Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

- Auszüge -

Ich habe die Passagen ausgewählt, die sich mit Orten meiner Reise befassen

Kompletter Text, auch im Faksimile mit den Bildtafeln:

http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/semon/australien/index.html


ab S. 488:

Am Abend lichteten wir die Anker und verließen nun Celebes, indem wir quer durch die Molukkensee den berühmten Gewürzinseln zusteuerten. Nach 36 stündiger Fahrt erreichten wir die Insel Ternate, die nichts anderes ist als die kegelförmige Kuppe eines unmittelbar aus dem Meere aufsteigenden, eine Höhe von 1580 Meter erreichenden Vulkans. Die Stadt Ternate liegt lang hingestreckt am Südostabhang des Vulkans, gerade gegenüber im Süden erblickt man eine andere vulkanische Insel, die sich mit noch schöner geformtem Kegel höher aus dem Meere erhebt. Es ist Tidore, ebenso wie Ternate der Sitz eines Sultans, der ehemals zu den reichsten und mächtigsten Fürsten des Ostens gehörte. Seine Macht erstreckte sich bis an die Küste von Nordwest-Neu-Guinea, und noch heute zahlen eine Anzahl der dortigen Stämme und ein Teil der Bevölkerung von Waigiu an ihn einen Tribut in Gestalt von Paradiesvogelbälgen und Schildpatt. Augenblicklich sind diese Sultane, die zuerst von den Portugiesen unterjocht worden sind, nur Schattenkönige; sie stehen gänzlich unter der Bevormundung der holländischen Regierung. Freilich sind sie noch Souveräne, denn die Holländer haben überall das Prinzip, die angestammten Fürstenhäuser zu erhalten und die Herrschaft durch ihre Vermittlung auszuüben. Dies Verfahren ist ein sehr weises und findet jetzt bei fast allen europäischen Mächten für die Verwaltung ihrer Kolonien Nachahmung. Die Eingeborenen empfinden dann die Fremdherrschaft viel weniger drückend, und für die Weißen ist solch eine indirekte Verwaltung bequemer und angenehmer als eine direkte. Allerdings gehört dazu, daß von vornherein eine einheimische Regierung vorhanden ist, die Macht und Autorität besitzt, wie hier in den malayischen Feudalstaaten oder in Madagaskar oder Tunis. Auf Neu-Guinea oder an der afrikanischen Westküste wird die Kolonisation und Verwaltung durch Abwesenheit einer solchen erheblich erschwert. Der Sultan von Ternate übt außer der Herrschaft über die eingeborene Bevölkerung seiner Insel noch Souveränität über die nördlichen Teile von Halmahera aus. Östlich von der Stadt Ternate in geringer Entfernung erblickt man die langgestreckte bergige Küste letzterer Insel.

Wir blieben zwei Tage vor Ternate, und der Resident, Herr Bensbach, und der Sekretär, Herr Sedé, gewährten mir eine zuvorkommende und gastfreie Aufnahme. Der letztere übergab mir eine schöne Sammlung von Paradiesvögeln als Geschenk für die Universität Jena. Infolge seiner Oberhoheit über einen Teil des nordwestlichen Neu-Guineas ist Tidore und damit auch das benachbarte Ternate seit langer Zeit der Ausgangspunkt des Exports von Paradiesvogelbälgen nach Europa. Im Hause des Herrn Sedé sah ich einige Exemplare der prachtvollen Kronentauben von Neu-Guinea, Megapelia (Goura) coronata, die lebend in einem Käfig gehalten wurden. Herr Bensbach zeigte mir seine ausgezeichnete Sammlung von celebessischen Waffen. Am nächsten Tage bestieg ich den Vulkan von Ternate bis etwa zu seiner halben Höhe. Der Sockel des Berges steigt nur allmählich an und ist mit dichten Pflanzungen bedeckt; hier fing ich eine Anzahl von Schmetterlingen. In größerer Höhe nimmt die Steilheit zu und tiefe Furchen durchsetzen den Mantel des Vulkans, die Pflanzendecke reicht hoch hinauf, beinah bis zum Gipfel.

Ternate und Tidore sind die nördlichen Erhebungen einer von Nord nach Süd reichenden Vulkanreihe, die der Westküste von Halmahera vorgelagert sind. Es sind südlich von Tidore Maree, dann Motir und Makjan. Weiter im Süden folgt die größere Insel Kajoa und noch weiter südlich gelangt man zu einer Gruppe ansehnlicher Inseln, deren Hauptmasse durch die der Südwestspitze von Halmahera vorgelagerte Insel Batjan eingenommen wird.

Am 31. Dezember 92 langten wir vor der Stadt Batjan an und blieben den Tag über dort. Ich benutzte die Zeit zu einem Ausflug in die sumpfige und, wie man mir sagte, zu dieser Zeit ungesunde Umgebung der Stadt und sammelte eine Anzahl Schmetterlinge und andere Insekten. Auf Batjan kommt der merkwürdige pavianähnliche Affe Cynopithecus niger vor, der höchst wahrscheinlich durch seefahrende Malayen von Celebes eingeschleppt worden ist. Auf der großen Insel Halmahera, die nur durch eine schmale Meerenge von Batjan getrennt ist, wird er nicht angetroffen. Durch Vermittlung des Kontrolleurs Stormer hatte ich eine Unterredung mit dem Radja, der mir versprach, mir einige gute Taucher von Batjan nach Ambon herüber zu senden, falls ich in letzterem Orte keine finden sollte, eine Befürchtung, die sich später als unbegründet erwies.

Das Jahr 1893 leitete sich in etwas unfreundlicher und gewaltsamer Weise ein. In der Nacht hatten wir einen sehr heftigen Sturm, der noch den ganzen nächsten Tag über anhielt. Mittags erreichten wir die Nordostspitze der Insel Buru und versuchten in die Bai von Kajeli einzulaufen. Der heftige Regen hinderte die Orientierung aber so sehr, und das Meer war so wild und erregt, daß der Kapitän, nachdem er während einiger Stunden auf der Höhe von Kajeli gestoppt hatte, und das Schiff in höchst unangenehmer Weise von den Wellen hin und her geworfen war, den Versuch aufgab. Wir steuerten südöstlich auf Ambon zu, und nach einigen Stunden tauchten die hohen Berge dieser herrlichen Molukkeninsel vor uns auf. Unser Schiff lief in die ziemlich geschützte Außenbai ein und ging vor Anbruch der Dunkelheit vor der Stadt Ambon vor Anker, wobei der Both von den Wellen gegen die Bohlen des Quais geworfen wurde und einen Teil derselben eindrückte.

Siebzehntes Kapitel. Die Insel Ambon.

Die Niederlassung der Holländer auf der Insel Ambon gehört zu den ältesten in Niederländisch-Indien. Zuerst von allen Europäern erschienen im Jahre 1515 die Portugiesen auf den Molukken und unterwarfen bis zum Jahre 1564 den größten Teil dieser reichen und fruchtbaren Inseln. Im Jahre 1605 traten die Holländer dort auf und nahmen in den folgenden Jahren ihren Nebenbuhlern den kostbaren Besitz ab. Centralpunkt der holländischen Herrschaft im östlichen Teil des malayischen Archipels war von jeher Ambon oder, wie die Portugiesen es nannten, Amboina. Letzterer Name ist noch heute der offizielle, aber an Ort und Stelle nennt kein Mensch Insel und Stadt anders als Ambon.

Die Insel Ambon (vergleiche Karte 4) besteht eigentlich aus zwei nebeneinander liegenden Inseln: das größere Hitu im Norden, das kleinere Le'ëtimor im Süden, die an einer einzigen schmalen Stelle, der wenig über einen Kilometer breiten Landenge von Passo, zusammenhängen. Durch diese Landenge wird der Meeresarm, welcher die beiden Inseln trennt, in zwei besondere Baien, die Bai von Baguala im Osten und die von Ambon im Westen, geschieden. Von Hitu aus springt ein scharf zugespitztes Vorgebirge, das Tanjong Montafons in die Bai von Ambon vor und teilt dieselbe in eine Binnenbai, zwischen Montafons und Passo, und die trichterförmig sich nach außen öffnende Außenbai. Den Eingang in letztere vom offenen Meere aus bezeichnen zwei Vorgebirge, im Norden das Tanjong Alang auf Hitu, im Süden das Tanjong Nusanive auf Le'itimor.

Die Stadt Ambon liegt auf Le'itimor und erstreckt sich mit ihren Vororten ein gutes Stück die Küste entlang. Gerade gegenüber erblickt man das bergige Hitu mit seinem 1300 Meter hohen Salhutu im Osten und dem Doppelgipfel des 900 Meter hohen Wawani im Westen. Niedrigere Züge sind diesen Bergen, in denen wir ehemalige Vulkane zu erblicken haben, vorgelagert. Eine dichte üppige Waldvegetation überzieht die Höhen, im tiefsten Blau schimmert das Meer, und wenn man von einer Höhe oberhalb der Stadt auf die freundliche Ansiedlung, die leuchtende Meeresfläche der beiden Baien, das bergige, reich bewaldete Gegenüber hinschaut und in blauer Ferne noch die duftigen Höhen des hochgipfligen Ceram entdeckt, so gibt das wirklich ein so strahlendes, farbengesättigtes Tropenbild, daß man das Entzücken älterer und neuerer Reisender bei diesem Anblick wohl verstehen kann. Auch zu ihm gehört aber Licht und Sonne, oder ein sternenklarer Himmel oder leuchtender Mond, und wer Ambon bei schlechter Beleuchtung und trübem Himmel von einem ungünstigen Standorte aus sieht, wird wahrscheinlich enttäuscht sein und den Enthusiasmus der Anderen für übertrieben halten.

Die Stadt ist schon oft beschrieben worden, und da sie für mich wenig Interessantes bietet und nichts Eigenartiges besitzt, will ich mich nicht bei ihr aufhalten. Ich habe dort auch nur kurze Zeit gewohnt. Ambon besitzt ein wenig behagliches Hotel, das entfernt vom Meere, mitten in einem belebten Stadtteil gelegen ist. Ich sah gleich, daß ein Aufenthalt hier für meine Ziele ungeeignet sein würde, und begab mich auf die Suche nach einer passenderen Wohnung. Durch Herrn Dr. Treub hatte ich eine Empfehlung an einen in Ambon ansässigen holländischen Kaufmann erhalten, Herrn A. T. Bouman, der sich mir während meines ganzen Aufenthalts als ein treuer und hilfsbereiter Berater erwiesen hat.

Durch ihn gelang es mir bald, ein hübsches geräumiges Haus dicht am Meere zu finden, das in dem südwestlichen Vorort von Ambon, Tanalapan, einsam und still gelegen war. In dieser Gegend wohnten ausschließlich Eingeborene, und ich war hier vor allen neugierigen Besuchen und sonstigen Störungen sicher. Das Haus lag mitten in einem schönen Fruchtgarten und schaute nur mit einer schmalen Front, die eine kleine Veranda besaß, auf den kleinen Pfad, der von den Eingeborenen bei ihren Wegen nach der Stadt und zurück begangen wird. Das Vorderhaus bestand aus drei Zimmern, darauf folgte eine gedeckte, aber seitlich nur durch niedrige Verschlage abgegrenzte Halle, die ich als Laboratorium benutzte. An sie stieß das Hinterhaus, welches die Küche und Gelaß für die Dienerschaft enthielt. Das Ganze war einstöckig. Das Sparrwerk des Gebäudes war aus den starken Mittelrippen der ungeheuren Blätter der Sagopalme errichtet. Die Wandfüllung bestand aus den nebeneinander gereihten gleichgroßen Stäben, den Mittelrippen der Blattfiedern derselben Palme. Dieses ebenso feste wie leichte und dabei doch dauerhafte Baumaterial wird auf Ambon fast ausschließlich an Stelle der Holzbretter zum Bau von Wänden und zur Anfertigung leichter Kisten und Behälter verwendet; es wird Gabba-gabba genannt. Das Dach, »Atap«, bestand aus den gefalteten und mit ihren Stielen zusammengehefteten Blattfiedern, der Fußboden aus einem Parket der starken Mittelrippen der Sagopalme. Kurz das ganze Haus war durch und durch aus Teilen dieser Palme erbaut. Dabei war es luftig und geräumig und auch ganz hübsch eingerichtet, denn es gehörte einer jungen begüterten Ambonesin, der Witwe eines Holländers, die außerdem noch ein zweites besaß und mir dieses gegen den nicht hohen Preis von 25 Gulden monatlich zum Gebrauch überließ.

Das kleine Badehaus neben dem Hauptgebäude befand sich in ziemlich jämmerlichem Zustande, und als ich deshalb gegen meine Wirtin eine Bemerkung machte, ließ sie am folgenden Tage einen Arbeiter kommen, der aus Sagosparren, Gabba-gabba und Atap in wenigen Stunden ein allerliebstes, zierlich aussehendes Badehäuschen aufbaute, das allen meinen Bedürfnissen genügte. Die Leute haben eben in der Sagopalme, in zweiter Linie auch im Bambus ein wunderbares Baumaterial und wissen dasselbe in höchst sinnreicher Weise zu benutzen. Als Bandmaterial verwendet man ausschließlich die Stämme der zähen, elastischen und biegsamen Rotangpalme, die man nach Bedürfnis spalten kann, und die auch uns in gespaltenem Zustande unter dem Namen »spanisches Rohr« in dem Rohrgeflecht unsrer Stühle bekannt sind.

Als Koch mietete ich mir einen Ambonesen namens Pijman, der früher mit dem italienischen Naturforscher Beccari weite Reisen im Archipel und bis nach Neu-Guinea unternommen hatte. Er war der Vater der Besitzerin des Hauses und hatte zu seinem Adjutanten und Helfer seinen Großneffen Eduard, einen jungen Ambonesen von etwa 17 Jahren mit etwas affenartigem Gesichtstypus. Auch diesen Neffen nahm ich später in meine Dienste.

Zu meiner eigenen Haushaltung bedurfte ich, da Kochgeräte und Tafelgeschirr im Hause waren, nur noch allerlei Vorräte von Konserven, Reis, Sodawasser, Wein, Petroleum u. s. w., und Herr Bouman führte mich zu einem Chinesen namens Tja Ke Beng, der in der Stadt einen Laden oder »Toko« besaß und mich mit allem Nötigen versehen konnte.

Die Chinesen spielen in diesem Teile des Archipels eine eigenartige Rolle. Sie haben den ganzen Kleinhandel in Händen, besitzen in allen Ansiedlungen Niederlagen, in denen man Gebrauchsgegenstände jeder Art, Konserven, Getränke, die gebräuchlichsten und ungebräuchlichsten Gegenstände findet. Es ist daher überflüssig, hierher eine große Ausrüstung von zu Hause mitzunehmen; denn was man braucht, bekommt man gewöhnlich ganz gut und verhältnismäßig billig bei den chinesischen Händlern. Die letzteren beschränken sich aber nicht darauf, in den Ansiedlungen ihren Geschäften nachzugehen; sie sitzen auch als Pioniere des Handels einzeln verstreut unter den halbwilden Stämmen, denen sie erst allmählich Bedürfnisse anzugewöhnen haben. Wo sie sich niederlassen, gewinnen sie nach und nach Einfluß und Reichtum, sie verstehen es, die Leute in Abhängigkeit von sich zu bringen, nehmen sich die hübschesten Mädchen der Eingeborenen zu Frauen oder Genossinnen, erwerben Fruchtgärten und Pflanzungen und werden oft die wahren Herren des Landes. An Genügsamkeit, Zähigkeit und Geduld übertreffen sie die Europäer und sogar die im Archipel ebenfalls häufigen arabischen Händler bei weitem. Ihr Geschäft nimmt von Jahr zu Jahr an Ausdehnung zu, sie richten ein Kontor ein, in welchem sie andere Chinesen und Europäer beschäftigen, aus dem Kleinhändler wird ein Großhändler, der direkt mit London und Hamburg korrespondiert und seine Waren von dort bezieht. So ist es denn erklärlich, daß auf Java und anderswo im Archipel ausgedehnte Plantagen und wichtige Großbetriebe in chinesische Hände gelangt sind.

Mein Freund Ke Beng in Ambon war ebenfalls ein wohlhabender Mann, der außer seinem blühenden Geschäft sich noch einen schönen Grundbesitz und einträgliche Pflanzungen von Frucht- und Gewürzbäumen in Ruma tiga auf Hitu erworben hatte. Er sprach fließend holländisch, war stets höflich und gefällig und setzte eine Ehre darein, mir behilflich zu sein, auch wenn es dabei nichts oder nichts nennenswertes zu verdienen gab.

Während ich so mein Haus und mein Laboratorium einrichtete, traf ich gleichzeitig Vorbereitungen, mit meiner wissenschaftlichen Tätigkeit zu beginnen. Ich wollte mich hier vor allem der marinen Zoologie widmen und wußte, daß es auf Ambon einen Fischer gab, der schon früher in dem Dienste europäischer Zoologen, des verstorbenen Dr. Brock, des Schweizer Zoologen Dr. Bedot, des deutschen Zoologen Dr. Strubell gestanden hatte und mit dem Aufenthalt der Tiere wie mit den naturwissenschaftlichen Fangmethoden vertraut war. Es war ein Ambonese namens Udin, der in Batu Mera, einem kleinen Dorf dicht bei Ambon, nördlich von der Stadt, wohnte. Batu Mera (Rotenstein) wird fast ausschließlich von Mohammedanern (malayisch orang islam oder 'slam) bewohnt, während die Bevölkerung der Stadt Ambon größtenteils aus Christen (orang serani) besteht. In allen Dörfern auf Leëtimor überwiegt die christliche Bevölkerung bei weitem, ebenso an der Ostküste von Hitu, während an der Nordküste dieser Insel das mohammedanische Element vorherrscht. Unvorteilhaft zeichnen sich die ambonesischen Christen vor den Mohammedanern durch ihre häßliche schwarze Kirchen- und Festkleidung aus. Bei den Frauen besteht dieselbe aus einem langen kaftanartigen Gewand aus schwarzglänzendem Kattun oder bei Wohlhabenden aus schwarzer Seide.

