"Westfalenpost, Tageszeitung für Warstein und das Möhnetal", Samstag, 23. März 1985:
"Lebendige Vergangenheit"
Sowjetische Kriegstote auf 'Franzosenfriedhof' umgebettet
"Warstein/Meschede (alz). In dem Bemühen, das düstere Kapitel Warsteiner Heimatgeschichte vor jetzt genau 40 Jahren dokumentarisch aufzuarbeiten, ist eine Tatsache nicht exakt wiedergegeben bzw. anhand von Augenzeugenaussagen und vorliegendem Material in einem Punkt verzerrt worden. Die 208 Fremdarbeiter, die in und um Warstein von einer gewissenlosen SS-Einheit ermordet wurden, fanden nicht auf der zentralen Kriegsgräberstätte bei Meschede, sondern auf einem versteckten Waldfriedhof ,Fulmecke’, von den Meschedern auch ,Franzosenfriedhof’ genannt, ihre letzte Ruhestätte.
Burkhard Köster, Bediensteter der Stadt Meschede und gebürtiger Hirschberger, meldete sich unmittelbar nach dem Erscheinen der WESTFALENPOST-Dokumentation vom Samstag, 16. März, und bot amtliche Unterlagen an, aus denen eindeutig hervorgeht, wo die Ermordeten ihre letzte Ruhe fanden. ,Für mich’, so Burkhard Köster, ,der ich die Geschehnisse nur vom Hörensagen kenne, war der WP-Bericht eine ausgezeichnete Zusammenfassung der heimischen Geschichte.’
Auch Franz-Josef Schulte, Oberstudienrat am Warsteiner Gymnasium, besonders engagiert in Fragen der Heimatgeschichte, hat durch Hinweise und tätige Hilfe mit dazu beigetragen, das tatsächliche Verbleiben der insgesamt 208 Leichname aufzuklären. Franz-Josef Schulte: ,Die WP-Dokumentation ist sehr gut geeignet, den Schülern die Kriegsereignisse zu verdeutlichen.’ Amtlicherseits wird bestätigt, daß die irrige Annahme, die Toten wären in die Kriegsgräberstätte umgebettet worden, in der Bevölkerung sehr verbreitet sei.
Die Umbettung auf den Waldfriedhof Fulmecke ging zunächst auf die Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zurück. Der Waldfriedhof Fulmecke wurde bereits um 1914 angelegt. Damals fanden dort die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges hier eine würdige Gedenkstätte. Später kamen Gefallene des Zweiten Weltkrieges hinzu.
Mit Schreiben 01/073/-06 vom 27. August 1963 bittet die Institution der Kriegsgräberfürsorge das Mescheder Bauamt um Planungsunterlagen des Waldfriedhofes und eine Kostenberechnung. Rund 50.000 DM werden für dieses Vorhaben ausgegeben. Eine Warsteiner und eine Belecker Tiefbaufirma werden beauftragt, die 71 Kriegstoten aus dem Langenbachtal und weitere 56 Opfer aus dem Kattensiepen bei Suttrop auf den Mescheder Friedhof umzubetten. Auch die 80 Männer, die in einem Waldstück bei Eversberg hingerichtet wurden, kommen auf den Sammelfriedhof Fulmecke.
Während die Gebeine der 14 Männer, 56 Frauen und die eines Kindes in Warstein aufgenommen und nach Meschede überführt wurden, bleibt bei den 57 in Suttrop Getöteten eine Differenz von sieben. Nur 50 sowjetische Kriegstote werden registriert. Soweit eine Identifizierung noch möglich war, wurden die sterblichen Überreste in Einzelgräber gebettet.
Vor exakt 40 Jahren: Blutbad kostete 208 Menschen das Leben
Zum besseren Verständnis noch einmal kurz die Fakten des scheußlichen Verbrechens von Warstein, das auf den Tag genau vor 40 Jahren stattfand:
20. März: ein LKW-Konvoi fährt auf den Suttroper Schulhof. Wahllos werden 35 Männer und 21 Frauen aufgefordert aufzusitzen; ein Kind ist auch dabei. Nach kurzer Fahrt zum Kattensiepen heißt es absteigen, Garben aus Maschinengewehren metzeln die Russen nieder.
21. März: ein SS-Kommando stürzt in die Warsteiner Schützenhalle, schnell sind 14 Männer, 56 Frauen – und wieder ist ein Kind dabei – gefunden, die auf Militärfahrzeuge steigen, in der Hoffnung es ginge in ein besseres Lager. Auch hier ist die Fahrt ins Langenbachtal nur kurz. Sie entrinnen ebenso wenig ihrem Schicksal wie ihre Landsleute einen Tag zuvor.
