"Das
malerische und romantische Westphalen"
Von Ferdinand
Freiligrath und Levin Schücking
Münster 1841,
S. 194 - 196
Die Chaussee führt durch
das Ruhrthal, das Städtchen Eversberg zur Seite lassend,
wo die schöne Ruine eines Schlosses der Grafen von
Arnsberg uns mit ihrem runden Donjon und den hohen
Fensternischen gern hinüberlocken möchte, nach dem
Städtchen Meschede, einem der schönsten Punkte des
Süderlandes, aber sich fast aller Beschreibung durch den
Mangel des charakteristisch Hervorstechenden entziehend;
was hilft’s zu sagen, das Thal hat angenehme
Dimensionen, die Berge haben anmuthig wallende Formen,
sind ausserordentlich schön bewaldet und reich an
lieblichen Contrasten durch hochstämmiges und junges
Laub- und Nadel-Holz — die Ruhr macht einen allerliebst
coquetten Bogen, die daran wie eine schmucke Dirne vor
dem plätschernden Brunnen-Kübel stehende kleine Stadt
ist blanker und reinlicher als gewöhnlich; an dem
Ruhrufer entlang läuft eine der ebensten und schönsten
Chausseen Deutschlands?
Und doch sind dies die
scheinbar geringen Mittel, durch welche eine der
reizendsten Gegenden gebildet wird. Meschede ist ein
Ort, in dem es schwer sein muss, traurig zu sein, so
hell und freundlich und dem Auge wohlthuend tritt uns
Alles entgegen; es ist der höchste Triumph des
eigentlich Mittelmässigen, die Lorbeerkrone des im
Grunde Unbedeutenden. Jedermann nennt diese Gegend eine
paradiesische und mit Recht; dennoch lässt sich nichts
daraus hervorheben, es gibt weder Felsen, noch Ruinen,
noch bedeutende Bergformen; aber eine Klause gibt es, am
Berge nächst der Chaussee, die mit ihrem Thürmchen oder
Glockenstuhl an der Fichtenwand eine gar reizende Wacht
hält, und ihr Glöckchen über die darunter liegende Stadt
schallen lässt, wenn dem armen Bruder die Lebensmittel
ausgegangen sind, wo sich dann alles beeilt, ihn wieder
zu verproviantiren. Ein angenehmer Spaziergang führt an
der Klause vorüber nach dem Gräflich Westphalschen Gute
Laar, das inmitten seiner ausgedehnten Garten- und
Parkanlagen, in der ohnedies schönen Lage am Ruhrufer
eine neidenswerthe Besitzung bildet. Unter Andrem macht
eine Reihe schwindelnd hoher lombardischer Pappeln hart
unter dem Berghange und sich längs seiner Fichtenwand
abschattirend, einen pittoresken, fast grandiosen
Effekt. Bald auf dem rechten, bald auf dem linken Ufer
laufend, zieht von hier die Chaussee über unzählige
Brücken sich durch das immer malerische Thal, über
frische Auen, an bekränzten Höhen vorbei….. |