Natürlich ist die Bevölkerung der Insel Ambon, die seit vielen Hunderten von Jahren ein Verkehrscentrum für Malayen und Europäer gebildet hat, keine rassenreine. Die Urbevölkerung hat wohl ursprünglich mit der alfurischen Bevölkerung der nahe gelegenen Insel Ceram übereingestimmt. Durch fortgesetzte und ausgiebige Mischung mit Ternatanern, Malayen von Celebes und anderen Teilen des Archipels, Portugiesen, gelegentlich auch Holländern und Chinesen ist eine eigentümliche Rasse entstanden, die, wie alle derartigen Mischrassen, keine gut fixierten Merkmale besitzt. Besonders auffallend ist das Variieren der Hautfarbe, welches von dem gewöhnlichen malayischen Hellbraun bis fast zum papuanischen Dunkelbraun schwankt. Mein ambonesischer Diener Eduard war beinah schwarzbraun und sein Haar, wie das mancher anderer Ambonesen, die ich gesehen habe, war nicht schlicht und straff, sondern wellig, fast kraus. Die Körpergröße der ambonesischen Bevölkerung ist durchgehend eine geringe.

In der Stadt Ambon wird ein Niedermalayisch gesprochen, welches stark mit portugiesischen Elementen durchsetzt ist; so heißt zum Beispiel Stuhl cadera (statt crossi), Taschentuch lenço, Taube pombo, Stirn testa, u. s. w. Auf den Dörfern wird eine eigentümliche Landsprache, bohassa, gesprochen, welche in viele Dialekte zerfällt. Aber fast jeder Mensch auf Ambon versteht malayisch.

In Niederländisch-Indien ist man im allgemeinen recht schlecht auf die ambonesischen Christen zu sprechen, man erklärt sie für faul, anmaßend, im Weingenuß unmäßig und gesteht ihnen nur das eine Gute zu, daß sie tapfere und ausdauernde Soldaten abgeben. Ich habe nur zwei Monate auf Ambon gelebt und möchte meine Erfahrungen nicht gegen die langjähriger Beobachter setzen. Ich kann aber nur sagen, daß mein Eindruck von den Leuten kein so durchaus ungünstiger gewesen ist. Nicht nur den christlichen »Bürgern« von Ambon, auch den dortigen Mohammedanern fehlt allerdings die Bescheidenheit und Zurückhaltung, das ceremonielle und unterwürfige Wesen,  das den echten Malayen eigen ist, und hier dokumentiert sich sehr deutlich die Beimengung alfurischen und europäischen Blutes. Die holländischen Herren mögen sich dadurch zuweilen unangenehm berührt fühlen, aber ich, der ich die Einwohner nicht als Untertanen, sondern als Menschen betrachte, bin nicht verpflichtet, ebenso hart über diesen Mangel zu urteilen. Einer wirklichen Unverschämtheit bin ich bei keinem Ambonesen begegnet. Daß die dortigen Christen dem Palmwein oder Saguweer, den sie Sageeru nennen, zuweilen tüchtig zusprechen, ist wahr, und hin und wieder habe ich in meiner Vorstadt Tanalapan trunkene Szenen beobachtet, wie sie bei der enthaltsamen mohammedanischen Bevölkerung Javas unerhört sind. Aber auch hier bin ich, der ich viel im zivilisierten Europa gereist bin, abgeneigt den Stab zu brechen. Mein Fischer Udin war Islam, und da er nur mit seinen Glaubensgenossen arbeiten wollte, bestand die Bemannung meiner beiden Boote ausschließlich aus Mohammedanern von Batu-Mera. Diese Leute tranken eingestandenermaßen keine geistigen Getränke. Dies verhinderte sie aber nicht, meinen Weinvorrat ganz gehörig zu brandschatzen, als sie meine Prau, mit der ich die Fahrt nach Ceram versucht hatte, um Leïtimor herum nach Ambon zurückbrachten, während ich auf dem Landweg zurückkehrte. Überhaupt haben mir jene mohammedanischen Fischer, mit denen ich Tag für Tag zu arbeiten hatte, keinen wesentlich bessern Eindruck gemacht, als die christlichen Ambonesen, wie zum Beispiel der Koch, sein Neffe und verschiedene andre, mit denen ich viel zu tun hatte. Kurz und gut, mir hat das fröhliche Völkchen auf Ambon, das gern singt und tanzt, dichtet und sich seines Lebens freut, ganz gut gefallen, und ich habe mit ihnen lieber gearbeitet und mich von ihnen bedienen lassen, als von meinem demutsvollen, korrekten Diener Ikin, der kein lautes Wort sprach, niemals lachte, mir nur gesenkten Hauptes nahte und mich dennoch nach allen Regeln der Kunst bestahl. Ich merkte das in den ersten Wochen meiner Anwesenheit auf Ambon. Von meinen Gebrauchsgegenständen kam allerdings nichts fort, aber ich war erstaunt, wie rasch die Konserven, der Wein und das Sodawasser zu Ende gingen, die ich von Ke Beng bezog. Und dabei aß ich selbst sehr selten Konserven, sondern zog die ausgezeichnete Reistafel vor, die mir mein Koch Pijman aus den zahllosen Fischarten, den vortrefflichen Krebsen und Krabben, den wunderbaren frutti di mare, an denen die Bai von Ambon so reich ist, bereitete. Oft aß ich an demselben Tage mittags und abends Reistafel, zuweilen nur wurde ein Huhn geschlachtet. Das zähe, unschmackhafte Rindfleisch, welches man auf Ambon erhält, verbat ich mir ganz. Dennoch verschwanden meine Konserven reißend, und ich beschloß deshalb; dieselben unter Verschluß zu nehmen, und bat die Wirtin des Hauses, mir einen passenden Schrank einzuräumen. Sie war dazu gern bereit, sagte mir aber, als ich mit allem fertig war: »Ikin stiehlt auch Reis, Butter, alles was er bekommen kann.« Als ich ihr weiter zuredete, teilte sie mir mit, daß sie und ihr Vater schon lange beobachtet hätten, daß der Javaner das Stehlen im großen Maßstabe betreibe. Er verkaufe die Sachen nicht, sondern schenke sie ein paar malayischen Schönen, mit denen er in nähere Beziehungen getreten war. Überhaupt liebte er es, den großen Herrn zu spielen, und hatte zum Beispiel den Fischer Udin zuweilen zu einer Flasche meines Weins eingeladen, den die beiden Mohammedaner denn auch ohne religiöse Skrupel und im besten Einvernehmen vertilgt hatten. Das war mir denn doch zu arg. Der Bursche suchte sich auch gar nicht zu verteidigen, sondern gab gleichmütig alles zu, was ihm vorgeworfen wurde. Ich besann mich nicht lange, sondern schickte ihn mit dem nächsten Dampfer, der Ambon verließ, nach Java zurück, was mich schweres Geld kostete. An seiner Stelle wurde Eduard als mein Diener installiert.

In den ersten Wochen meines Aufenthalts widmete ich mich ganz dem Studium der Meerestiere, deren Artenreichtum und Formenschönheit in der Bai von Ambon ganz unvergleichlich ist. Ambon ist berühmt durch seine schönen vielgestaltigen Conchilien, und war es ehedem noch mehr, als die Zoologie wesentlich im Sammeln von Tierbälgen und Schneckenschalen bestand und ein zoologisches Museum gleichbedeutend war mit einer »Raritätenkammer«. Ein hervorragender Zoologe jenes alten Stils, Georg Everhard Rumph, lebte lange Zeit auf Ambon und veröffentlichte im Jahre 1705 ein Buch, das sich durch vortreffliche Beobachtung, naive aber interessante Darstellung und vorzügliche Abbildungen auszeichnet: »D'Amboinsche Rariteitkamer, of eene Bescryvinge van allerhand Schaalvischen; be-nevens de voornaamste Horntjes en Schulpen.« Rumph ist auf Ambon bestattet, und ein einfaches Grabdenkmal erinnert an die Verdienste des ausgezeichneten Mannes.

Mich interessierten allerdings weit weniger die genau bekannten Schnecken und Muscheln der Insel, als die übrigen Meeresbewohner, und täglich unternahm ich in einem kleinen Einbaumboot, das zwei Ausleger besaß und vor dem Wind segeln konnte, mit Udin und zwei andern Fischern Ausfahrten nach allen Punkten der Außen- und Innenbai. Bei Windstille ist das Wasser in den Buchten der Außenbai und überall in der Innenbai spiegelglatt, und man vermag vom Boote aus bis in große Tiefe hinabzusehen. Auf dem von Korallen überzogenen Grunde enthüllt sich dann dem Auge die wundersame Welt der sonderbar gestalteten und prachtvoll gefärbten Seetiere, die, zum Teil festgewachsen, wahre Beete von bunten Blumen oder zierlich verzweigten Büschen darstellen, so daß man in einen unterseeischen Garten zu schauen glaubt. Die Holländer nennen diese Bildungen auf Ambon denn auch treffend »Tuine«, Gärten. Eine schwache Vorstellung von ihnen erhält man, wenn man unsere Seewasseraquarien betrachtet, in denen eine bunte und vielgestaltige Seetierwelt auf einen engen Raum zusammengedrängt und unter Verhältnisse gebracht ist, die der Betrachtung besonders günstig sind. Die geschützte Lage der Bai von Ambon bewirkt, daß an manchen Tagen die Betrachtung des Meeresbodens ebenso ungehindert ist, als unter den künstlichen Verhältnissen des Aquariums, eine Bedingung, die wir in der Natur sonst nur recht selten antreffen. Denn wo die Tierwelt üppig ist, ist das Wasser meist bewegt, und wo das Wasser vorwiegend ruhig ist, entfaltet sich selten ein so üppiges Tierleben wie in der Bai von Ambon.

Der Anblick der natürlichen Tuine übertrifft aber den jedes künstlichen Aquariums unendlich, denn alles, was man sieht, ist in viel größerem Stile angelegt, wir haben den Eindruck, wirkliche Natur zu beobachten, und sehen tropischen Urwald statt eines wohlgepflegten Ziergärtleins. Die ästigen Korallen bilden wahre Wälder, die knolligen Formen Hügel und Berge, dazwischen und darauf wuchern dichte Massen von purpurnen Weichkorallen, Alcyonarien. welche in unsern Meeren sehr zurücktreten, während hier und da eine andre Weichkoralle, die auch im Mittelmeer heimische Seefeder, ihre reizend gefiederte Fahne schlank emporreckt. Jedes Fiederchen ist mit Hunderten von zarten Einzelpolypen besetzt, deren Aufgabe es ist, die Nahrung für das ganze Stockgebilde aufzunehmen und die Art fortzupflanzen.

Zahlreich sind die einzelnen »Seeanemonen« oder »Seerosen« vertreten, Einzelindividuen mit einem zarten, oft prachtvoll gefärbten Tentakelkranz, der wie aus buntem, durchsichtigem Glas gefertigt erscheint. Diese entzückenden Geschöpfe, die wie Blüten eines Paradiesgartens aussehen, sind höchst gefährliche Räuber. Wehe dem Fischlein oder Krebs, der mit jenen Tentakelkränzen in Berührung kommt. Tausende von giftigen Nesselfäden werden herausgeschleudert, heften sich an den Körper des Opfers, andere Tentakel kommen zu Hilfe und ziehen das wehrlos gemachte Geschöpf in die Mitte des Blutenkelches. Dort öffnet sich ein gefräßiger Mund und die Beute verschwindet im Magen, der in der Achse des scheinbaren Blütenstiels liegt. Der Vergleich aller jener »Seegewächse« mit Pflanzen, der Name »unterseeische Gärten« ist eben nur vom ästhetischen, nicht vom naturwissenschaftlichen Standpunkt gerechtfertigt.

Sehr zahlreich ist in den ambonesischen submarinen Tuinen eine andre Gruppe festsitzender niedrer Seetiere vertreten, die dadurch allgemeineres Interesse besitzen, daß sie besonders im Bau ihrer Jugendstadien deutliche Übereinstimmungen mit den Wirbeltieren erkennen lassen, die auf entfernte verwandtschaftliche Beziehungen hinweisen. Es sind die Seescheiden oder Ascidien. Sie gehören zur Klasse der Manteltiere oder Tunicaten, die von manchen Zoologen zu den Würmern gestellt, von ändern als ein besonderer Tierstamm betrachtet, von wieder ändern als Urochordaten zu den niedersten Wirbeltieren oder Cephalochordaten (dem berühmten Amphioxus) in nähere Beziehung gesetzt werden. Von Ascidien sammelte ich in den ambonesischen Korallengärten sehr zahlreiche Arten, von denen nicht weniger als dreizehn neu sind.

Ich will der Lockung widerstehen, das Tierleben in jenen Tuinen weiter auszumalen, denn es gibt unzählige Schilderungen des marinen Tierlebens der Nordsee und des Mittelmeeres und farbenreiche Gemälde der Schönheiten tropischer Korallenbänke in Wort and Bild. Nur etwas möchte ich erwähnen, was den Korallengärten einen ganz besondern Reiz verleiht. Es sind die wunderbar gefärbten Vögel, die die Gewächse des Gartens umschweben und zwischen den Zweigen des Korallenwaldes auf- und abgleiten. Natürlich keine wirklichen Vögel. Aber kleine Fische von solchem Farbenglanz und einer solchen Schönheit der Zeichnung, daß sie sich dreist mit Papageien und Kolibris messen können.

Diese »Korallenfische« gehören zwei Familien an, den Squamipennes oder Schuppenfiossern und den Pomacentriden oder Rifffischen. Der Leib ist bei beiden Familien seitlich stark zusammengedrückt, sein Höhendurchmesser (von Rücken zu Bauch) dafür aber sehr bedeutend, die Schnauze ist oft rüsselförmig verlängert, die Rücken- und Afterflosse zuweilen zu ungeheuer langen, phantastischen Fortsätzen ausgezogen. Fast alle Korallenfische prangen in den herrlichsten Farben, in Silber oder Gold, Purpur, Ultramarin oder leuchtender Orange, einige sind einfarbig, andre mit Bändern, Quer- oder Längsstreifen, Augenflecken, mit Mustern versehen, wie noch keine menschliche Phantasie sie ausgedacht hat. Von hervorragender Schönheit sind die Gattungen Chaetodon, Heniochus und Holacanthus der Squamipennes, und Pomacentrus, Dascyllus und Glyphiodon der Pomacentriden. Zu Tausenden sieht man diese meist kleinen Fische im Gezweig der ästigen Korallen herumschwärmen. Sie nähren sich von Zoophyten und andern kleinen wirbellosen Tieren, und das Auftreten der meisten Arten ist streng an das Vorkommen von Korallenwäldern gebunden, in denen sie Schutz und Nahrung finden.

Obwohl die beiden Familien ganz verschiedenen Fischordnungen angehören, die Squamipennes den Stachelflossern, die Pomacentriden den Schlundkiefern oder Pharyngognathen, ähneln sie einander im äußeren Habitus oft außerordentlich, was nicht so wunderbar ist, wenn man bedenkt, daß ähnliche Existenzbedingungen nicht selten im Tierreich konvergente Formbildungen erzeugen; ich erinnere nur an die Ähnlichkeit solcher wühlender Geschöpfe wie der Coecilien, Grundschlangen und Blindschleichen oder diejenige der Beutelraubtiere und der placentalen Raubtiere. Die zusammengedrückte Körperform aller Korallenfische ist wohl sicherlich als eine Anpassung an das Schwimmen zwischen den Korallenästen aufzufassen. Die rüsselartige Verlängerung der Schnauze bei manchen Squamipennes dient dazu, die Beute aus schwer zugänglichen Löchern und Höhlen im Korallenfels herauszuziehen. Aber warum ist die Mehrzahl von ihnen so wunderbar bunt geschmückt und so schön gezeichnet, warum die Vertreter der Squamipennes und der Pomacentriden oft in überraschend ähnlicher Weise? Was bedeuten jene phantastisch verlängerten Flossenanhänge bei Heniochus und andern? Darwin hat uns die Entstehung der schützenden Färbung im Tierreich verstehen gelehrt. Auch manche bunten und auffallenden Farben bei giftigen oder schlechtschmeckenden Tieren können wir als Schreckfarben, die den Angreifer schon von ferne warnen, durch natürliche Zucht entstanden vorstellen. Die lebhaften Farben der Phanerogamenblüten sind ebenfalls durch natürliche Zuchtwahl herangezüchtet. Sie dienen dazu, die honigsuchenden Insekten herbeizulocken, deren Besuch für die Befruchtung der Blüten notwendig ist. Der herrliche Schmuck vieler Vögel ist sicherlich ein Produkt der geschlechtlichen Zuchtwahl, wie ich aus den schon früher (Seite 211) aufgezählten Gründen mit Darwin gegen Wallace annehme. Ob letztere Erklärung auch auf die Schmetterlinge und andre bunte Insekten auszudehnen ist, lasse ich dahingestellt.