22 März: diesmal werden 80 kräftige Männer für einen ,Arbeitseinsatz’ ausgesucht – und in einem Waldstück bei Eversberg erschossen.
Der Obelisk, ein äußeres Zeichen des sogenannten Russenfriedhofes auf einem Hochplateau in der Nähe der Hinrichtungsstätte von 71 Fremdarbeitern im Langenbachtal, galt für viele Warsteiner als verschollen. 1964 wurden auf Initiative des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge die Gebeine der Getöteten nach Meschede verlegt. Der dreieckige Spitzpfeiler fand auf der dortigen Gedenkstätte einen Ehrenplatz. Eingemeißelte Lettern in drei Sprachen erinnern an die Greueltat in den Märztagen 1945."
Leider weiß ich noch immer nicht, wer die Stele wann genau errichtet hat. Erwähnt ist sie in der Akte H 79 im Stadtarchiv Warstein am 4.5.1950:
Aus dem Stadtarchiv der Stadt Warstein, Akte H 79:
„Amtsverwaltung Warstein
Warstein, den 4. August 1950
Amt f. öffentl. Ordn.
III.C.17-1
1. Bericht:
Betrifft: Sowjetische Gräber
Bezug: Verfügung vom 31.7.1950 – GZ.: 44-6-2.-
Die Herstellung der Grabsteine ist aus den in meinem Bericht vom 26.6.1950 angegebenen Gründen ausgesetzt. Mit dem Bericht erbat ich Entscheidung über die Kostenfrage. Bis jetzt steht diese noch aus.
Aus Ziffer 3b des Schreibens der Militärregierung vom 21.6.1949 entnehme ich, daß Steinplatten mit russischen Schriftzeichen nur für die Gräber mit namentlich bekannten Toten gefordert werden; mithin solche nicht für Gräber mit unbekannten Russen erforderlich sind. Infolgedessen sind keine Kosten für Steinplatten und Aufschriften für Gräber mit unbekannten Russen in Ansatz gebracht.
Gräber mit unbekannten Russen sind vorhanden
in Belecke 8,
in Hirschberg 2,
in Waldhausen 1,
in Warstein 71 (auf einem Waldfriedhof – Russenfriedhof -).
Falls auch die Gräber mit unbekannten Russen Steinplatten erhalten und diese beschriftet werden sollen, werden sich die Kosten wesentlich erhöhen und zwar
je Grabplatte 30 x 20 cm groß, 40 mm stark, Fläche und Kanten geschliffen,
aus grau-grünem Dolomit, ............................................. 8,-- DM,
je Buchstabe (russische Schrift), keilförmig vertieft gehauen,
nicht vergoldet und nicht ausgestrichen ..........................0,60 DM
betragen. – Ich bitte, evtl. auch hierüber Entscheidung herbeizuführen und ggf. welche Aufschrift die Gräber unbekannter Russen erhalten sollen.
Der Waldfriedhof (Russenfriedhof) in Warstein enthält ein Obelisk mit einer s. Zt. russischen Wünschen entsprechenden Aufschrift in deutscher, russischer und englischer Sprache:
,HIER
RUHEN RUSSISCHE
BÜRGER BESTIALISCH
ERMORDET
IN FASCHISTISCHER
GEFANGENSCHAFT
EWIGER RUHM
DEN GEFALLENEN HELDEN
DES GROSSEN
VATERLÄNDISCHEN
KRIEGES
1941 – 1945’
Erübrigt.“
Die „Westfalenpost“ vom 25.1.1957 zeigt die Stele – damals noch mit stilisierter Fahne der UdSSR1 - auf dem Waldfriedhof in Warstein mit folgendem Text:
„Dieser Obelisk im Warsteiner Wald steht am Rande eines kleinen Friedhofes, auf dem die Opfer des Massenmordes im Langenbachtal beerdigt wurden. Die damals von einer kleinen Gruppe wahnwitziger SS-Leute erschossenen Wehrlosen wurden Opfer einer kriminellenStraftat, die jetzt hoffentlich ihre Sühne finden wird. Der Schmerz über die nunmehr weitgehend geklärten Vorgänge in den letzten Kriegstagen erfaßt alle, die von dieser furchtbaren Tat hören. Und denjenigen, die hier ruhen, wird besonders in diesen Tagen, da die dämonischen Vorgänge von damals noch einmal wieder lebendig werden, der Wunsch aller Sauerländer gelten, daß ihnen im Jenseits reicher Lohn für ihr Leid und ihren Tod zuteil werden möge.“
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1 Vgl. Dimitrij Davydov und Hans H. Hankes Aufsatz „Unbequeme Grabmale. Zeugnisse sowjetischer Verewigungskultur in Westfalen“ in der Zeitschrift „Die Denkmalpflege“, Nummer 2/2013, S. 108-116. Die Stele in Meschede wird besonders erwähnt. Ein Bild auf S. 113 zeigt das sowjetische Ehrenmal in Stukenbrock 1945 auch mit einer stilisierten Fahne, und auch diese existiert nicht mehr.
