Zwangsarbeiter in Meschede während des Zweiten Weltkrieges


Während des Zweiten Weltkrieges wurden aus allen besetzten Ländern Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Sie mussten u.a. in Fabriken, Steinbrüchen und in der Landwirtschaft arbeiten. Untergebracht waren sie z.T. in Lagern.

Auch in Meschede wurden Zwangsarbeiter eingesetzt. "... 2400 Ausländer sollen zeitweise im Lager der Honsel-Werke gelebt haben. Aber es gab noch mehr Lager: An der Ziegelei Lager Meschede I, Nummer 719, belegt mit bis zu 120 Franzosen, zusätzlich noch an der Waldstraße (200 Russen), an der Walkenmühle (25 Italiener). In der zerstörten jüdischen Synagoge in der Kampstraße waren Franzosen in einem Zivilarbeiter-Lager untergebracht..."

Reinhard Köhne befragte Mescheder Bürger zu ihrer Erinnerung an die Unterbringung der Zwangsarbeiter und hielt ihre Aussagen in einem Gedächtnisprotokoll fest:

„In den Baracken östlich des evangelischen Friedhofs an der Reichsstraße, russische Frauen. Desgleichen ca. vier Baracken im Winkel zwischen dem Obergraben und der Ruhr auf dem östlichen Bereich der Fa. Honsel. Auf dem östlichen Schützenplatz drei Baracken für Franzosen. Auf dem Schützenplatz (drei) und auf dem südlichen Parkplatz eine Baracke für Italiener. Am Ruhrufer, nördlich des Betriebsgeländes, vier Baracken für Franzosen.
Auf dem Obergeschoss (Dachboden) der Fa. Wiebelhaus befand sich ein Lager. Zuvor war es bis 1934 als Reichsarbeitsdienstlager genutzt und später nach Eslohe verlegt worden. (Dr. W. Kathol, Meschede).
Die Baracke an der Steinstraße (jetzt Kreishaus) diente der HJ-Führung.
Die Baracke unterhalb der Talsperre, in der sogen. ‚Juliusruh‘, wurde 1943 für schulische Zwecke errichtet.
Bei den Bombenangriffen des Jahres 1945 wurden die Baracken in der Nachbarschaft der Honselwerke zerstört. Das Barackenlager an der Reichstraße, östlich des Evangelischen Friedhofs, ist beim Einmarsch der Amerikaner 1945 zerstört worden.
Die meisten Baracken wurden bis 1952 durch die Siedlungs- und Baugenossenschaft Meschede wieder abgerissen.“

Pastor Grumpe erinnerte sich in der Befragung an drei Lager an der oberen Waldstraße:

„Das erste Lager war ein ‚Zuchtlager’ (Erziehungslager) für Zwangsarbeiter, die sich nicht einfügen wollten.
Der Mescheder Hilfspolizist NN führte im Auftrag der Fa Honsel und auf Befehl der Mescheder Parteileitung (Herr Ma.) Zwangsarbeiter unter dramatischen Umständen vom Betrieb zur Waldstraße zu Fuß durch die Stadt. Dabei wurde mit brutalen Stockschlägen verhindert, dass Zwangsarbeiter zurückblieben oder ‚durchbrannten’. Diese Elendsmärsche über die Bahnschranke und die Pulverturmstraße fanden unter den Augen der Bevölkerung statt (Herr Grumpe benennt einen Zeugen von der Pulverturmstraße).
Als Nachbarn beim Einmarsch der Amerikaner 1945 abends riefen: ‚Herr Vikar, da schlagen sie (befreite Zwangsarbeiter) einen tot’ und Vikar Grumpe hörte, dass es sich bei dem Verprügelten um den Hilfspolizisten NN handelte, der die ganzen Jahre die Leute von Honsel zum Zwangslager hinaufgetrieben hatte, reagierte er mit der Antwort: ‚Er hat es verdient’. Es handelte sich nicht um den Mescheder Polizisten Heiduck, den Herr Grumpe als ‚verständigen Mann’ charakterisiert.
Das zweite Lager, das ‚junge Lager’, war für jugendliche Zwangsarbeiter eingerichtet. Frauen und Männer konnten für Hilfsarbeiten von der Bevölkerung ‚ausgeliehen’ werden. Herr Grumpe erinnert sich an sechs Taufen, die er heimlich im Lager gespendet hat.
Das dritte Lager befand sich auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei. Es handelte sich um ein Gefangenenlager der Wehrmacht für französische Kriegsgefangene. Nach Aussage von Herrn Wellhage (christlicher Gewerkschaftssekretär, Waldstraße, 1986 verstorben) lebten dort etwa 800 Kriegsgefangene. Beim Einmarsch der Amerikaner wurde das Lager mit militärischem Zeremoniell übergeben.“