Aber bei den Korallenfischen handelt es sich nicht um Schreckfarben, denn diese Fische sind nicht giftig oder in merklicher Weise schlecht schmeckend, und ein solcher Reichtum an Zeichnung und eigentümlicher Farbenverteilung geht weit über das erforderliche Maß der Schreckfarben hinaus. Auch sind diese Fische schon dadurch hinreichend geschützt, daß sie sich vor größeren Raubfischen in das stachlige Dickicht der Korallenäste zurückziehen können. An geschlechtliche Zuchtwahl ist ebenfalls nicht wohl zu denken bei Geschöpfen, bei denen keine innere Kopulation stattfindet, sondern die Eier vom Männchen im Moment der Ablage befruchtet werden.

Wie ist überhaupt die auffallende Buntheit so vieler anderer, besonders festsitzender Meerestiere zu erklären, bei denen geschlechtliche Zuchtwahl ganz ausgeschlossen ist? Was bedeuten die lebhaften Farben vieler Actinien und Alcyonarien, welchen Nutzen hat ein Seestern davon, intensiv blau, ein anderer, scharlachrot zu sein ? Auf diese Fragen müssen wir bis jetzt die Antwort schuldig bleiben und können nicht einmal eine Vermutung äußern, die einige Wahrscheinlichkeit für sich hätte. Mangelt es uns doch noch durchaus an einer intimeren Kenntnis der Biologie der niederen Seetiere, der niederen Tiere überhaupt, und wird ein tieferes Eindringen in dieses, bisher meist nur dilettantisch behandelte Gebiet noch eine reiche Ernte an neuen Erkenntnissen und Gesichtspunkten liefern1).

Wenn unser Boot langsam über die unterirdischen Gärten hinglitt, hielt ich mein Auge stets scharf auf die Tiefe gerichtet, und wo ich eine Seerose, eine Rindenkoralle oder einen Hydroidpolypen, eine Ascidie oder einen Stachelhäuter erblickte, der mir neu war, wurde Halt gemacht, und Udin oder einer der anderen Fischer tauchte hinunter und holte die Beute herauf. War es ein sehr stacheliges oder giftiges Geschöpf, so berührte er es nicht mit den Händen sondern schöpfte es in die halbierte Schale einer Kokosnuß und trug es so empor.

Wenn die Fischer auf See waren, entkleideten sie immer den ganzen Oberkörper und behielten nur die sackartige weite Hose an, die bis über die Kniee herabreicht und auf Ambon an Stelle des Sarongs getragen wird. Tauchten sie, so entkleideten sie sich ganz, und ich konnte dann deutlich an den ins Wasser hinabsinkenden oder aufsteigenden Gestalten erkennen, daß der Oberkörper, der täglich stundenlang direkt den glühenden Sonnenstrahlen exponiert wurde, viel dunkler war, als der Unterkörper. Wie man sieht, wirkt also der Sonnenbrand ebenso stark auf die Haut des braunen als des weißen Menschen; die Wirkung läßt sich nur unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht so leicht beobachten.

Besonders reiche Ausbeute lieferte mir das Sammeln auf den Korallenriffen zur Ebbezeit. Viele Tiere konnte ich dann direkt im seichten Wasser von 2—3 Fuß Tiefe von den Korallen ablesen. Ich trug bei dieser Arbeit starke Bergschuhe und eine leichte Saronghose. Meine Leute aber wandelten mit bloßen Füßen auf den spitzen Korallen herum. Als die ergiebigste Methode erwies es sich, mächtige Korallenblöcke, die bei Niederwasser in drei bis sechs Fuß Tiefe lagen, abzulösen, ans Ufer zu schleppen und dort mit Hämmern zu zerklopfen. Die Höhlungen und Buchten des Korallenfelsens bieten Tausenden von anderen Tierarten Schutz und Aufenthalt. Da wimmelt es von Krebsen und Krabben aller Art, kleine Seeigel sitzen in den Vertiefungen und stemmen sich mit ihren Stacheln so fest gegen die Vorsprünge des Steins, daß es nur möglich ist, sie hervorzuziehen, wenn man den letzteren zertrümmert. Schlangensterne strecken ihre enorm verlängerten Arme durch das weite Löchersystem des Korallenbaues; ergreift man einen dieser Arme, um das Tier hervorzuziehen, so stemmt auch dieses sich mit seinen Stacheln fest, der Arm reißt ab und bleibt dem Feinde als Beute, während das Tier sich noch weiter verkriecht und durch sein kräftiges Regenerationsvermögen bald den Schaden ersetzt. Mit ihnen bewohnen Ringel- und Schnurwürmer den porösen Kalkfelsen, kleine Actinien füllen Öffnungen aus, in die sie sich ganz zurückziehen können, wenn sie das Wasser aus ihrem schwellbaren Körper auspressen. Ihrem Bau, ihren Größenverhältnissen, ihrer ganzen Lebensweise nach zeigen sich diese Formen auf das innigste den Bedingungen angepaßt, die das Leben im Korallenfels ihnen bietet.

Die von mir auf meiner Reise gesammelten Tiere sind mittlerweile bestimmt und im fünften Bande der »Zoologischen Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel« beschrieben und zum Teil abgebildet worden. Allein auf Ambon kommen über 100 neue Arten, die zum Teil neuen Gattungen angehören.

Ein Wald von ästigen Korallen ist eine hinfällige Bildung. Ein starker Sturm zertrümmert Tausende der zarten Äste. Horn-, Koffer-und Kugelfische brechen auf der Jagd nach Mollusken und Krebsen mit gewaltigen Kiefern die Zweige ab, die ihnen im Wege sind, die Trümmer, die Schalen abgestorbener Tiere, der von der Brandung aufgerührte Sand fängt sich im Astwerk. So wird aus dem unendlich zierlichen Steingebüsch ein festerer, von Löchern und Höhlungen durchzogener Fels. Zunächst ist aber noch überall die eigentümliche Korallenstruktur deutlich erhalten. Das poröse Gestein wird nun zur Wohnung aller jener Riffbewohner, die sich seiner Konfiguration angepaßt haben. Aber wie das Leben im Korallenfels die Organisation der Bewohner desselben in vielen Punkten beeinflußt, ebenso wirken die letzteren wiederum durch ihre Gegenwart auf ihre steinerne Umgebung. Indem die hartschaligen Krebschen, stacheligen Seeigel und Schlangensterne fort und fort in den engen Höhlungen und Buchten auf- und abkriechen, schleifen sie allmählich das zarte Oberflächenrelief mehr und mehr ab. Vielfach habe ich gesehen, daß die eigentliche Korallenstruktur, die Struktur der strahligen Kelche schon bei den Blöcken, die den Baugrund der noch lebenden und weiterwachsenden Korallen bilden, gänzlich verwischt ist. Allmählich füllen sich die Höhlungen mit den Schalen abgestorbener Riff bewohner. Viele Würmer und Holothurien gewinnen ihre Nahrung dadurch, daß sie ungeheure Mengen von Sand verschlingen und die den einzelnen Partikeln aufsitzenden kleinen und kleinsten Geschöpfe verdauen, während der Sand selbst unverändert ausgeschieden wird. Durch diese Tiere werden große Mengen von Sand und kleinem Trümmermaterial in die Höhlungen des Korallenfelsens verschleppt, und zuweilen sind Teile eines Riffs, ehe sie noch durch Hebung des Bodens oder Sinken des Wasserspiegels aus dem Wasser gehoben und der atmosphärischen Verwitterung ausgesetzt werden, so verändert, daß nur die löchrige Struktur, nicht aber der feinere Bau die ursprüngliche Korallennatur aufweist. Daneben mag auch noch die auflösende Wirkung eines an Kohlensäure reichen Seewassers eine bedeutende Rolle spielen. Auch die Brandung, die fort und fort an der äußeren Böschung der Riffe nagt und schleift, hat an dem Undeutlichwerden der Korallenstruktur einen erheblichen Anteil, aber sie betrifft mehr die äußerste Zone. Die von mir hervorgehobenen Agentien arbeiten vorwiegend an dem geschützten, dem Lande zugekehrten Innengürtel des Riffs und betreffen weniger die Schicht lebender Korallen als die poröse Korallengrundlage, auf der die letzteren fußen.

Korallenriffe in einem ganz oder nahezu stationären Gebiet werden viel mehr diesen Einflüssen ausgesetzt sein als solche in einem Senkungsgebiet. Die letzteren werden der, ich möchte sagen, Abnutzung viel rascher entzogen worden, weil sie bald durch das unaufhaltsam fortschreitende Wachstum der Korallen von neuen Schichten bedeckt, unter denselben begraben werden.

Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß, während in manchen Gegenden Ablagerungen mit sehr gut erhaltenen Riffkorallen existieren, anderswo die Korallenstruktur verwischt, ja geradezu verschwunden ist, und nur indirekt die Natur einer Ablagerung als das Produkt riffbildender Korallen erkannt werden kann. Ein klassisches Beispiel hierfür sind die Kalk- und Dolomitriffe von Südtirol, deren Natur lange Zeit den Geologen ein Rätsel war, bis man sie neuerdings als Korallenbauten erkannt hat.

Das Sammeln auf den Riffen während der Ebbezeit, das Herausheben der Blöcke und das Zertrümmern derselben am Ufer lieferte bei weitem die reichste Ausbeute. Größere Schwierigkeiten hatte ich mit dem Dredgen in größerer Tiefe. Im allgemeinen kann man sagen, daß, wenn dem Zoologen kein größeres Fahrzeug zu Gebote steht, diese Art der marinen Fischerei in den meisten Fällen nur spärlichere Ausbeute liefern wird. Hier kann der einzelne Naturforscher absolut nicht mit den Expeditionen konkurrieren, wie sie in den letzten 25 Jahren zur Erforschung der Meere von verschiedenen Nationen ausgesendet worden sind. Im kleinen Boot erzielt man mit unsäglicher Mühe in Wochen und Monaten nicht das, was ein mittelgroßer oder selbst kleiner Dampfer in wenigen Tagen erreicht. In großen Tiefen von 100 Faden und darüber zu dredgen, ist für den Fischer im kleinen Boot kaum möglich, und doch wären solche Fischereien hier besonders interessant und wichtig, weil in der Molukken- und Bandasee in größerer Tiefe herrliche Schwammformen vorkommen, die Hexactinelliden, deren Kieselskelette die reizendsten Formen vorstellen, die man sich denken kann. Übrigens kommen in der Bai von Ambon selbst so bedeutende Tiefen nicht vor; um sie zu finden, müßte man schon draußen in weiterer Entfernung von der Insel arbeiten.

Auch das Fischen mit dem feinen Gazenetz, um die zarten schwimmenden Seetiere, das sogenannte Plankton oder den pelagischen Auftrieb, zu erbeuten, lieferte in der Zeit meiner Anwesenheit auf Ambon nur mittelmäßige Resultate. Ob die topographischen Verhältnisse der Bai für die Ansammlung dieser Tierformen nicht günstig sind, oder ob es vielleicht an der Jahreszeit lag, in welcher ich mich in Ambon aufhielt, vermag ich nicht anzugeben. Jedenfalls fischt man in den Wintermonaten in Neapel viel mehr, in Messina unendlich mehr Plankton, als in den Monaten Januar und Februar in der Bai von Ambon und Baguala zu finden war.

Kleinere pelagische Tiere fängt man bekanntlich mit dem feinen Netz, größere schöpft man direkt mit einem passenden Gefäß aus dem Meere. Einmal versuchte ich eine prachtvolle Wurzelmundqualle oder Rhizostomide herauszuschöpfen, war aber sehr erstaunt zu sehen, daß das Tier immer in höchst zweckmäßiger und vorbedachter Weise von dem Gefäß wegschwamm, in welches ich es hinein zu strudeln suchte. So etwas beobachtet man sonst niemals bei so niedrig stehenden Tieren, wie die Quallen es sind. Dieselben besitzen zwar ein Nervensystem und außer anderen Sinnesorganen auch sehr einfach gebaute, lichtempfindende Organe; aber ihre ganze Organisation ist noch zu niedrig, um sich einer derartigen Verfolgung in zweckmäßiger Weise zu entziehen. Endlich gelang es mir, das Tier zu fangen und herauszuschöpfen, und nun sah ich, was sein eigentümliches Verhalten veranlaßt hatte. Innerhalb des gewölbten Schirms der Meduse schwamm ein mittelgroßes 12 cm langes Fischchen umher und suchte, als ich es nebst seiner Meduse in einen Eimer gesetzt hatte, die Gefährtin unablässig durch Stöße gegen die Innenseite des Schirmes in einer gewissen Richtung fortzutreiben. Natürlich waren alle seine Anstrengungen vergeblich, die Meduse aus dem engen Behältnis, in dem es ihm höchst ungemütlich war, herauszu-bugsieren, aber stundenlang setzte es seine Anstrengungen fort und veranlaßte den unglücklichen Gallertschirm zu krampfhaftem Herumschwimmen. Später fing ich noch zweimal dieselbe Medusenart in Begleitung desselben Fisches, Caranx auratus. Aus diesen Beobachtungen können wir schließen, daß Fisch und Meduse miteinander in einer Art Gesellschaftsverhältnis, Symbiose oder Commensalismus leben. Der Fisch zieht den Vorteil davon, daß die gewaltigen Nesselbatterien der Meduse ihn vor vielen Verfolgern schützen. Ob auch die Meduse von der Anwesenheit des Fisches, den sie mit ihren Waffen jedenfalls nicht schädigt, einen Vorteil zieht, ist fraglich. Den Verfolgungen wissensdurstiger Zoologen wird eine so mit einem Wirbeltier verbundene Meduse freilich leichter entgehen als eine mehr einsiedlerisch lebende. Sollte dies aber der einzige Feind sein, vor dessen Verfolgungen die Meduse durch die Anwesenheit des Fisches geschützt wird, so dürfte er bei der bisherigen Seltenheit der Zoologen doch zu geringfügig sein, um Selectionswert zu besitzen.

Einen anderen interessanten Fall von Zusammenleben zweier verschiedener Tierformen beobachtete ich einige Male in der Nähe des Strandes von Ambon im Flachwasser von drei bis vier Fuß Tiefe. Dort sieht man häufig einen prachtvollen großen Seeigel, Diadema setosum, der durch seine schöne Färbung und seine außerordentlich langen und spitzen, mit feinen Widerhäkchen versehenen Stacheln auffällt. Nun wissen wir, daß diese Seeigel komplizierte Sehorgane besitzen, und man kann sich leicht davon überzeugen, daß sie dieselben auch brauchen; denn wenn man versucht, die Tiere anzugreifen, richten sie ihre Stacheln in die Gegend, aus welcher sich die bedrohende Hand naht. Ich sah nun wiederholt diese Seeigel von Scharen junger Fische umschwärmt Um zu sehen, was das zu bedeuten hätte, schwang ich mich von dem Boote ins Wasser und watete an die betreffende Stelle heran. Was geschah, als ich mich näherte? Die sämtlichen Fischlein eilten auf den Seeigel zu und zogen sich in den Wald starrender Speere, den seine Stacheln darstellten, zurück. Es liegt auf der Hand, ein wie vorzüglicher Schutz durch diese Gewohnheit für die junge hilflose Fischbrut Raubfischen gegenüber geschaffen ist. Übrigens waren die Fische so klug, wenn wir die Seeigel aus dem Wasser herausschöpften, ihren Zufluchtsort zu verlassen; es gelang mir deshalb nicht, einige von ihnen zu fangen, um die Art festzustellen. Die Beobachtung ist aber am Strande von Ambon jederzeit leicht zu wiederholen.

Wenn man im Boot im flachen Wasser über den sandigen Strand dahinfährt, so fällt es auf, daß man zuweilen auf Hunderte von Metern kein einziges Tier wahrnimmt, dann kommt man an eine Stelle, an der Dutzende von Diademiden in einem verhältnismäßig kleinen Umkreis nahe bei einander liegen, wieder an anderen Stellen findet man ganze Scharen des Seesterns Astropecten beisammen, an anderen Stellen wieder andere Seeigel, wie Scutella, und andere Seesterne, wie Oreaster. Es läßt sich mit einem Wort meiner Ansicht nach nicht bezweifeln, daß eine Anzahl von Grundbewohnenden niederen Seetieren, besonders Stachelhäutern, geradezu gesellig lebt, ebenso wie ein geselliges Auftreten zahlreicher Fische und niederer pelagischer Seetiere schon längst durch zahlreiche Beobachtungen festgestellt worden ist. Bei dem geselligen Auftreten der von mir erwähnten Tiere handelt es sich nicht etwa darum, daß man an einem günstigen Standort zahlreiche Exemplare einer Art findet, sondern um ein herdenweises Auftreten inmitten einer sonst gleichartigen Umgebung. Gewisse Standorte wurden allerdings bevorzugt; aber an einem Tage befand sich die Gesellschaft einer Art hier, am nächsten Tage ein paar hundert Meter entfernt. Was der eigentliche Grund des geselligen Zusammenhaltens jener Stachelhäuter ist, läßt sich zur Zeit, wo wir über die Biologie der meisten niederen Seetiere noch so ungenügend unterrichtet sind, nicht mit Sicherheit feststellen. Wahrscheinlich hängt das herdenweise Auftreten mit der Fortpflanzung zusammen, aber nicht immer direkt, denn ich konnte konstatieren, daß jene gesellig zusammenhaltenden Seeigel und Seesterne zuweilen noch gar nicht geschlechtsreif waren. Sehr wahrscheinlich spielen in allen Fällen chemotropische Phänomene eine Rolle.