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Und ein anderes Photo aus derselben Zeitung zeigt für mich den Unterschied zwischen einem Sammelgrab („Hier ruhen soundsoviele sowjetische Bürger, die fern von ihrer Heimat starben“) und Einzelgräbern:
„Schaudern erfaßt die wenigen Wanderer, die in diesen Tagen den Weg hinauf zum Friedhof der ermordeten Russen finden. Unter einer dichten Schneedecke liegen die Gräber der Männer, Frauen und Kinder, die wenige 100 Meter von hier starben. Die kleinen Kreuze, die aus dem Schnee ragen, künden indessen, daß auch dieses Leid seinen Sinn hatte. Die Henker aus dem Langenbachtal werden jedoch hoffentlich bald die ganze Härte der Gesetze spüren, gegen die sie damals verstoßen haben. Der Hauptschuldige an den Warsteiner Massenmorden hat sich feige der irdischen Verantwortung entzogen. Fotos: Fischer“
Aber im Juni und Juli 1964 wurden die Ermordeten von Warstein (Langenbachtal) und Suttrop (Körtlinghausener Forst) „umgebettet“, und es sind zwei Wörter, die mir in einem Aktenvermerk besonders aufgefallen sind:
Aus dem Stadtarchiv Warstein, Akte H 79:
„Warstein, den 9.3.1964
Vermerk
Betr.: Russengräber im Langenbachtal
Besprechung am 9.3.1964
Anwesend: Reg.-Rat Loos – Regierung Arnsberg Angestellter Brinkmann und der Unterzeichnete.
1. Die Verlegung nach Meschede ist endgültig geklärt und festgelegt.
Die Russengräber in Suttrop werden ebenfalls verlegt.
Die Umbettung der Warsteiner Russen muß die Stadt Warstein vornehmen
einschließlich der Neubelegung auf dem Friedhof in Meschede.
Das Denkmal wird zweckmäßig (ohne großes Fundament) in Meschede wieder
aufgestellt. Ein geeigneter Platz innerhalb der Bepflanzung ist zu wählen.
Eine Kostenbeihilfe für die Umbettung gibt der Bund über einen Antrag bei der
Regierung in Arnsberg.
2. Heldenfriedhof Warstein
Für die Grabsteine (Einheitsformat) der Gefallenen des II. Weltkrieges trägt der Bund
die Kosten.
Für die Grabsteine der Gefallenen des I. Weltkrieges zahlt der Bund eine Beihilfe,
gem. M.Blatt, Sammelblatt Nr. 2191 vom 20.5.1958.
3. Russengräber auf dem städt. Friedhof Warstein
Es wird gebeten, festzustellen:
1. Sind die Namen der Toten bekannt?
2. Wird eine jährliche Beihilfe gezahlt?
Bei der Regierung sind nur 6 Gräber bekannt bzw. registriert.
- Amtsbaumeister -“
Zuerst war es das große Fundament, das zweckmäßigerweise nicht wieder aufgestellt werden sollte. Es ist auf den Photos im obigen Artikel wohl unter der Schneedecke begraben, hier aber abgebildet.
2 Leider wurde mir dieses Bild ohne Quellenangabe zugeschickt; eine Nachfrage blieb erfolglos.
Auf dem Bild ist sowohl die stilisierte Fahne als auch das Fundament der Stele zu sehen.
Und dann das Wort 'geeignet': „Ein geeigneter Platz innerhalb der Bepflanzung ist zu wählen.“
Dieses Photo habe ich im September 2017 aufgenommen, und ich kann nicht verstehen, inwiefern dieser Platz besonders geeignet sein sollte. Diese Stele ist von drei Seiten beschriftet:
1. in Russisch:
ЗДЕСЬ
ПОКОЯТСЯ
РУССКИЕ ГРАЖДАНЕ,
ЗВЕРСКИ ЗАМУЧЕННЫЕ
В ФАШИСТКОЙ НЕВОЛЕ.