Die Zitate stammen aus: Meschede bei Kriegsende - die Stunde Null

http://www.meschede.de/fileadmin/user_upload/PDFs-Sonstige/PDFs-_Geschichte/Meschede_bei_Kriegsende_-_die_Stunde_Null.pdf

 


 

 

 

 

Mir liegt eine Aufstellung von 1949 der Zwangsarbeiter-Lager in Meschede vom damaligen Stadtdirektor vor. Sie stammt aus einer Schülerarbeit des städt. Gymnasiums Meschede 1983 zum Thema Zwangs-/Fremdarbeiter (Wettbewerbsarbeit Bundeszentrale für politische Bildung).

 

(Anklicken, größere Darstellung in neuem Fenster)

 

 

 

Abschrift der Kopie:

Betrifft: Information über Ausländer-Läger
Art des Lagers

Ungef. Belegungsstärke

des Lagers

Nationalitäten

Namen von Wachmannschaften,

die evtl. von Spruchkammern

od. all. Gerichtshöfen verurteilt sind

Namen von früh. Insassen,

die ev. vervollständigende

Angaben machen können u.

irgend and. bes. Einzelheiten

Honselwerke Meschede, Kriegsgefangenen- u. Zivilarbeiterlager

2400

Russen, Polen,

Ostarb., Ukrainer,

Italiener, Franzosen, Belgier u. Holländer

keine

Einzelne Namen sind noch aus den Personallisten der Fa. Honsel ersichtlich, jedoch sind die näheren Personalien u. heutigen Anschriften nicht bekannt

Wiebelhaus Meschede

Kriegsgefangenenlager

125

Russen

keine

Einzelne Namen sind noch bekannt. Die Unterlagen über die einzelnen Personalien sind vernichtet. Heutige Anschriften von Insassen unbekannt

Fa. Wilhelm von Hagen

Walze (Heinrichsthal)

Zivilarbeiterlager

350

später dazu 20-30

Russen (männl.+weibl.)

Franzosen

keine

Namenlisten über Lohnauszahlungen sind teilw. noch vorhanden. Heutige Anschriften sind jedoch in keinem Falle bekannt.

Synagoge Meschede

Zivilarbeiterlager

25

Franzosen

keine

Irgendwelche Unterlagen sind nicht mehr vorhanden

Lager Ziegelei

Kriegsgef.-Lager

120

Franzosen

keine

Namenslisten sind teilweise noch vorhanden, jedoch ohne nähere Personalien

Lager Walkenmühle

Zivilarbeiter

25

Italiener

keine

Waren teilweise bei der Fa. von Hagen in Walze beschäftigt. Hier sind Namenslisten über Lohnauszahlungen noch vorhanden

Lager Waldstraße

Zivilarbeiterlager

200

Russen

(männl.+weibl.)

keine

Namen lassen sich teilweise noch ermitteln. Es fehlen sämtliche Unterlagen über nähere Personalien und heutige Anschriften

Auffanglager Waldstraße

Kriegsgefangenenlager

Zahl schwankte ständig

Russen

keine

In diesem Lager wurden nur Russen untergebracht, die aus fremden Lagern entwichen waren und im hiesigen Bezirk aufgegriffen wurden. Irgendwelche Unterlagen sind nicht vorhanden.

 


 

Nach einer Statistik vom 30.9.1944 gab es zu dem Zeitpunkt im Arbeitsamtbereich Meschede 8319 ausländische Arbeiter und Angestellte, davon 4142 Ostarbeiter.

(Quelle: MARK SPOERER: NS-ZWANGSARBEITER IM DEUTSCHEN REICH - Eine Statistik vom 30. September 1944 nach Arbeitsamtsbezirken, Institut für Zeitgeschichte - Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Jahrgang 49 (2001) Heft 4, S. 678)

 


Startseite