In ähnlicher Weise sind Beobachtungen anderer Art zu deuten, die ich auf Ambon machte. Wie ich schon früher erwähnt habe, war es eins meiner Hauptziele beim Besuch der Molukken, wenn irgend möglich, entwicklungsgeschichtliches Material von Nautilus zu sammeln. Dieser merkwürdige vierkiemige Cephalopode steht unter den lebenden Kopffüßern ganz isoliert da. Die Ordnung, der er angehört, hat aber in den ältesten geologischen Epochen, aus welchen wir Fossilien kennen, dem Cambrium, Silur, Devon und der Dyas, die höchste Blüte besessen, während in jüngerer geologischer Zeit allmählich alle Gattungen bis auf die Gattung Nautilus ausgestorben sind. Vier Arten dieser Gattung, von denen Nautilus pompilius die häufigste ist, haben sich bis in die Gegenwart im indischen und stillen Ozean lebend erhalten. Ihre eigentümlich gekammerten leeren Schalen findet man häufig am Strand der Molukken, Neu-Guineas und der melanesischen Inseln. Jeder meiner Leser wird dieselben wohl schon in Conchilien-Sammlungen oder in Verkaufsstellen von Muscheln und Schnecken an Hafenorten gesehen haben. Die Schale gleicht, oberflächlich betrachtet, einer eingerollten Schneckenschale, unterscheidet sich aber von dieser durch die eigentümlichen queren Scheidewände, die das Innere in eine große Anzahl von hintereinander liegenden Kammern teilen. In der äußersten größten Kammer lebt das Tier; wird es größer, so wird neue Schalensubstanz an der Außenöffnung abgeschieden und das schmale Innenstück der Wohnkammer durch eine neue Schalenvvand abgekapselt. Man kann die äußere braune Schicht der Schale leicht entfernen, und dann erhält das Ganze jenen Perlmutterglanz, den die von den Conchilienhändlern zum Verkauf gebotenen Nautilusschalen meistens zeigen. Dem alten Rumph verdanken wir die ersten zuverlässigen Beobachtungen über das Leben des Tieres und die Form seines Weichkörpers. So häufig man nämlich die leeren Schalen findet, so selten wird das lebende Tier gefangen, weil es gewöhnlich in größeren Tiefen am Meeresboden sein Dasein führt und nur ausnahmsweise nach Stürmen und dann meist in absterbendem Zustande an die Oberfläche kommt. Die leeren Schalen schwimmen an der Oberfläche, weil die Kammern hinter der Wohnkammer Luft enthalten.

Es wäre ungemein wichtig, die Entwicklungsgeschichte dieses Cephalopoden genau zu studieren, weil dadurch wohl eine Anzahl von Problemen, die den Paläontologen ebenso interessieren wie den Zoologen, gelöst werden würde. Ich war nun sehr enttäuscht, als mir gleich nach meiner Ankunft in Ambon Udin sagte, daß zur Zeit des Nordwestmonsuns nur ganz ausnahmsweise Nautilus bei Ambon und den Nachbarinseln gefangen würde. Dagegen wäre es nicht schwer, ihn zur Zeit des Südostpassats zu erhalten. Auf Ambon wird er nach Udins Angabe mit Angeln gefangen, die mit mittelgroßen Fischen beködert sind. Auf Fidji fangen ihn die Eingeborenen auf dem korallenreichen Meeresgrunde in eigentümlichen Korbfallen, in denen sich eine mit Widerhaken versehene Angel befindet. Begibt sich das Tier, angelockt durch den Köder, der in einem gekochten Krebs besteht, in das Innere des Korbes, so wird es durch ein schnelles Anziehen der im Korbe befindlichen Angel angehakt und so am Entkommen verhindert.

Mir schien es höchst wunderbar, daß Nautilus sich nur zur Zeit des Südostpassats in der Nähe der Küste von Ambon zeigen sollte, aber während meines Aufenthaltes wurde wirklich kein einziger gefangen. Ich ließ darauf bei Udin Spiritus und Gefäße zurück, und in den Monaten Mai bis September erbeutete dieser nicht weniger als sechs Exemplare und sandte mir dieselben nach Europa. Der Gedanke liegt nahe, daß Nautilus für gewöhnlich in größerer Tiefe und fern von den Küsten auf dem Meeresgrunde lebt und sich nur zum Ablegen seiner Eier in flacheres Wasser und in größere Nähe des Ufers begibt. Diese Vermutung wird dadurch bestätigt, daß die sämtlichen Exemplare, die Udin mir nachgesandt hat, geschlechtsreif waren oder dicht vor der Laichzeit standen.

Die Fischer von Ambon teilten mir ferner mit, daß das Meer an der Küste überhaupt zur Zeit des Südostpassats viel tierreicher sei als zu der des Nordwestmonsuns. Auch hier liegt der Gedanke nahe, daß nicht nur Nautilus, sondern noch viele andere Seetiere für gewöhnlich in größerer Tiefe leben und sich nur zum Laichen an die Küste begeben. Beobachtungen, die ich selber früher auf Helgoland gemacht habe, bestätigen dies noch weiter. Ich wollte dort im April die Entwicklung von Seesternen studieren und suchte eifrig nach Exemplaren des Seesterns Asterias rubens, der in flachem Wasser bei der Insel sehr häufig ist. Zu meinem und meines Fischers, Hilmar Lührs, großem Erstaunen vermochten wir aber Anfang April fast gar keine Exemplare dieses Seesterns an Stellen zu finden, an denen es sonst von ihnen wimmelte. Dagegen erhielten wir viele aus größerer Tiefe, die sich an die Ankertaue der Fischerboote angesetzt und mit ihnen in die Höhe gezogen waren. Diese Exemplare waren sämtlich unreif. Mitte April begannen nun einzelne Exemplare in der Nähe des Strandes aufzutauchen, welche reife Geschlechtsprodukte enthielten, während die aus der Tiefe heraufgeholten Tiere noch nach wie vor unreif waren. Ende April konnte man überall Mengen von geschlechtsreifen Seesternen auflesen. Auch dieser Fall ist nicht anders zu deuten, als daß unsere Stachelhäuter, sobald ihre Laichzeit herannaht, sich aus der Tiefe in das flache Wasser nahe der Küste begeben.

In Ambon fahndete ich noch auf eine andere Tiergruppe, deren nähere Untersuchung zoologisch von großem Interesse sein würde. Es sind dies eigentümliche, prachtvoll gefärbte Seeigel, mit ihrem wissenschaftlichen Namen Echinothuriden, die ihre Platten durch ein besonderes Muskelsystem gegeneinander verschieben können und deren Stacheln einen besonderen Giftapparat enthalten.

So eifrig ich nun auch nach diesem auffälligen Tiere suchte, und so sehr ich meine Augen anstrengte, wenn wir über die klare Flut dahinglitten, konnte ich doch kein einziges Exemplar finden. Da fiel mir ein, es könnte sich vielleicht mit diesem Seeigel ebenso verhalten, wie mit dem Seestern in Helgoland und mit Nautilus. Ich beschrieb deshalb Udin das Tier so genau als möglich, betonte die Weichheit und Beweglichkeit seines Körpers, seine Buntheit und ungemeine Giftigkeit. Ratjun heißt auf malayisch giftig und lombot weich. Udin machte sofort ein verständnisinniges Gesicht und sagte mir, ja, ich hätte Recht, der Ratjun lombot zeige sich ebenfalls nur während des Südostpassats bei Ambon. Ich gab ihm den Auftrag, mir mit den nachzusendenden Nautilus auch eine größere Anzahl von »ratjun lombot«-Seeigeln mitzuschicken, und richtig, in der Sendung, die mir später zukam, und die die Ausbeute seiner Fischerei während des nächsten Südostpassats enthielt, befanden sich zahlreiche Asthenosomen, welche von Prof. L. Döderlein als Asthenosoma varium bestimmt worden sind. Auch in diesem Falle kommt wohl zweifellos der Seeigel zum Laichen an die Küste, denn die mir gesandten Exemplare waren sämtlich geschlechtsreif, und wir haben hier drei sichere Fälle von periodischen Wanderungen grundbewohnender Seetiere.

So viel mir bekannt ist, sind derartige Wanderungen bei grundbewohnenden Seetieren noch nicht oder doch nur äußerst selten beobachtet worden. Für den Hummer wird angegeben, daß er sich zum Laichen in seichteres Wasser begebe. Von einer eigentlichen Wanderung kann man aber bei ihm nicht wohl reden. Dagegen wissen wir, daß schwimmende Seetiere, Coelenteraten und andere pelagische wirbellose Tiere sowohl wie Fische ausgedehnte Flächen-und Tiefenwanderungen unternehmen. Oberflächenfische wie die Makrelen sammeln sich zum Laichen in Scharen an der Küste. Die für gewöhnlich in den tieferen Wasserschichten bis zu etwa 120 Faden lebenden Dorsche steigen auf und nähern sich der Küste soweit, als es ihnen die jeweiligen Verhältnisse der Seewasserzusammensetzung gestatten. Sie sind nämlich sehr empfindlich gegen süßes Wasser und begeben sich niemals in die Zone süßeren Wassers hinein, die vielfach die Küsten umlagert...................................

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S. 514 ff.:

In Buitenzorg war ich im Hotel mit einigen reichen Amerikanerinnen zusammen, die, begeistert durch das Wallace'sche Buch, nach dem Osten gekommen waren, um den Orang-Utang und die Paradiesvögel in ihrer Heimat zu sehen und Durian zu essen. Vorläufig scheuten sie sich noch, im Garten von Buitenzorg spazieren zu gehen aus Furcht vor Schlangen und konnten es nicht über sich gewinnen, die übel duftende Durianfrucht zu berühren. Mich kostete es von Anfang an wenig Überwindung, denn als Naturforscher habe ich es von jeher für meine Pflicht gehalten, die landesüblichen Speisen zu kosten, und habe in Neapel die eßbaren Haifische, in Thursday Island Trepang, in Australien geröstete Bockkäferlarven, eine Lieblingsspeise der Eingeborenen, auf Java und Ambon Durian gegessen. Hat man sich einmal überwunden, die Frucht in den Mund zu nehmen, so gib. es in der Tat nichts köstlicheres. Eine Vorsicht ist allerdings nötigt Man muß diese Speise vor einer Mahlzeit und nicht als Dessert essen, sonst wird man den Geruch nicht los und wird seiner Umgebung und sich selbst unerträglich durch die Düfte, die sich durch Mundspülen nicht gleich beseitigen lassen. Auf Ambon gibt es auch eine Varietät der Mangifera foetida von penetrantem Geruch, die fast nur von den Eingeborenen genossen wird. Auch sie schmeckt ausgezeichnet, wenn man sich einmal überwunden hat. Mit diesen Früchten geht es wie mit unsern stark riechenden Käsen. Wer sie nicht liebt, verabscheut sie.

Von andern edlen Früchten der Malayenländer, zu deren Verständnis man sich weniger mühsam durcharbeiten muß, und die fast jedem gleich munden, sind neben der köstlichen Banane, malayisch »Pisang«, vor allem die gewöhnliche aromatische Mango, Mangifera indica, zu nennen, die einen eigentümlichen, aber angenehmen Terpentingeschmack besitzt; die herrliche »Rambutan«, Nephelium lappaceum; »Papaja«, Carica papaja; Mangustan oder Mangis, Garcinia mangostana; endlich die köstliche Brotfrucht Artocarpus incisa und die »Nangka«, Artocarpus integrifolia. Ananas und »Sirikaia« sind von Amerika eingeführt und gedeihen vortrefflich. Dagegen können sich die indischen Orangen nicht mit den italienischen messen, und die melonengroße Riesenapfelsine, Citrus decumana, von den Holländern »Pompelmus« genannt, hat wenig Aroma und Wohlgeschmack.

Auch Wein wächst auf Ambon, allerdings kein Traubenwein, sondern das Produkt der Weinpalme, Arenga saccharifera. Diese Palme gewährt einen höchst eigentümlichen Anblick, einmal weil die Farbe ihrer Blätter kein kräftiges sattes Grün ist, wie die der meisten andern Palmen, sondern ein dunkles Blaugrün. Dann aber auch, weil die älteren Blätter meist zerzaust und geknickt herabhängen oder bis auf die Blattstiele ganz abgebrochen sind, und das Baumindividuum dadurch einen ungepflegten, struppigen Eindruck macht. Der alte Rumphius vergleicht deshalb diese Palme treffend mit einem betrunkenen Manne.

Um den Weinsaft zu gewinnen, schneiden die Eingeborenen die jungen Blütenkolben ab und sammeln die tropfenweise austretende, zuckerreiche Flüssigkeit in darangehängten Bambusgefäßen. Während der Wein gährt, werden Stücke des Wurzelholzes von Garcinia picrorhiza hineingeworfen und verleihen dem Getränk, das man vor Abschluß der Gährung, sozusagen als »Federweißen« trinkt, einen angenehm bittern Beigeschmack. Gewöhnlich findet man diesen Palmwein in der Literatur als »Saguweer« bezeichnet; auf Ambon wird er aber allgemein »Sageeru« genannt. Wie oft hat mir ein Schluck dieses Sageeru köstliche Labung gebracht, wenn ich beim Herumklettern in den Bergen Frauen und Mädchen begegnete, die ihre Lese in Tongefäßen nach Ambon zum Markte trugen und mir gern ein Glas des weißschäumenden Tranks kredenzten. Aus dem nur schwach alkoholischen Sageeru gewinnt man durch Destillation das schnapsähnliche »Kolwater«.

Der süße Saft der Weinpalme hat außer dem Menschen noch einen andern Liebhaber, den riesigen Blatthornkäfer Euchirus longimanus, der sich gern nachts an der Weinquelle zu Gaste ladet und morgens dann auf frischer Tat ertappt wird. Die Eingeborenen nennen ihn Maï-maï-sageeru. Der Körper dieses Käfers erreicht eine Länge von 7 — 8 Centimetern. Beim Männchen sind die Vorderbeine aber so enorm verlängert, daß sie die Länge des ganzen Körpers beträchtlich übertreffen, und das Tier sich nur langsam und unbehilflich fortbewegen kann. Die Bedeutung dieser monströsen Proportionen ist unklar; sie scheint nicht mit der Lebensweise des Tieres zusammenzuhängen, sondern auf sexuellem Gebiete zu liegen, da die Vorderbeine des Weibchens von mäßiger Länge sind.

Aus den roßhaarähnlichen schwarzen Fasern der Weinpalme machen die Ambonesen sehr feste schwarze Taue, die der Nässe besser widerstehen und dauerhafter sind, als die braunen Taue aus Kokosfaser.

Schöner als die Weinpalme und wichtiger für die Bewohner ist die echte Sagopalme, Metroxylon rumphii, von der man ein schönes junges Exemplar auf der Abbildung Seite 497 gerade über dem Felsen in der Mitte des Bildes sieht. Der Sago ist für die östliche Hälfte des Archipels dasselbe, was der Reis für die westliche ist. Da diese Palme in den Molukken, wo immer sich eine günstige sumpfige Bodenbeschaffenheit findet, ohne Pflege wächst und nur wenige Gulden wert ist, und da ein einziger guter Baum genug Sagomehl liefert, um einen Mann ein ganzes Jahr hindurch zu ernähren, so bedarf es für den Bewohner der Molukken nur äußerst geringer Arbeit, um sich mit Weib und Kind zu erhalten. Der wirtschaftliche Wert der Sagopalme ist oft auseinandergesetzt und berechnet worden, vornehmlich von Wallace, nach ihm noch von vielen andern, so daß ich nicht näher darauf einzugehen brauche. Tatsache ist, daß, wo immer die Sagopalme in größerer Menge vorkommt, die Bewohner eine Art Schlaraffenleben führen und an Fleiß und Betriebsamkeit hinter den Bewohnern solcher Gegenden zurückstehen, die wesentlich Körnerfrüchte produzieren.

Die stärkehaltige Substanz, die man Sago nennt, ist nichts andres als das Mark des Stammes der ausgewachsenen Palme. Dieses Mark wird, nachdem der Baum gefällt ist, mit einem eigens konstruierten Sagoklopfer herausgebrochen und dann in Wasser geknetet, bis alle Stärke gelöst ist. Darauf läßt man die gelöste Stärke sich wieder absetzen, formt sie zu Rollen und trocknet sie oberflächlich. Dieser rohe Sago »Sagu-manta« wird nun entweder einfach in Wasser zu einem dicken klebrigen Schleim »Papeda« gekocht, oder man trocknet das Mehl gründlich an der Luft und bäckt daraus kleine Brote »Sagu maruka«. Sagomehl mit Fett und Zucker zusammengeknetet liefert einen Kuchenteig, dem man durch Zusatz von zerriebenen Kanari- oder Kokos-Nüssen ein besonderes Aroma verleiht. Oder man schlägt Sago und Eiweiß mit Zucker zusammen und erhält dadurch ein leichtes Gebäck, ähnlich unsrer Schaumtorte. Solche Sagokuchen und Konfekte habe ich von Ambon nach Europa mitgebracht. Sie hatten nach Monaten noch nichts von ihrer Frische und ihrem Wohlgeschmack verloren.

Schöne Pflanzungen oder, wie die Holländer sagen, Tuine befinden sich auf Hitu bei Ruma tiga. Außer der Weinpalme, Sagopalme, zahlreichen Durian-, Mango- und Kanaribäumen sieht man hier ausgedehnte Kulturen von Gewürznelken und Muskatnüssen. Diese beiden Bäume sind es ja, die ihrer Heimat den Namen der Gewürzinseln verschafft haben. Die Gewürznelke soll ursprünglich auf den nördlichen Molukken, Ternate und Tidore heimisch gewesen sein, die Muskatnuß im Süden von Ambon, auf dem Banda-Archipel. Als die Holländer die Herrschaft an sich rissen und im Jahre 1602 die Niederländisch-Ostindische Kompagnie gründeten, erklärte die letztere den Gewürzhandel für ihr Monopol, und um allen Schmuggel zu verhindern, wurde die Kultur auf gewisse kleinere Inseln, die man genau überwachen konnte, beschränkt. Ambon und die benachbarten Uliassers: Haruku, Saparua und Nusa Laut wurden zur Kultur der Gewürznelke ausersehen, die Inseln des Banda-Archipels für die ausschließliche Bebauung mit Muskatnuß reserviert. Alle Anpflanzungen, alle wildwachsenden Bäume außerhalb des vorgeschriebenen Gebietes wurden vernichtet, und die Anlegung neuer Kulturen daselbst mit grausamen Strafen belegt. Auf diese Weise bewirkte die Kompagnie, daß nur eine beschränkte Menge der Gewürze auf den Markt kam, und sie den Preis für dieselbe beliebig diktieren konnte.

