“ (surasundaris) und
Liebespaare (mithunas); auch die ersten erotischen Skulpturen sind in den
unteren (erdnahen) Feldern der Mittelregister sowie im Figurenfries der
Plattform zu sehen. Die mittleren Felder zeigen dagegen zärtliche Liebespaare
mit kleineren Begleitfiguren, die oberen Götterfiguren. Eine Hierarchie der
Figurenanordnung ist also deutlich wahrnehmbar. Bei den unmittelbaren
Nachfolgebauten (Vishvanatha-Tempel, Jagadambi-Tempel und
Kandariya-Mahadeva-Tempel) nimmt die Anzahl der Figuren und somit auch der
erotischen Darstellungen zu.
Bei den Jain-Tempeln und den späteren Hindu-Tempeln sind kaum noch
erotisch-sexuelle Darstellungen zu finden; hier überwiegt die Anzahl der
Götterfiguren manchmal sogar die der „schönen Mädchen“.
Tempelteiche
In unmittelbarer Nähe der Westgruppe, aber außerhalb der eingezäunten Kernzone
befinden sich zwei ganzjährig wasserführende Tempelteiche – der Shivsagar-Tank
beim Matangeshvara-Tempel und der Chopra-Tank beim Chitragupta-Tempel.
Quellen Texte: https://de.wikipedia.org/wiki/Khajuraho (Auszüge), https://de.wikipedia.org/wiki/Tempelbezirk_von_Khajuraho (Auszüge)
Satellitenfotos: Google Earth