ВЕЧНАЯ СЛАВА
ПАВШИМ ГЕРОЯМ
ВЕЛИКОЙ
ОТЕЧЕСТВЕННОЙ
ВОЙНЫ
1941–1945
2. in Englisch:
„HERE LIE RUSSIAN CITIZENS BRUTALLY MURDERED IN FASCHISTISCHER3
CAPTIVITY. ETERNAL GLORY FOR THE DEAD HEROES OF THE GREAT
FATHERLAND WAR 1941 – 1945”
3. in Deutsch:
„HIER RUHEN RUSSISCHE BÜRGER, BESTIALISCH ERMORDET IN
FASCHISTISCHER GEFANGENSCHAFT. EWIGER RUHM DEN GEFALLENEN DES
GROSSEN VATERLÄNDISCHEN KRIEGES 1941 – 1945“
Um die drei Seiten sehen zu können, muß man also um die Stele herumgehen. Aber anscheinend ist das für manch einen kein besonders verlockendes Angebot. Vielmehr hörte ich mehrfach, die Stele sei ja nur auf Russisch beschriftet, und Karl Schaefer schreibt in „Die Holzschale der Kahns. Erinnerungen aus meiner Kindheit im Dritten Reich, im Krieg und in der Nachkriegszeit“4: „Es mag sein, dass die kyrillische Inschrift auf der großen sowjetischen Gedenkstele im Hintergrund des Friedhofs die Wahrheit sagt, aber wer von den Besuchern des Friedhofs kann sie lesen!“
Vielleicht hätte man besser daran getan, das große Fundament auch nach Meschede zu bringen, dann wäre mehr Platz zum Drumherumgehen gewesen. Was hat man wohl damit gemacht? Vergraben?
„Ein geeigneter Platz innerhalb der Bepflanzung ist zu wählen.“ Immer wieder kommt mir dieser Satz in den Sinn. Denn daß man einen geeigneten Platz für die Stele finden sollte, verstand sich doch von selbst. Warum wird das eigens erwähnt, und warum „innerhalb der Bepflanzung“?
Als mir der Artikel „Vom Verfassungsschutz bespitzelt, vom Bundespräsidenten gelobt. Seit 50 Jahren setzt sich ,Blumen für Stukenbrock’ für das Gedenken an NS-Opfer ein“ („Westfälische Rundschau, 29.9.2017, S. 22) aus Meschede zugeschickt wurde, hatte ich gerade ein Buch ausgelesen, das ich mir nach der Gedenkfeier am 2. September in Stukenbrock gekauft hatte: Carsten Seichters „Nach der Befreiung. Die Nachkriegs- und Rezeptionsgeschichte des Kriegsgefangenenlagers Stukenbrock“5. Auf dem Umschlag sieht man das Denkmal mit der stilisierten Fahne auf der Spitze, von der es im Artikel heißt:
„ ,Blumen für Stukenbrock’ dringt darauf, das Mahnmal, ein von Überlebenden errichteter Obelisk, wieder in seinen Ursprungszustand zu versetzen. Eine Glasplastik auf der Spitze mit der Fahne der UdSSR wurde in der Nachkriegszeit durch ein orthodoxes Holzkreuz ersetzt.“
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3 Wie muß sich der arme Mensch geärgert haben, als er diesen Fehler entdeckt hat. Mitten im englischen Text taucht dieses deutsche Wort auf. Auf der vierseitigen Stele auf dem Friedhof der LWL-Klinik in Warstein steht der gleiche Text in den drei Sprachen (eine Seite ist frei), und der englische Text heißt hier: „HERE LIE RUSSIAN CITIZENS BRUTALLY MURDERED IN FASHISTIC CAPTIVITY. ETERNAL GLORY FOR THE DEAD HEROES OF THE GREAT FATHERLAND WAR 1941 – 1945”.