In dieser Rechnung befand sich aber ein Fehler. Trotz alles Abholzens, trotz aller Einschüchterung und Bestrafung der Eingeborenen wuchsen fort und fort auf Ceram, Manipa, Kelang, Amblau und Baru neue Gewürznelken- und Muskatnußbäume wild empor. Auf den Molukken leben die schönen großen Fruchttauben, Carpophaga, die leidenschaftlich gern die Früchte der Gewürzbäume, um des Fleisches willen, welches die Kerne umgibt, verschlingen. Die Kerne werden unverdaut wieder ausgeschieden, und wenn diese Vögel leichten Fluges nach einer tüchtigen Mahlzeit von einer Insel zur andern flogen, so verbreiteten sie trotz aller Vorschriften der hohen Obrigkeit die verbotenen Früchte immer von neuem. Auch die Nashornvögel der Molukken beteiligten sich an dieser Arbeit, und der Helmkasuar von Ceram, Hippalectryo galeatus, trug seinerseits dazu bei, auf demselben Wege die Keime überall über jene große Insel zu verschleppen.

Um das Aufkommen solcher Wildlinge auf den ändern Molukken-inseln zu verhindern, verfiel man bald auf folgendes Mittel. Einmal jährlich zur Zeit der Blüte der Gewürzbäume unternahm der Gouverneur der Molukken mit einer Anzahl von Beamten und Soldaten und in Begleitung einer ganzen Flotte von Schiffen der Eingeborenen, Orembäi genannt, eine Fahrt um Ceram und die Ambon benachbarten kleineren Inseln herum. Diese Fahrten nannte man Hongie-fahrten. Überall wurde gelandet, alle neu aufkommenden Gewürzpflanzen zerstört und die Eingeborenen, die man im Verdachte des Schmuggelns hatte, auf das Grausamste bestraft.

Fast zwei Jahrhunderte lang haben die Einwohner der Molukken unter diesem Monopol und seiner rücksichtslosen Durchführung gelitten. Im Jahre 1800 wurde die Niederländisch-Ostindische Kompagnie aufgelöst, und elf Jahre später fielen ihre Besitzungen an England, das sie aber im Jahre 1814 wieder an Holland zurückgab. Während ihrer kurzen Regierung hatten die Engländer das Monopol aufgehoben; von den Holländern wurde es gleich wieder eingeführt, aber von nun an milder gehandhabt. Im Jahre 1824 wurden die Hongie-Fahrten aufgehoben, das Monopol aber erst im Jahre 1873 abgeschafft, nachdem es allmählich mehr und mehr von seiner Bedeutung eingebüßt hatte. Die Engländer hatten nämlich die Zeit ihrer Herrschaft dazu benutzt, Sämlinge der Gewürzbäume in andere Gegenden, vor allem nach den westindischen Inseln und Brasilien, zu verpflanzen, und dieselben kamen dort fast ebensogut fort als in ihrer ursprünglichen Heimat.

Seit Aufhebung des Monopols wird auf Ambon nicht nur der Gewürznelkenbaum, Eugenia caryophyllata (Caryophyllus aromaticus), eine Myrtacee, sondern auch der Muskatnußbaum, Myristica fragrans, der entfernt mit dem Lorbeer verwandt ist, mit Vorliebe angepflanzt, und die Kultur des letzteren nimmt immer mehr zu, während die der Gewürznelke zurückgeht. Man berichtet, daß man an Bord der Schiffe den Nelkenduft schon spüre, ehe noch die Inseln selbst in Sicht sind. Das mag unter Umständen vorkommen. Selbst erfahren habe ich es nicht, wohl aber nahm ich den Geruch mit großer Schärfe wahr, als unser Schiff am Quai von Ambon anlegte, auf dem zahlreiche mit Nelken gefüllte Säcke zum Verladen bereit lagen.

Der Gewürznelkenbaum, auf Ambon Tjenke genannt, erreicht eine Höhe von acht bis zehn Metern, der Wuchs des Baumes ist ebenmäßig und zierlich, die Verzweigung beginnt schon in geringer Höhe über dem Boden. Die Blätter sind glatt, fest, ziemlich schmal, ihre Farbe ist ein kräftiges glänzendes Grün. Zerdrückt man sie, so strömen sie dasselbe Nelkenaroma aus wie die jungen Blütenknospen, die, bekanntlich vor der Reife gepflückt und gesammelt, das unter dem Namen Nelke oder Nägelchen bekannte Gewürz liefern.

Der Muskatnußbaum erinnert in seinem Habitus ein wenig an den Gewürznelkenbaum, mit dem er nicht näher verwandt ist. Seine Krone ist jedoch mehr abgerundet, an Höhe übertrifft er seinen Rivalen um ein Geringes. Die Malayen nennen den Muskatbaum pohon pala, die Nuß bua pala. Die Frucht erreicht die Größe eines kleinen Apfels; innerhalb der äußern, zur Reifezeit gelben Schale steckt der eigentliche Kern, der von einem roten stark duftenden Fleisch, der sogenannten Muskatblüte, umgeben ist. Diese Muskatblüte ist es, auf welche die Fruchttauben, Nashornvögel und Kasuare so erpicht sind und derentwegen sie die ganze, aus der äußeren Hülle befreite Frucht verschlingen.

Man zieht den Muskatnußbaum in parkähnlichen Anpflanzungen, sogenannten »Perken«, und pflanzt gewöhnlich höhere Bäume mit Schirmkronen als Schattenspender dazwischen, am liebsten die riesigen Kanaribäume. Solch eine schattige Pflanzung mit ihrem gereinigten Untergrund und ihren schön belaubten zierlichen Muskatnußbäumen erinnert lebhaft an einen europäischen Park und versetzt uns von den Tropen in die ferne Heimat. Den Gewürznelkenbaum kultiviert man dagegen meist ohne Schattenspender. Die Pflanzungen werden holländisch »Kruidnageltuine«, Gewürznelkengarten, genannt.

Groß ist die Zahl der anderen Nutzpflanzen auf den Molukken, die teils einheimisch, teils aus andern Ländern importiert sind. Eine Aufzählung und nähere Beschreibung kann ich den Botanikern überlassen und will hier nur noch zwei Bäume erwähnen, deren Früchte einem Krebs Veranlassung gegeben haben, seine Lebensgewohnheiten eigentümlich zu verändern und die sonderbarsten Sitten anzunehmen. Es sind dies die Kokospalme, malayisch Kaiapa, holländisch Klapperboom genannt, und der riesige Kanari-Baum, Canarium commune, die beide auf Ambon ungemein zahlreich angepflanzt sind. In Neu-Guinea lernten wir einen Kakadu kennen, Microglossus aterrimus, dessen Schnabel zu einer Säge und Beißzange von außerordentlicher Kraft und Schärfe umgewandelt ist, um die steinharte Schale der Kanari-Früchte zu zertrümmern. Hier finden wir einen Krebs, den mit den Einsiedlerkrebsen verwandten Palmendieb, Birgus latro, der die Fähigkeit erlangt hat, die starken nnd schwer zerbrechlichen Schalen der Kokosnüsse mit seinen gewaltigen Scheren zu öffnen. Er tut dies, indem er von der Basis der Nuß zunächst die faserige Substanz abzieht, bis er an die drei Keimlöcher oder »Augen« kommt. Auf diese hämmert er mit seinen schweren Scheren los, bis er die Schale gesprengt hat; dann zieht er mit den hinteren schlankeren Scheren das weiße gallertige Fleisch aus der Nuß heraus. Darwin beobachtete zuerst diese merkwürdige Gewohnheit, die bei den Krebsen wohl einzig in ihrer Art dasteht, auf den Keelings-Inseln. Fort und fort hört man von den Eingeborenen die Angabe, daß der Krebs sich nicht begnügt, nur die abgefallenen Nüsse zu öffnen und zu verzehren, sondern daß er auch auf die Kokospalmen klettere und die noch am Baum befindlichen Früchte abkneipe. Dieser Angabe ist vielfach widersprochen worden, denn sie klingt an sich nicht sehr wahrscheinlich, und durch zuverlässige Beobachtung eines Weißen ist sie bisher noch nicht bestätigt worden. Immerhin hat man auch kein Recht, die Möglichkeit einfach in Abrede zu stellen. Meine ambonesischen Gewährsmänner behaupteten auch, daß der Krebs die steinharten Früchte der Kanari-Bäume zu öffnen verstehe.

Auf Ambon führt er sein Diebesgewerbe ganz vorwiegend bei Nacht aus und verbirgt sich bei Tage in Erdlöchern und unter Wurzeln. Ab und zu sucht er das Meer auf, wie es heißt, um seine Kiemen anzufeuchten. Diese Erklärung seines Meeresbesuchs erscheint mir unwahrscheinlich, denn die Kiemen selbst sind sehr klein; dafür besitzt die Wand der Kiemenhöhle reich verästelte Gefäße und ist zu einer Art Lunge umgebildet. Der Besuch des Meeres gilt vielmehr wahrscheinlich blos dem Fortpflanzungsgeschäft; denn die Eier werden ins Wasser abgesetzt und die Jungen führen eine Zeit lang eine marine Lebensweise. In Ambon war es mir gar nicht leicht, eine Anzahl dieser großen und wohlschmeckenden Krebse für meine Sammlung zu erlangen, denn die Chinesen sind leidenschaftliche Liebhaber ihres Fleisches und bezahlen gute Summen für sie. Sie halten die eingesammelten Krebse, die so groß und schwer werden wie ein mittelgroßer Hummer, eine Zeit lang in der Gefangenschaft und mästen sie förmlich mit Kokosnüssen.

Nachdem ich drei Wochen lang in der Außen- und Innenbai von Ambon gefischt hatte und mich überzeugen mußte, daß alle Hoffnung, in dieser Jahreszeit entwicklungsgeschichtliches Material vom Nautilus zu finden, trügerisch wäre, beschloß ich eine längere Tour nach der Ostseite der Insel zu unternehmen und entweder dort oder an den Küsten der Uliassers meine marinen Sammlungen fortzusetzen. Gegebenenfalls wollte ich auch nach Ceram übersetzen, um mich einige Zeit im Südosten dieser Hauptinsel der südlichen Molukken aufzuhalten. Für dieses Unternehmen brauchte ich zum Transport meiner Sammlungen, Gläser und Konservierungs-Flüssigkeiten ein größeres Boot, und es traf sich günstig, daß Herr Bouman mir eine kleine Prau oder Orembäi von passender Größe für billigen Preis vermieten konnte. Es war ein flaches offenes Fahrzeug von etwa neun Meter Länge, in der Mitte befand sich eine kleine gedeckte Kajüte, von etwa zwei Meter im Geviert, eben groß genug, um mir als Schlafraum, Laboratorium und Stapelplatz für meine Sammlungen und Instrumente zu dienen. Freilich konnte man nur in gebückter Haltung eintreten, und wenn ich bei der Arbeit war und meine Jagdbeute vor mir ausgebreitet hatte, so war es mir zuweilen buchstäblich unmöglich, mich umzudrehen.

Um von Ambon nach Passo zu gelangen, gibt es zwei Wege. Entweder man fährt um ganz Leï-Timor herum, oder man überschreitet die schmale Landenge zwischen der Bai von Ambon und Baguala. Ein flacher Kanal, der zum Teil dem Laufe eines kleinen Bächleins folgt, verbindet die beiden Baien. An der höchsten Stelle der Landenge reicht dieser Kanal aber selbst bei Hochwasser nicht ganz bis zum Niveau des Meeres hinab, und man muß an dieser Stelle die Kanoes und Orembäis ein Paar hundert Schritt über festes Land ziehen. Herr Bouman wünschte nicht, daß dies mit seiner Orembai geschähe, und ich mußte dieselbe daher mit Udin und sieben mohammedanischen Ruderern von Batu Mera um Leïtimor herumschicken, während ich selbst in Ambon blieb, bis das Boot in Passo angekommen wäre.

Um diese Zeit war der Resident vonAmbon, der höchste Regierungsbeamte auf den südlichen Molukken, Herr Baron von Hoevell, von einer Reise nach den Aru-Inseln zurückgekehrt, die er in seinem kleinen Regierungsdampfer unternommen hatte, um einen dort ausgebrochenen Aufstand zu dämpfen. Ich hielt es für meine Pflicht, mich ihm, dem höchsten Beamten des Landes, vorzustellen und ihm die Empfehlung des Generalgouverneurs von Niederländisch Indien zu überreichen, die mir derselbe auf Antrag des deutschen Generalkonsuls, Dr. Gabriel, ausgefertigt hatte. Im übrigen wollte ich eigentlich nichts von dem Residenten, da ich diese Fahrten und Arbeiten auf Ambon, wie alle meine bisherigen, gänzlich selbständig unternahm. Höchstens wären mir einige Spezialempfehlungen an die Unterbeamten, die Kontrolleure und Posthouders auf den Uliassers und Ceram erwünscht gewesen. Der hohe Würdenträger empfing meinen Höflichkeitsbesuch ungemein herablassend. Er versprach mir gnädigst die Empfehlungen an die Unterbeamten und behielt das Schreiben des General-Gouverneurs in seinem Bureau, um meinen Namen richtig abschreiben zu lassen. Vier Wochen später, nachdem ich längst von meiner Reise zurückgekehrt war, sandte er es mir ohne die versprochenen Empfehlungen zurück.

Am 23. Januar kam Udin zu Fuß von Passo nach Ambon und sagte mir, daß die Orembai am Abend zuvor glücklich dort angekommen sei. Während sich der Koch und Eduard zu Fuß nach Passo begaben, fuhr ich im kleinen Kanoe mit Udin und einem anderen Fischer durch die Bai von Ambon dorthin. Hier in der Innenbai sieht man an verschiedenen Stellen die ausgedehnten Fischwehre aus Bambus, die die Bewohner der Molukken an günstigen Stellen anlegen, um mit dem Hochwasser Fische zu fangen. Überhaupt sind sie ausgezeichnete Fischer. Sie fangen die Fische in Reusen und Fischfallen, die aus Rotang geflochten werden, und die man massenhaft in allen Stranddörfern herumliegen sieht; sie verfertigen riesige Netze, mit denen sie die Fischschwärme einzukreisen und in Mengen zu fangen verstehen. Im flachen Wasser und in den Flüssen benutzen sie kreisförmige Wurfnetze, die, in zusammengefaltetem Zustande geschleudert, sich im Fallen ausbreiten und untersinkend einen ziemlichen Umkreis des Grundes mit allem, was sich über ihm befindet, bedecken. Letztere Netze waren mir selbst sehr nützlich, um eine Sammlung der im Süßwasser von Ambon vorkommenden Fische anzulegen. Endlich fischt man auch noch nachts bei Fackelschein. Oft sieht man zur Nachtzeit bei ruhigem Wetter hunderte von Lichtern der Fischerboote, ein Anblick, der lebhaft an den erinnert, den in manchen Nächten der Golf von Neapel bietet. Als Fackel verwenden die Ambonesen zusammengerollte Palmblätter, die mit dem Harz der auf Ambon häufigen Dammara alba gefüllt sind. Diese tropische Conifere erinnert in ihrem Wuchs etwas an unsere Pappeln. Mit Tagesanbruch kehren dann die Boote zurück. Aus denjenigen, die guten Fang gemacht haben, ertönt fröhlicher Gesang und der Schall der Pauken und Gongs. Diejenigen, die mit ihrer Ausbeute unzufrieden sind, rudern schweigend und ohne Sang und Klang nach Hause.

Auf unserer Fahrt durch die Innenbai hatten wir eine gute Brise und konnten vor dem Winde dahinsegeln, ohne ein Ruder zu rühren; bald aber schlief der Wind ein, und ich beobachtete hier wie auch sonst noch bei anderen Gelegenheiten, daß Udin und die anderen Fischer den Wind durch Pfeifen herbeizulocken suchten oder ihn dadurch aufmunterten, daß sie Wasser in die Richtung, aus der er kommen sollte, spritzten. Dieser Fischeraberglaube ist weit verbreitet. Meine weißen Seeleute auf Thursday Island suchten ebenfalls den Wind herbeizupfeifen. Die Papuas bilden sich ein, Beschwörungsmittel zu besitzen, durch die sie Regen und Wind nach Belieben hervorrufen und zum Verschwinden bringen können.

Die Landenge von Passo ist nur etwa 1200 Meter breit und besteht aus flachem Schwemmlande. Es wäre leicht, sie wirklich zu durchstechen, aber man nimmt Abstand davon, weil ein wirklicher Kanal bald wieder von der Flut zugeschwemmt werden würde.

Passo liegt an der Ostseite der Enge, und von diesem kleinen Dörfchen hat man einen reizenden Blick über die Bai von Baguala hin. Am nächsten Tage ruderten wir in unserer Orembäi nach Suli, und da dieser Ort sich an Seetieren sehr ergiebig erwies, verweilte ich hier eine halbe Woche.

Das Dörfchen liegt in einer kleinen geschützten Einbuchtung, in welche sich ein kleiner Fluß ergießt. Ein schönes Strandriff umsäumt einen Teil der Küste, und während der Außenrand desselben ein üppiges Korallenwachstum zeigt, ist der an die Küste anschließende Teil des Riffs abgestorben und in seinen inneren Teilen zersetzt und zerfressen. Bei gewissem Wasserstand bildet dieser innere zersetzte Teil des Riffs eine Art von kleiner, nach Westen offener Lagune. Nach Osten ist dieselbe durch das Vorgebirge von Suli abgeschlossen. Dies ist ein deutliches Beispiel dafür, daß sich Bildungen, die an Lagunen oder Riffkanäle erinnern, auch nachträglich durch Zerstörung und Auswaschung bilden können, und daß Darwin zu weit gegangen ist, wenn er alle derartigen Vorkommnisse durch seine Senkungstheorie erklären wollte. Doch ist hervorzuheben, daß es erstens gar keine typische Lagune ist, die wir vor uns haben. Ferner macht die Konfiguration der Küste, auf die ich nicht ausführlicher eingehen kann, ohne sie durch Abbildungen zu illustrieren, die Entstehung dieser Bildung leicht verständlich, während das Zustandekommen der großen Barrierriffe von Nord-Australien und Südost-Neu-Guinea ohne die Annahme einer positiven Strandverschiebung (Sinken des Landes oder Steigen des Meeres) meiner Ansicht nach durchaus unerklärlich sein würde. Ich komme also wiederum zu dem Schluß, daß Darwins Erklärung für die Mehrzahl der Fälle und gerade der typischsten zutrifft, daß aber ähnlich aussehende Resultate auch durch andere Ursachen : das Relief des Grundes und der Küste, Wachstums- und Zersetzungserscheinungen am Riff, hervorgebracht werden können. Solche analogen, nicht homologen Bildungen werden aber selten oder nie den streng regelmäßigen Bau und die Ausdehnung der Barrieren und Atolle in Senkungsgebieten zeigen.

Die Felsen fallen an der Ostküste von Hitu überall steil ins Meer. Wenn man sie näher untersucht, sieht man, daß sie aus erst kürzlich gehobenen Korallenriffen bestehen, deren Korallenstruktur noch sehr deutlich ist, und deren Fauna mit der der lebenden Riffe übereinstimmt. Vierzig Meter oberhalb von Suli findet sich dann ein ausgedehntes Plateau, das ganz aus gehobenem Korallenkalk besteht. Oberhalb des Plateaus erheben sich neue Riffmassen, die wiederum von Stufe zu Stufe eine Gliederung in Terrassen erkennen lassen. Solche terrassenförmige Anordnungen der fossilen Riffe beobachtete ich noch weiter an der Ostküste von Hitu bis nach Waai. Auf die Bedeutung dieser Terrassen komme ich später zurück.

Der Boden der ersten Riffterrasse über Suli scheint nicht sehr fruchtbar zu sein; eine üppige Waldvegetation findet man hier nur an wenigen Stellen entwickelt. Wahrscheinlich ist der poröse Korallenfels zu durchlässig und hält die niederfallende Feuchtigkeit nicht genug fest. Als ich zum ersten Male diese Höhe betrat und mich in dem lichten Waldbestand, der sich oben entwickelt hat, umsah, war ich im höchsten Grade erstaunt; ich glaubte mich in den australischen Busch versetzt, denn die Bäume wuchsen wie dort in weiten Abständen voneinander und erinnerten in ihrem Habitus in auffallender Weise an die australischen Tea-trees. In der Tat sind sie auch nahe Verwandte der weißblühenden Tea-tree-Art Melaleuca linariifolia. Es ist Melaleuca minor, der Kajeputbaum, aus dessen Blättern man auf Ambon und besonders auf Buru das bekannte ätherische Kajeputöl bereitet. Kajeput ist verdorben aus Kaju puti, Kaju Holz, puti weiß. Die Rinde der Bäume ist glänzend weiß und löst sich in Fetzen ab.

Hier oben gab es massenhafte Tauben, mehrere Arten der schönen großen Carpophaga (C. perspicillata und C. aenea) und eine Menge kleinerer Arten, die sich tagsüber verstreut in den Waldungen aufhielten, sich aber bei Sonnenuntergang in einigen riesigen Bäumen zu versammeln pflegten, oft in einer Höhe, daß ein Flintenschuß sie nicht mehr erreichte. Die Gewohnheit, sich abends auf einigen wenigen Schlafbäumen zu versammeln, tagsüber aber allein den Berufsgeschäften nachzugeben, habe ich sonst noch besonders bei Reihern beobachtet. Einige Male ging ich nachts aus und erlegte bei Mondenschein einige Exemplare der auf Ambon sehr häufigen Kuskusart Phalanger maculatus. Auch an fliegenden Hunden war kein Mangel. Ich begnügte mich aber nach dem großen Morden, das ich bei Cooktown unter diesen harmlosen Geschöpfen angerichtet hatte, um entwicklungsgeschichtliches Material zu sammeln, hier ein einziges Tier zu schießen, das mir in der Abenddämmerung allzu schön vor den Lauf kam.

Auffallend waren hier am Rande aller der Korallenterrassen die zahlreichen Höhlenbildungen, die mir schon in verkleinerter Form bei Batu Mera nahe Ambon im gehobenen Riff direkt über dem Meeresspiegel aufgefallen waren.

Die marine Fischerei lieferte reichliche Ausbeute, weil der Sandboden, das schöne lebende und das abgestorbene Riff ein jedes für sich den verschiedenartigsten Tieren Wohnort und Unterschlupf gewährte. Auf dem abgestorbenen Riff wimmelte es von riesigen Synaptiden, einer Holothurienfamilie, die sich durch ihre zarte, bei kleineren Exemplaren fast durchsichtige Haut, durchsetzt mit Kalkrädchen und -platten und gespickt mit spitzigen Kalkankern, auszeichnet. Dieselben würden das Tier einem jeden Munde, dessen Speichel nicht mit Schwefelsäure versetzt ist, zu einem recht unangenehmen Bissen machen. Vermittelst der spitzen, bei einigen Arten millimetergroßen Anker vermögen die Tiere sich wie Kletten an Gegenstände zu heften, mit denen sie in Berührung kommen. Die im Mittelmeer häufigen Arten, Synapta inhaerens und digitata, werden deshalb auch als Klettenholothurien bezeichnet. Sie sind Zwerge gegen ihre Verwandten im tropischen Ozean, die eine Länge von mehreren Metern erreichen. Ich sammelte hier fünf verschiedene Arten dieser merkwürdigen Tiere, von denen keine im Sand oder unter Steinen lebte, sondern die alle frei an der Oberfläche des Grundes herumkrochen. Einige Arten besitzen eine Färbung, die sie dem Meeresgrunde sehr ähnlich macht und ihnen zweifelsohne einen bedeutenden Schutz verleiht. Alle fand ich in ziemlicher Nähe des Ufers in flachem Wasser, wo ihre Hauptfeinde, die großen, Schwefelsäure ausscheidenden Schnecken, sie nicht erreichen können. Übrigens besitzen diese Synaptiden außer ihren Ankern noch einen anderen guten Schutz gegen übermächtige Angriffe. Wenn sie an einer Stelle ihres langen wurmförmigen Leibes gepackt werden, so schnürt sich der Leib mit dem Kopf oberhalb der Angriffsstelle ab und empfiehlt sich, indem er sein Hinterende dem Feinde als gute Beute überläßt. Unsere Eidechsen sind nicht ganz so gut daran, denn sie vermögen sich nur von ihrem Schwanze zu trennen. Die niedrig organisierte Holothurie macht sich nichts daraus, mehr als drei Vierteile ihres Körpers zu opfern. Wenn nur der Kopf mit dem nervösen Centralorgan, dem Nervenring, unverletzt bleibt, wird der übrige Körper leicht regeneriert.

In dem kleinen Flüßchen von Suli fischten wir eifrig mit dem Wurfnetz nach Süßwasserfischen und erhielten auch manches schöne Exemplar von den Eingeborenen des Ortes gebracht. Im allgemeinen fielen mir die Leute hier etwas lästig, denn sie waren im hohen Grade neugierig und aufdringlich, und obwohl sie zum größten Teil Christen waren, und die Kinder einen regelmäßigen Schulunterricht genossen, erinnerte mich die Art und Weise, wie mein Tun und Treiben von ihnen angestaunt wurde, lebhaft an die wirklichen »Wilden« der Papua-Insel. Der sich hoch kultiviert dünkende Ambonese spricht mit ungeheurer Verachtung von dem »Orang papua«.

Jedes der ambonesischen Dörfer steht unter einem eingeborenen Oberhaupt, Pati genannt, der sich noch viel lieber Radja titulieren läßt. Als ich nach Suli kam, ließ ich dem dortigen Pati1) durch Udin meine Ankunft melden, und er kam auch gleich an Bord, um mich zu begrüßen, mir seine Dienste zur Verfügung zu stellen und mich in sein Haus einzuladen. Wenn ich aber wirklich etwas brauchte, war er immer der letzte, der es mir verschaffte. Dafür besuchte er mich stundenlang auf meiner Orembäi, wenn ich mit meinen Sammlungen beschäftigt war und meine Ausbeute konservierte. Alle Winke, ob nicht seine Anwesenheit an Land erforderlich sei, fanden kein Verständnis, und zwei Tage lang duldete ich schweigend, daß er meine enge Kabine ungebührlich durch seine Anwesenheit verengte. Am dritten Tage hielt ich es für das Beste, deutsch mit ihm zu reden, und bat ihn auf malayisch, sich vor die Tür der Kajüte zu setzen.

Ebenso neugierig war aber die übrige Bevölkerung, wenn sie sich auch nicht an Bord des Schiffes wagte. Wenn ich morgens mein Bad in der See nahm, so war dies immer ein Fest für das Dorf. Eine große Schar von Zuschauern pflegte diesem Schauspiel beizuwohnen, es mit Spannung zu beobachten und über dasselbe ungeniert seine kritischen Bemerkungen auszutauschen. Echte Malayen würden sich niemals in dieser Weise benehmen. Durch mancherlei Erfahrung auf meiner langen Reise war ich mit Unempfindlichkeit gegen so etwas gewappnet und suchte nur durch möglichst frühes Baden die Zahl der Zuschauer zu verringern. Übrigens sind Seebäder in den Tropen nichts besonders erfreuliches. Eine schöne Brandung wie an den Küsten unserer Nordsee rindet man fast nirgends. Das Wasser hat eine lauwarme Temperatur, und ein Seebad erfrischt in diesen Breiten lange nicht so wie ein Bad im süßen Wasser oder auch bloß das Übergießen mit letzterem.

Von Suli ruderten wir nach Tial und blieben dort nur kürzere Zeit, weil das Meer daselbst nicht besonders tierreich war. Am Strande sah ich massenhafte Fischkörbe und Reusen, die aus Rotang geflochten werden. Die Bewohner dieses Stranddörfchens scheinen sich mit Vorliebe mit dieser Arbeit zu beschäftigen. Östlich und dann nördlich steuernd umfuhren wir das Nordostkap der Bai von Baguala und kamen nun in die Straße von Haruku. Die waldgekrönte Insel Haruku erhebt sich hier gerade im Osten von Ambon aus dem Meere, ferner liegt im Südosten das winzige Molana und noch ferner Nusa Laut. Saparua wird hier ganz von Haruku verdeckt. Alle diese bergigen Inseln besitzen nur eine geringe Höhe; die höchsten Spitzen von Haruku erreichen etwas über 400 Meter, die von Saparua und Nusa Laut nur gegen 300 Meter. Steil fallen die Korallenklippen, die den vulkanischen Kern überkleiden, gegen den Strand ab. Im Morgendufte gewähren diese niederen Tropeninseln, die sich mit zarten, aber doch charakteristischen Formen aus dem blauen Meer erheben, einen wahrhaft lieblichen Anblick.

Auch an der ambonesischen Küste bei Tengga-tengga, wo wir unsern nächsten Aufenthalt nahmen, fallen die Korallenfelsen außerordentlich steil und schroff ins Meer. Vielfach haben die Einwohner an der Ostküste von Ambon im Korallenfels Stufen, stellenweise richtige Treppen angelegt, die vom Strande auf die erste Riffterrasse hinaufführen. Auch hier beobachtete ich zahlreiche kleine Höhlen im Korallenfels. In greifbarer Nähe erblickt man gegenüber im Osten Haruku, im Norden grüßen aus der Ferne die gewaltigen Berge von Ceram. An den Waldrändern und in den Pflanzungen von Tengga-tengga, in nächster Nähe des Strandes, flogen in großen Mengen prachtvolle große Schmetterlinge, deren Zeichnung eine Art von schwarzbraunem Netz- und Fleckenwerk auf weißem Grunde darstellt. Es ist die größte der Danainen, Hestia Idea, und die nahe verwandte Art Hestia Aza, die wohl nur als eine Varietät der ersteren aufzufassen ist, da sich in meiner Sammlung alle Übergänge von der einen zur andern vorfinden. Der Flug dieser Schmetterlinge ist schwebend und auffallend langsam. Die Flügel scheinen in der Luft zu vibrieren, so papierdünn und zart sind sie. Beharrlich umkreist der Schmetterling eine bestimmte Stelle, zu der er, weggescheucht, häufig wieder zurückkehrt, und obwohl die Tiere in beträchtlicher Höhe zu fliegen lieben, sind sie dabei so gleichgiltig und dummdreist, daß man sie ohne Mühe mit einem, an einem langen Bambusstab befestigten Netze fangen kann. Diese Sorglosigkeit, welche die Tiere in ihrem ganzen Verhalten an den Tag legen, erklärt sich daher, daß die Säfte der Danainen einen üblen Geschmack besitzen, und insektenfressende Vögel sie deshalb verschmähen. Sehr häufig war ferner hier und anderwärts auf Ambon das unscheinbar gefärbte Weibchen von Ornithoptera Priamus, während das prächtig smaragdgrüne Männchen zur Zeit meiner Anwesenheit sich viel seltner sehen ließ. Ich habe dieses herrlichen Schmetterlings schon früher (Seite 389) Erwähnung getan, als ich gelegentlich meines Aufenthalts auf Neu-Guinea seinen nahen Verwandten, Ornithoptera Pegasus, beschrieb, der wohl nur eine lokale Varietät von ihm darstellt.

Nicht viel seltner sind zwei andre Arten, O. Helena und Hippolytus, ebenfalls zwei Riesenformen, deren Schmuck eine prachtvoll gelbe Fleckenzeichnung auf schwarzem Grunde ist. Beim Anblick dieser herrlichen Geschöpfe, wenn sie mit weichem, wiegendem Fluge die Büsche und Bäume umschweben, fragt man sich zuweilen unwillkürlich, ob man Vögel oder Schmetterlinge vor sich hat. Viel lebhafter und unruhiger ist der Flug des Papilio Ulysses, der feuchte Gegenden zu bevorzugen scheint. Er ist nur wenig kleiner als die kleinern Ornithopteren und trägt auf der Oberseite seiner schwarz umrandeten Flügel ein herrlich leuchtendes, metallisch schimmerndes Blau, das je nach der Richtung, aus der man es betrachtet, von hellblau bis zu violett wechselt.

Man hat die auffallende Beobachtung gemacht, daß dieselben Arten, die einerseits auf Ambon, andrerseits auf Ceram, Buru und andern Molukkeninseln vorkommen, auf dem kleinen Ambon meist stattlicher und schöner entwickelt sind, als auf den größeren Nachbarinseln. Auf diesen wiederum pflegen nahe verwandte Formen größere Dimensionen und reichere Farbenpracht zu entwickeln als auf der riesigen Papua-Insel. Der Grund für diese Erscheinung ist gänzlich unbekannt. Man könnte vielleicht daran denken, daß eine bestimmte Art, die auf einer kleinen Insel lebt, dort weniger verschiedenartige Feinde besitzt als in einem größeren Areal, welches regelmäßig zwar nicht individuen-, aber artenreicher zu sein pflegt. Diese Erklärung besagt aber nicht viel, denn es ist wirklich nicht zu glauben, daß der papuanische Ornithoptera Pegasus auch nur einem Feinde gegenüber irgend welchen Vorteil daraus zieht, um ein weniges kleiner zu sein, als die molukkische Varietät Ornithoptera Priamus. Überhaupt ist es unmöglich anzugeben, warum die Insektenfauna der austromalayischen Region so hervorragend schön und durch besondere Farbenpracht ausgezeichnet ist, und in dieser Beziehung die indomalayische Region so entschieden übertrifft. Denn wenn sich die besonders schöne Entfaltung der austromalayischen Vogelwelt wahrscheinlich aus der Abwesenheit von höheren Baumsäugetieren erklärt (Seite 405, 410), so läßt sich ein ähnlicher Grund für Insekten nicht auffinden, da es an insektenfressenden Vögeln nicht mangelt.

Schon eine kurze Umschau in der Tierwelt der Molukken überzeugt uns, daß wir uns hier in einem Faunengebiet befinden, welches mit dem von Neu-Guinea große Übereinstimmung besitzt. Eine genauere Analyse, die sich auf alle Land- und Süßwassertiere ausdehnt, bestätigt dies vollkommen. Sehen wir zunächst von den Säugetieren ab, so finden wir, daß die Mehrzahl der Formen zwar nicht ganz mit den papuanischen übereinstimmt, aber mit ihnen nahe verwandt ist. Die Familie der Paradiesvögel fehlt auf den Molukken bis auf eine einzige Art, die sehr eigenartige Semioptera wallacei von Batjan. Die Kakadus sind reichlich vertreten, die hervorstechendsten Papageien gehören den Gattungen Lorius, Eos, Electus an, welche auch in Neu-Guinea beziehentlich Australien häufig sind. Von Schlangen findet man hier die australischen Braunschlangen, Diemenia, und Todesottern, Acanthophis, repräsentiert durch besondere Arten, und von den Eidechsen die ebenfalls für Australien charakteristische Cyclodus. Überall finden wir aber daneben Formen, denen man auch in dem westlichen Teile des Archipels begegnet und die als indomalayische Einwanderer zu betrachten sind. Alles zusammen erhält man den Eindruck einer ihrem Wesen nach australisch-papuanischen Fauna, die sich aber eigenartig entwickelt und viele Beimengungen aus der orientalischen Region in sich aufgenommen hat.