4 Münster 2006, S. 231-240; zitiert nach Peter Bürger, Jens Hahnwals und Georg D. Heidingsfelders „Sühnekreuz Meschede. Die Massenmorde an Zwangsarbeitern im Sauerland während der Endphase des 2.Weltkrieges und die Geschichte eines schwierigen Gedenkens, edition leutekirche sauerland 3, Books on Demand, Norderstedt 2016, S. 393 (erweiterte Buchausgabe von „Zwischen Jerusalem und Meschede“, kostenloser Download unter http://www.sauerlandmundart.de/pdfs/daunlots%2076.pdf, dort auf S. 195)
5 Köln 2006
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Auf dem Sockel des Denkmals lag am 2.9. ein Kranz mit der Schleife des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, und es gibt mir sehr zu fühlen und zu denken, wie unterschiedlich der Toten gedacht wurde und wird. Auf S. 44 schreibt Carsten Seichter: „Zu welch hintersinnigen Methoden man behördlicherseits griff, um dem Obelisken möglichst wenig Geltung zu verschaffen, zeigt ein interner Vermerk des Amtes Schloß Neuhaus, der zur Neueinweihung des Friedhofs verfasst wurde:
,Seinerzeit war vorgesehen, das von den russischen Kriegsgefangenen errichtete Denkmal so zu umpflanzen, daß niemand mehr herumgehen kann. Es zeigt sich aber, daß Besucher des Friedhofs, wie die zertretenen Pflanzen beweisen, das Denkmal von allen Seiten besehen und die Inschriften lesen wollen. Zu überlegen ist, ob nicht ein schmaler ca. 50 cm breiter Plattenweg herumgeführt werden soll, der mit schnell wachsenden Dornensträuchern beiderseits bepflanzt werden kann, so daß er im Laufe der nächsten Jahre verschwindet.’ (Fußnote: Vermerk des Amtes Schloß Neuhaus vom 26.8.1964, Archiv der Dokumentationsstätte Stalag 326, 126-22.)“
Um ehrlich zu sein: Ich kann das mit den Dornensträuchern kaum glauben, und deshalb werde ich wohl auch noch einmal zur Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne6 fahren müssen, um mir diesen Vermerk im Archiv anzusehen.
Aber selbst, wenn ich diesen Vermerk mit eigenen Augen gesehen hätte, könnte ich es kaum glauben. Wie ist so etwas nur möglich? Wer kann nur auf eine solche Idee kommen angesichts dessen, wovon der Flyer der Dokumentationsstätte spricht: „Eines der größten Lager, das Stalag 326 (VI K), befand sich in Stukenbrock-Senne. Auch dieses Lager unterstand dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW). Nachweislich waren hier über 300.000 sowjetische Kriegsgefangene untergebracht. ... Als die ersten 4.000 sowjetischen Kriegsgefangenen im Juli 1941 ankamen, war das Gelände noch weitestgehend unbebaut. Erdhöhlen und Laubhütten, von den Kriegsgefangenen mit den unterschiedlichsten Materialien notdürftig errichtet, dienten anfangs zum Schutz vor Kälte, Wind und Regen. Ebenso wie in vielen anderen Lagern verstarben die sowjetischen Kriegsgefangenen an den Folgen der katastrophalen Lebensbedingungen. Wie viele Menschen an diesem Ort umkamen ..., konnte bisher noch nicht eindeutig geklärt werden.“
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6 Lippstädter Weg 26, 33758 Schloß Holte-Stukenbrock, 05257 / 3033, www.stalag326.de
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An diesem 2. September hatte ich die Ehre, den Leiter des Büros für Kriegsgräberfürsorge und Gedenkarbeit der Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland mit seiner Frau und Tochter kennenzulernen, und er erzählte, 15003 Namen seien nun bekannt. Einige davon habe ich lesen können:
Und es war dieses Bild, das mir wieder zeigte, wie
Friedensarbeit auch wesentlich aussieht:
Weiß Gott: Ich habe nicht das Recht, das Denkmal in Stukenbrock zu kritisieren; Überlebende haben es errichtet, und damit hat es seinen ewigen Platz in der Geschichte! Aber es sind nicht die großen Denkmäler, die mich ansprechen. Es sind die kleinen Gesten, die einzelnen Namen. Und es war dieser Hase,
der mich an Marija Iwanowa (МАРИЯ ИВАНОВА) vom „Franzosenfriedhof“ erinnerte, die zum Frühlingsanfang 1936 im Kreis Leningrad geboren wurde und am 6.6.1945 in Meschede starb; „Todesursache“: „Verletzung durch Bordwaffenbeschuss“. Was hatte die neunjährige Marija in Meschede verloren, und was geschah mit ihren Eltern, vor und nach ihrem Tod?
Bestimmt hätte sich auch Olga Aleshina (ОЛЬГА АЛЁШИНА) über diesen Hasen gefreut.
Auch die sowjetische Stele auf dem Waldfriedhof in Meschede, die bisher als einzige von Verbrechen kündet, ist mir viel näher als das große Denkmal in Stukenbrock.
Und herumgehen und photographieren konnte ich sie jetzt auch von allen Seiten.
Vielen Dank dafür, für den schönen Artikel und die vielen freundlichen Worte aus Meschede und Warstein!
Herzlichst
Originaldatei: Lebendige Vergangenheit WP 23 3 1985.pdf