Von Tengga-tengga ruderten wir mühsam gegen einen starken Nordwestwind nach Tulehu. Nicht fern von letzterem Dorfe findet sich eine Stelle, an welcher in einem größern Umkreis, teils am Strand, teils auch vom Grunde des Meeres, mehrere Meter unter dem tiefsten Wasserstand der Ebbe, heiße Quellen entspringen. Beim Entlangfahren zählte ich in einer Entfernung von zwei Kilometern sechs solche submarine Quellen. Vom sandigen Grunde sieht man hier von Zeit zu Zeit intermittierend eine Menge Blasen aufsteigen, dann tritt eine Pause ein und die Blasenentwicklung beginnt aufs neue. An einer Stelle am Ufer kommen die Quellen jenseits der Flutgrenze aus der Erde, und hier haben die Eingeborenen ein Loch gegraben, in dem sich das Wasser sammelt. Es besitzt eine Temperatur von etwa 60° C. und hat einen mineralischen und außerdem deutlich schwefeligen Beigeschmack. Ein Eingeborener von Ambon teilte mir mit, daß sich am Südabhange des Wawani auf Hitu eine Solfatara finden soll. Diese Angabe ist wohl zuverlässig, denn der Wawani und wahrscheinlich alle Berge von Hitu sind ebenso wie die Höhen der Uliassers erst kürzlich erloschene Vulkane. Daß die vulkanische Tätigkeit nur schlummert, dafür sprechen die submarinen heißen Quellen und, wenn man meinem Gewährsmann trauen darf, die Solfatara.

Mein Verweilen in Tulehu gegenüber der niedrigen, dicht bewachsenen Koralleninsel Pulu Pombo (ganz nahe liegt die kleine Klippe Batu Lomba) bot nichts besonders bemerkenswertes. Die nebenstehende Photographie wird dem Leser ein Bild eines derartigen ambonesischen Dörfchens und seiner Bevölkerung geben. Von Tulehu arbeiteten wir uns mit großer Anstrengung gegen heftigen Nordwestwind in die Bai von Waai hinein, bis nahe an das Dorf Waai heran. Wind und Wellenschlag wurden aber so heftig, daß unsere flache Orembäi nahe daran war zu kentern, und wir sie nur mit größter Mühe an einem geschützten Ort landen konnten. Ich mußte nach Tulehu zurückkehren und wartete einige Tage, ob das Wetter sich bessern und mir die Überfahrt nach Ceram gestatten würde. Wäre unser Fahrzeug seetüchtiger gewesen, so wäre es zur Not wohl gegangen, aber in dieser flachen ungedeckten Nußschale, in welche die Wellen hineinschlugen, und mit der man absolut nicht gegen den Wind lavieren konnte, war der Versuch bei dem augenblicklich herrschenden Nordwestwind zu unsicher. So hielt ich es denn für das Beste, nach dreiwöchigem Aufenthalt an der Ostküste der Insel wieder nach Ambon zurückzukehren und dort den Rest meiner Zeit zu verbringen.

Nach der Rückkehr in mein Haus bei Ambon nahm ich meine gewohnte Lebensweise wieder auf. Den Morgen und Vormittag widmete ich dem Sammeln von Seetieren, die Nachmittage aber verwendete ich zu Ausflügen über Land, einmal um den Bau der gehobenen Korallenriffe etwas näher zu studieren, dann aber auch, um meine Sammlung von Süßwasser-Fischen und -Krebsen zu vervollständigen. Die Insel besitzt nur unbedeutende Wasserläufe, und da wahrscheinlich niemals ein Teil von ihr mit einem der großen Kontinente in direktem Zusammenhang gestanden hat, ist es nicht wunderbar, daß die Mehrzahl ihrer Süßwasserfische streng genommen nur Brackwasser- oder Seefische sind, die sich an das Leben im süßen Wasser angepaßt haben. Unter den Fischen, die ich im süßen Wasser von Ambon erbeutete, befindet sich auch einer, der eine neue Gattung repräsentiert und von Professor Max Weber als Stiphodon semoni beschrieben worden ist.

Im Meere dredgte ich jetzt täglich einige Stunden lang, hatte aber keine sehr reiche Ausbeute. Mit dem feinen Netz fing ich eine Anzahl von herrlichen Siphonophoren und verwandte große Mühe auf die Konservierung dieser zarten und vergänglichen Geschöpfe, die sich gewöhnlich in ihre Einzelbestandteile auflösen, wenn man sie abtötet.

Anfangs mißlang das gewöhnlich, und ich hatte das zerstückelte und verdorbene Material eimerweise wegzuschütten. Die Hühner meiner Wirtin trieben sich überall im Garten herum und machten mit Vorliebe Vorstöße in die Halle, die mir zum Laboratorium diente. Eines Tages müssen sie sich wohl über die weggeworfenen Reste von Seetieren hergemacht haben, die ich versucht hatte, mit einer Mischung von Chromsäure und Sublimat zu konservieren. Gegen Mittag kam die Wirtin zu mir und sagte mir, vier von den Hühnern seien gestorben. Ich ahnte gleich Schlimmes, sprach aber bloß mein Bedauern aus. Nach einer halben Stunde kam sie wieder mit der Nachricht »lajin ajam mati«, ein andres Huhn ist tot, und dies wiederholte sich fort und fort bis zum Abend, so daß ich ihr schon immer lachend zurief, wenn sie hereinkam: »lajin ajam mati?« Als wir abends die Strecke nahmen, waren zwölf Hühner tot, und eins schien sich sehr übel zu befinden. Es erholte sich aber wieder bis zum nächsten Morgen. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel, bezahlte die zwölf Opfer der Wissenschaft und ließ in Zukunft die Abfälle meiner Konservierungsversuche direkt ins Meer ausschütten.

Auf meinen Landexkursionen lernte ich die geologische Struktur der Insel genauer kennen. Hitu und Leïtimor sind sehr verschiedene Bildungen. Während der letztere Inselabschnitt einen granitischen Kern besitzt, besteht die Grundlage von Hitu aus jüngerem Eruptivgestein. Im Jahre 1674 sollen sich am Wawani auf Hitu zwei Spalten gebildet haben, und aus diesen sollen Ströme von heißem Schlamm und kochendem Wasser ausgeflossen sein. Daß sich jetzt noch Spuren vulkanischer Tätigkeit vorfinden, Solfataren am Fuße des Wawani, heiße Quellen an der Ostküste der Insel, wurde schon erwähnt. Jüngere Eruptivgesteine fehlen dagegen auf Leïtimor. Das eigentümliche poröse Gestein von kräftig roter Farbe, das dem Dörfchen nördlich von Ambon den Namen Batu mera, Rotenstein, eingetragen hat, ist ein Laterit, der durch Zersetzung des Granits entstanden ist. Ein dicker Mantel von jungen Korallen deckt überall die Abhänge der Berge gegen die Küste hin. Die Fauna dieser Korallenkalke stimmt so sehr mit derjenigen überein, die noch jetzt das Meer zu den Füßen der Berge bevölkert, daß wir annehmen müssen, die letzteren seien noch vor verhältnismäßig kurzer Zeit viel tiefer ins Wasser hineingetaucht gewesen als heute. Zu jener Zeit wird das, was wir heute Ambon nennen, aus einer größeren Anzahl von kleinen, niedrigeren Inseln bestanden haben.

Die gehobenen Riffe an Ambon, die die Bergrücken bis in bedeutende Höhen hinauf mantelförmig bedecken, bieten manches Eigentümliche. Gleich im Norden von Tanalapan, wo sich mein Haus befand, erheben sich eine Anzahl von Hügeln, Vorberge des höheren Gunong Nona. Auf einem dieser Hügel, von den Eingeborenen Kati-Kati genannt, fielen mir eine Anzahl von eigentümlichen Dellen auf den Kuppen des Hügels auf. Dieselben waren kreisförmig oder elliptisch, zuweilen auch unregelmäßiger gestaltet. Mit steiler, manchmal senkrechter Böschung fielen die Korallenfelsen gegen den flachen Boden der Delle ab. Eine dieser Bildungen, die eine ziemlich regelmäßige Ellipse darstellt und die ich genauer untersuchte, besitzt einen Längsdurchmesser von 43 Metern, einen Querdurchmesser von 27 Metern, die Tiefe der Einsenkung beträgt etwa 20 Meter. Das sehr geschützte Plätzchen war von den Bewohnern jener Höhen zu einer kleinen Djagung- oder Mais-Pflanzung benutzt worden. Auf der einen Hügelkuppe etwa 250 Meter über dem Meere zählte ich zwei, auf einer andern, ungefähr 50 Meter höheren, drei derartige Bildungen.

Den Gunong Nona selbst fand ich bis zu seinem Gipfel, der etwa 480 Meter über dem Meere liegt, von Korallen bedeckt. Die Aussicht von oben über das vegetationsstrotzende Leïtimor und Hitu, die hohen Gipfel des Salhutugebirges, nordöstlich davon die noch höhern von Ceram, die Außen- und Innenbai von Ambon und das unbegrenzte blaue Meer im Süden und Westen ist im Lichte der tropischen Morgensonne unbeschreiblich schön. 75 Meter unter dem Gipfel befinden sich wieder mehrere der eigentümlichen Dellen, von denen einige fast vollkommene Kreisform besitzen. Bei einer Tiefe von 20—30 Metern haben sie einen Durchmesser von mehreren hundert, in einem Falle sogar von 500 Metern. Die Böschungen gegen das Innere der Kessel sind hier meist erheblich sanfter als am Kati-Kati. Keine der Dellen enthielt Wasser, keine war ein Teil eines noch vorhandenen oder ehemaligen Wasserlaufs, denn sämtlich waren sie nach allen Seiten hin geschlossen.

Es ist klar, daß wir hier lagunenähnliche Bildungen in den Korallenriffen vor uns haben. Für die Lagunen echter Atolle möchte ich sie allerdings nicht halten, denn ihre Form ist häufiger unregelmäßig, als schön kreisförmig oder elliptisch, ihre Außenböschungen sind gewöhnlich sanfte, und der Umstand, daß sie sich in so verschiedenen Höhen finden, macht es höchst unwahrscheinlich, daß sie nach dem Darwinschen Senkungsschema entstanden sind. Sonst würden die »Atolle« des Kati-Kati doch wahrscheinlich zu gleicher Höhe emporragen, wie die auf dem Gipfel des Gunong Nona. Schon oben habe ich darauf hingewiesen, daß sich unter Umständen lagunenähnliche Bildungen auch in stationären oder Hebungsgebieten bilden können.

Überall findet man auf dem Gunong Nona und seinen Vorbergen, auch sonst noch vielfach auf den Bergen von Ambon, gut gehaltene Mais-, Bananen-, Tabak-, Areng- und Kokospflanzungen, die von den sogenannten Binungkus angelegt sind, Bewohnern der Insel Bouton im Südosten von Celebes und den vorgelagerten kleinern Inseln, zu denen auch das Inselchen Binungku gehört.

Seit etwa 25 Jahren kommen diese Leute in ziemlicher Menge nach Ambon, Ceram, Buru und Banda und legen auf den Bergen Pflanzungen aller Art an, die sie viel fleißiger bearbeiten und sorgsamer pflegen, als es die nachlässigen Ambonesen tun. Hier und da sitzen sie auch als Fischer am Meere. Meistens sind es nur die Männer, die kommen, um, wenn sie genügend Geld verdient haben, nach einer Anzahl von Jahren in ihre Heimat zurückzukehren. Sie gehen gewöhnlich bis zum Gürtel unbekleidet und machen einen halbwilden Eindruck; dem Namen nach sind sie Mohammedaner. Die kulturbeleckten Ambonesen dünken sich diesen fleißigen Leuten gegenüber, deren Sprache sie nicht verstehen und deren Einfachheit sie verachten, ungeheuer überlegen und sehen auf sie herab, wie die deutschen oder englischen Matrosen auf einen wilden Papua. Auf meinen Exkursionen nahm ich fast immer einige Binungkus als Führer und Träger mit, weil sie mehr leisten und die Berge besser kennen, als die eingeborene Bevölkerung der Insel.

Von einem guten Aussichtspunkte aus sieht man, daß auch die korallenüberzogenen Abfälle der Berge gegen die Bay von Ambon hin terrassiert sind. Noch deutlicher tritt allerdings diese Terrassierung an der Ostküste hervor. Wie sind diese Stufen entstanden? Soweit die Korallen reichen, waren früher die Berge von Ambon ins Meer versenkt; auf dem Gipfel des Gunong Nona findet man in großer Menge riesige Tridacnamuscheln, die mit den noch heute im Meere lebenden identisch sind. Eine Hebung des Landes oder ein Sinken des Meeresspiegels, kurz das, was die moderne Geologie eine positive Strandverschiebung nennt, hat den Korallengürtel aus dem Meere gehoben, und aus dem Umstande, daß die Korallenkalke keinen glatten Mantel, sondern eine stufige Decke bilden, können wir mit Sicherheit schließen, daß diese Strandverschiebung nicht allmählich und in gleichem Tempo, sondern periodisch, ruckweise erfolgt ist. Man könnte glauben, in stationären Zeiten hätte sich die Brandung im Niveau des jeweiligen Meeresspiegels in den abgerundeten Korallenmantel der Berghöhen hineingenagt und so die horizontalen Streifen der Terrassen geschaffen. Was wir vor uns hatten, wären dann Brandungsterrassen, und der Leidener Geologe Professor K. Martin, der ähnliche Terrassen auf den benachbarten Uliassers beobachtet hat, bezeichnet sie auch als solche. Hiergegen aber spricht, daß die horizontalen Flächen der Terrassen stellenweise, wie ich besonders an der Ostküste von Hitu beobachtet habe, eine Breite von einem und selbst mehreren Kilometern haben. Unmöglich können wir annehmen, daß diese Flächen Denudationsflächen eines Riffmantels sind, denn dieser müßte dann selbst eine Dicke von mehreren Kilometern besitzen.

Ich fasse diese Bildungen vielmehr so auf, daß ich annehme, die Korallen bauten in einer stationären Periode horizontal ins Meer hinaus. Dauerte die Periode lange und war die betreffende Stelle für das Wachstum des Riffs günstig, so entstanden kilometerbreite Flächen. Zu andern Zeiten und an weniger günstigen Stellen entstanden bloß schmale Streifen. Die Stufen, die wir finden, sind demnach im wesentlichen Auflagerungsflächen und sind nicht durch Denudation aus einem ehemals soliden Mantel herausgemeißelt. Natürlich mag hie und da die Brandung mit geholfen haben, zu der Auflagerungs-fläche, durch Denudation der ansteigenden Küste, innen noch ein Stück hinzuzufügen; doch dürfen wir dieses Moment nicht überschätzen. Denn ein Strandriff hat zwar an seinem Außenrande eine gehörige Brandung; für die Küste selbst ist es aber ein vorzüglicher Wellenbrecher, und schwerlich wird die Brandung über ein breiteres Strandriff hinüber das Relief der Küste wesentlich beeinflussen.

Eine fast ebenso auffallende Erscheinung wie die terrassenförmige Stufung der gehobenen Riffe ist der Reichtum an größern und kleinern Höhlenbildungen, den man in allen Horizonten des fossilen Riffs antrifft. Bei Batu mera, ebenso an der Südküste von Leïtimor, sieht man kleine Höhlen im Kalkfelsen direkt über dem Niveau des Meeres. An der Ostküste von Hitu fand ich sie bei Suli und Tengga-tengga massenhaft in allen möglichen Höhen. Das Dorf Liang, malayisch Höhle, an der Nordostküste von Hitu trägt sicherlich seinen Namen von derartigen Höhlenbildungen. Auch an dem Südwestzipfel von Leïtimor fand ich eine kleine Höhlenbildung in etwa hundert Meter über dem Meere. Ich hatte gerade zu dieser Zeit eine interessante Arbeit von Johannes Walther: Die Adamsbrücke und die Korallenriffe der Palkstraße gelesen, in welcher dieser Forscher auf Grund seiner Studien der lebenden und fossilen Riffe am Roten Meer und bei Ceylon zu dem Resultat gelangt, erstens daß sich im lebenden Riff durch die Art und Weise des Korallenwachstums weitausgedehnte Lücken bilden, welche nie durch Kalksand ausgefüllt werden und als submarine Riffhöhlen persistieren; und zweitens, daß sich diese Höhlen in jungfossilen Riffen wiederfinden. Er spricht dann ferner noch die Vermutung aus, daß manche fossile Höhlen in Kalkgebirgen des Festlandes ursprüngliche Sedimentlücken sind, die den Lücken im wachsenden Korallenriff entsprechen und bei deren Entstehung die Auswaschung durch rinnendes Wasser nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat.

Als ich die kolossalen Mengen von kleineren und größeren Höhlen in den Riffen von Ambon sah, leuchtete mir die Richtigkeit dieser Anschauung im hohen Grade ein. Es wäre nun aber denkbar, daß diese kleinen Höhlen am Strande und an den Abhängen der Riffterrassen blos durch die Brandung herausgenagt werden, und wenn die Form der Erosion, die sich in solchen Bildungen äußert, auch auf eine verschiedenartige Festigkeit des Gesteins schließen ließe, zu deren Erklärung wir ebenfalls auf die Art des Wachstums des Riffs zurückgehen müssten, so würde doch das Auffinden größerer Höhlen, die sicher nicht durch die Brandung aus dem Felsen herausgenagt sind, den Beweis viel zwingender machen. Vergebens suchte ich selbst nach solchen tiefern Höhlen im fossilen Fels, war aber fest überzeugt, daß es so etwas auf Ambon geben müsse, und siehe da, durch eifriges Herumfragen erfuhr ich denn auch, daß das Gewünschte sowohl auf Leïtimor als auch im Nordosten auf Hitu an verschiedenen Stellen zu finden wäre.

Die schönste und bedeutendste dieser Höhlen befindet sich im Südosten der Stadt Ambon, etwa zwölf Kilometer von meinem Wohnort entfernt. Sie wird Liang Ikan, die Fischhöhle, genannt und befindet sich nahe der Quelle des Flüßchens Batu Gantong, der bei Wainitu ins Meer fällt. Zunächst folgt der Weg der Straße, die über das Gebirge hinüber nach der Südküste von Le'itimor führt, dann geht es auf schmalem Pfade durch schönen Wald und dichte Pflanzungen zur Höhle. Dieselbe liegt etwa 120 Meter über dem Meere. Die Felsen, die ihr breites Eingangstor übermauern, sind mit einer reichen Vegetationsdecke überzogen. Zunächst steigt man etwa 15 Schritte weit schräg in die Tiefe hinab, dann kommt man in einen horizontal verlaufenden gewölbten Gang mit nahezu parallelen Wänden und einer gewölbten Decke, deren Höhe zwischen 10 und 15 Metern schwankt. So geht es über einen Kilometer weit fort, der Boden ist natürlich nicht absolut horizontal, aber die Niveauschwankungen sind nur gering. Hin und wieder entsendet die Höhle schmale Seitenausläufer. Der Hauptgang hat einige Knickungen und Biegungen, allmählich verengert er sich und wird sowohl niedriger als schmäler. Von den Wänden hängen Tropfsteinbildungen herab; überall, wo das Wasser den Felsen nicht allzusehr verändert hat, ist die Korallenstruktur noch recht deutlich. Am Ende der Höhle soll sich eine Art Tümpel oder Teich befinden; ob derselbe Fische enthält, und sich hieraus der Name Liang Ikan erklärt, vermochten mir meine Begleiter nicht anzugeben. Das Ende der Höhle war überhaupt zur Zeit meines Besuchs infolge der großen Feuchtigkeit unzugänglich. Wasser schlägt überall durch den porösen Kalkstein durch, ein eigentlicher Wasserlauf findet sich aber, soweit ich gekommen bin, nicht, und in der ersten Hälfte der Höhle ist der Boden fast überall trocken.

Udin, der mich auf diesem Ausfluge nicht begleitete, teilte mir mit, daß sich ähnliche kleinere Höhlenbildungen noch sowohl auf Leïtimor, als auf Hitu vorfinden. Zu einem Besuch derselben fehlte es mir an Zeit, und bleibt eine genauere Untersuchung auch besser einem geschulten Geologen überlassen. Nach meiner Ansicht gestatten aber schon die mitgeteilten Tatsachen einen Rückschluß auf die Bildung der Korallenhöhlen von Ambon. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß die zahlreichen kleinen Höhlen aus dem soliden Fels durch die Brandung herausgenagt, die größeren aber durch die Tätigkeit des fließenden Wassers herausgewaschen sind. Daß das Innere einer Höhle im porösen Kalkstein immer feucht ist, versteht sich von selbst. Aber ein wirklicher Wasserlauf findet sich nicht in Liang Ikan. Zudem ist der Bau der Höhle sehr charakteristisch. Nicht selten sieht man im lebenden Riff parallele Mauern, welche gerade oder ab und zu gekrümmt fortlaufend durch einen Streifen tieferen Wassers getrennt sind. Sie sind meist nicht ganz kontinuierliche Bildungen, sondern werden ab und zu durch schmale Seitenkanäle unterbrochen. Wenn sich schließlich das Geäst dieser emporstrebenden Mauern oben gewölbeartig berührt, wird der Raum zwischen ihnen zu einer Höhle abgeschlossen werden, die in ihrem Bau vollkommen mit derjenigen von Liang Ikan übereinstimmen würde.

Von der Höhle aus begab ich mich nach der Quelle des Batu Gantong, die sich in einem sumpfigen, dicht mit Sagopalmen bestandenen Walde befindet. Über steile Korallenfelsen nimmt das Flüßchen dann weiter seinen Lauf dem Meere zu. In einiger Höhe über Tanalapan bildet es kleine Cascaden, und hier befindet sich die Stelle, der der Fluß seinen Namen, Batu Gantong, hängender Stein, verdankt. Von der 30 Meter hohen, fast senkrechten Felswand hängt ein mächtiger Felsblock grottenartig über; der Fluß windet sich um ihn herum und fällt dann wie ein Schleier in ein kleines Felsenbassin, das er mit seinem reinen, durchsichtigen Wasser erfüllt. Wo die steil überhängenden Felswände es gestatten, klammert sich die Vegetation an, Schlinggewächse überkleiden den Felsen, wo immer ein Felsenvorsprung Anhalt gewährt, strebt ein Baum empor. Dies war mein Badeplatz, wenn ich von meinen anstrengenden Kletterpartien heimkehrte, und das Wasser in dem Felsenbecken unter dem kleinen Fall war von einer Kühle, die mich bis ins Mark hinein erfrischte.

Durchschwimmt man in kräftigen Stößen den Fall, so gelangt man in eine kleine Grotte, in welcher man durch den Wasserfall von der übrigen Welt abgeschlossen ist.

S. 539:

Von Ambon nach Banda. Heimreise durch Indien

Meine Zeit in Ambon war abgelaufen. Der Februar näherte sich seinem Ende, am 26. wurde der Dampfer Both erwartet, auf dem ich die Banda-Inseln besuchen und dann meine Heimreise antreten wollte. Am 25. war der Haupttag des chinesischen Neujahrsfestes, malayisch taün baru tjina, welches acht Tage dauert. Am Nachmittag war teng-teng, das heißt große Ausfahrt der Chinesenkinder, die bei dieser Gelegenheit großartig ausgeputzt in phantastisch geschmückten Wagen von Kulis spazieren gefahren wurden. Abends waren alle Chinesenhäuser erleuchtet und die jungen Burschen von Ambon zogen von Haus zu Haus und tanzten in scherzhaften Verkleidungen einen komischen Tanz, den sie als tjekiba bezeichnen. Auch vor mein Haus kamen sie in später Nacht und fragten mich, ob ich ihren Tanz wohl mit ansehen möchte. Ich erwartete etwas Interessantes, Nationales zu sehen, erblickte aber statt dessen acht Paar dunkelhäutige Menschen, von denen die großen und bärtigen Individuen sich in Galauniformen europäischer Generale und Admirale gesteckt hatten, die kleineren, bartlosen trugen weiße Ballkleider und sahen von weitem wie elegante Damen aus. Nähere Betrachtung aber belehrte, daß sie nichts anderes waren als echt ambo-nesische Tunichtguts, die die Frauenrolle übernommen hatten, weil kein Mädchen bei der tjekiba mittanzen will. Der Tanz ist eine verstümmelte Française, zu der das Kommando in einem vollkommen ambonisierten Französisch gegeben wird. Zum Schluß begleiteten sie ihren Reigen mit Händeklatschen und sangen das ambonesische Lieblingslied, das man damals, gleich einem neapolitanischen Piedigrottalied, überall in der Stadt hören konnte, wohin man kam.

Woher diese Melodie stammt, weiß ich nicht, jedenfalls ist sie europäischen, vielleicht portugiesischen oder spanischen Ursprungs. Daß sie nicht in Ambon gewachsen ist, erscheint mir sicher.

Dari Ambon menjabrang Banda,

Kali hatang gunong api,

Siser rambut, menimbang badang,

Liat di mata, sedap di hati.

Von Ambon nach Banda zieh hin übers Meer,

Schaue den Fluß und den Feuerberg hehr.

Blinkend dein Leib und geglättet dein Haar.

Frohsinn im Herzen, die Augen klar.

Das war denn auch für mich eine Mahnung, von dem herrlichen Ambon Abschied zu nehmen und, nachdem ich Banda gesehen und seinen Feuerberg und noch einmal die Augen weit aufgemacht hatte, fröhlichen Herzens meinen Rückweg in die Heimat anzutreten.

Am 26. Februar kam der Both nach Ambon, und am Nachmittag des 27. verließ ich auf ihm die wunderbare Insel, auf der ich zwei der genußreichsten Monate meiner Reise verlebt und schöne wissenschaftliche Erfolge gehabt hatte.

Omsbak puti, ombak datang dari laut, Kipas lenço puti, tana Ambon suda djaü.

Weiß ist die Woge der brandenden See, Weiß ist das Tuch, das mir winkt, da ich geh, Fern schon ist Ambon, der Abschied tut weh.

Am Morgen des nächsten Tages langten wir im Bandaarchipel an, und der Both ging in dem kleinen Becken zwischen Gunong Api und Neira, dicht unter dem alten portugiesischen Fort Belgica, vor Anker. Hinter Neira erhebt sich das höhere Lonthor (oder Groß-Banda), dessen Bergwände einen Halbkreis bilden. Während die Inseln Neira und Lonthor von einer dichten immergrünen Vegetation bedeckt sind, besteht die Insel Gunong Api im wesentlichen aus einem nackten, 650 Meter hohen Vulkankegel, dessen Spitze eine Rauchwolke umlagert. Dieser Vulkan ist immerfort tätig und gefährdet fort und fort die fruchtbaren Nachbarinseln durch Eruptionen, die mit heftigen Erdstößen und Seebeben verbunden zu sein pflegen. Die furchtbarsten Ausbrüche fanden in den Jahren 1690 und 1852 statt. Bei der Eruption im Jahre 1690 stieg das Meer 25 Meter über die höchste Flutmarke und richtete ungeheuere Verwüstungen an den Küsten von Neira und Lonthor an.

Als unser Schiff in den kleinen Meerteil zwischen Gunong Api, Kraka und Neira einfuhr, hatte ich den deutlichen Eindruck, daß der kleine vom Meere ausgefüllte Kessel nichts anderes als der Krater eines größeren Vulkans sei, dessen derzeit durchbrochene Wände von dem Ring der eben genannten Inseln gebildet werden. An einer Stelle der Wand dieses Kraters hat sich der Gunong Api als neuerer Eruptionskegel erhoben, die vulkanischen Kräfte wirken aber noch jetzt im ganzen, vom Meer ausgefüllten, größeren Kraterkessel fort, denn ich beobachtete vulkanische Tätigkeit sowohl an der Nordwestküste von Neira als an der gegenüberliegenden von Gunong Api. Blasen steigen hier intermittierend an vielen Stellen des mit Felsblöcken bedeckten Meeresbodens auf. Der Anblick erinnert im hohen Grade an die submarinen heißen Quellen bei Tulehu auf Ambon. Ob es heiße Quellen sind, die vom Meeresboden entspringen, oder auch blos heiße Dämpfe, die die Blasenbildung bedingen, vermochte ich nicht festzustellen. Jedenfalls schlummert der große Krater zwischen Gunong Api, Neira und Kraka nicht vollständig. Die kesselförmige Gestalt des Meeres zwischen den drei Inseln war zur Zeit meiner Anwesenheit dort viel deutlicher, als sie aus der umstehenden Kartenskizze zu ersehen ist, einer Kopie aus dem Reisewerke der Challenger-Expedition. Offenbar hat sich seit der Zeit, aus der die Aufnahmen des Challenger stammen, die Konfiguration der Küste von Gunong Api etwas verändert. Eine eigene Kartenzeichnung, die ich dort entwarf, wage ich aber nicht vorzulegen, weil sie bloß auf Augenmaß, nicht auf genauen Peilungen und Messungen beruht.

Um den ringförmigen Kraterwall, der durch die Inseln Gunong Api, Kraka und Neira repräsentiert wird, schlingt sich nun etwas excentrisch ein zweiter größerer Kraterwall, der noch unvollständiger ist, als der innere, und in der Hauptsache durch die Insel Lonthor repräsentiert wird. Dieselbe bildet zusammen mit den Inseln Pisang und Kapal einen Halbkreis im Süden und Osten um die inneren Inseln herum; die nördliche und westliche Seite dieses mächtigen Vulkangebildes ist verschwunden. Vielleicht hat allerdings die Insel Waii, die in der Verlängerung der Westküste von Lonthor liegt, mit zu diesem Ring gehört, dann würde die Form desselben keine runde, sondern eine elliptische gewesen sein. Diese Konfiguration der vulkanischen Banda-Inseln erinnert in frappanter Weise an die Inselgruppe von Santorin, die südlichste der griechischen Cycladen. Auch dort bilden Santorin zusammen mit Therasia und Aspronisi den Gürtel eines äußeren Kraterwalles von elliptischer Form, in dessen Innerem sich später Palaea-Kaimeni, Mikra-Kaimeni und Nea-Kaimeni erhoben.

Die prachtvolle Vegetation, die die Inseln Neira und Lonthor bedeckt und die einen dichten Urwald vorzaubert, enthüllt sich beim Betreten als eine unübersehbare Fülle von Muskatnußparks. Seit Hunderten von Jahren hat man hier diese Anpflanzungen unter dem Schatten der hohen Kanariabäume angelegt, hat den Boden geebnet, das Unterholz weggeräumt und so eine Parkanlage geschaffen, die an Nützlichkeit, Schönheit und Ausdehnung nicht ihresgleichen hat. Zur Zeit des Monopols durften Muskatnüsse in Niederländisch-Indien einzig und allein auf den Inseln des Bandaarchipels, Lonthor, Neira, Rhun, Waii (Aii) und Rozengain angepflanzt werden. Hongiefahrten, wie an den Amboninseln, waren wegen der isolierten Lage des Bandaarchipels nicht nötig.

Die Fauna von Banda ist, wie man dies bei der Kleinheit der Insel und ihrer isolierten Lage nicht anders erwarten kann, arm. Von Säugetieren kommt außer Fledermäusen nur Phalanger maculatus vor. Es ist nicht nötig anzunehmen, daß derselbe durch Menschen eingeführt worden ist, denn wie ich schon an verschiedenen Stellen dargelegt habe, wird die Gattung Phalanger besonders leicht durch Treibholz verschleppt und ist so über den ganzen Archipel bis einschließlich Celebes verbreitet worden. Zwei der Insel eigentümliche Fruchttauben kommen vor, von denen die schöne große Carpophaga concinna eine große Liebhaberin der Muskatnüsse ist. Sie verschlingt dieselben des roten Fleisches, der sogenannten Muskatblüte, wegen, während sie den Kern unverdaut von sich gibt und so zur Verbreitung des Baumes beiträgt.

Eine wirklich eingeborene Bevölkerung gibt es nicht auf Banda, Zuerst wurden die Inseln im Jahre 1512 von den Portugiesen in Besitz genommen. 1609 wurden sie von den Holländern erobert, die keine Schwierigkeiten hatten, sie ihren europäischen Rivalen abzunehmen, aber bald in blutige Kämpfe mit den kriegerischen Eingeborenen verwickelt wurden. Mehrfach überrumpelt und empfindlich geschlagen, vermochten die Holländer erst in den Jahren 1621—27 ihrer tapferen Gegner völlig Herr zu werden. Was nicht im Kampfe gefallen war, wurde zu Sklaven gemacht und von der Insel weg nach Java geschleppt. Die jetzige Einwohnerschaft des Archipels besteht aus einer Bevölkerung, die von den Holländern zur Bearbeitung der Pflanzungen aus verschiedenen Teilen ihrer Besitzungen importiert wurde, und als eine Mischung von Malayen, Alfuren, Papuas und Europäern zu betrachten ist. Sie sind Christen und bewohnen jetzt als freie Leute das Land, das seit dem Jahre 1873 von dem Drucke des Monopols befreit worden ist.

Ich fischte an der Küste von Neira in dem Wasser, welches von einer außerordentlichen Reinheit und Durchsichtigkeit ist, mit dem feinen Netz und fand hier eine reiche Fauna von pelagischen Tieren. Die Felsen des Strandes fallen steil in das Meer hinab und zeigen nur eine geringe Bedeckung mit Korallen. Die Durchsichtigkeit des Wassers ist so groß, wie ich sie kaum jemals wieder gesehen habe; in großen Tiefen vermag man noch deutlich alle Details des Grundes zu erkennen. Die Fischer von Banda sagten mir, daß auch hier zur Zeit des Südostpassats Nautilus häufig gefangen würde.

Als die Nacht hereinbrach, leuchteten die Kämme der kleinen Wellen, die sich an den Felsen brachen, in wunderbar phosphoreszierendem Lichte. Die Hand, die man durchs Wasser zog, das ins Meer getauchte Ruder ließ Tausende leuchtender Lichtpunkte aufblitzen. Meerleuchten herrlichster Art sieht man natürlich sehr oft in den tropischen Meeren. Ich habe aber darauf verzichtet, das Phänomen näher zu beschreiben, weil dies schon in hundert Reisebeschreibungen geschehen ist, und es schwer wäre, etwas Neues darüber zu sagen. Hier in Banda allerdings wäre das doch möglich gewesen, wenn ich nicht im Februar, sondern im Juni, August oder September dorthin gekommen wäre. In diesen Monaten soll nämlich das Meer zwischen Banda und Ost-Ceram die Erscheinung des Meerleuchtens in ausgesuchter Weise zeigen, und die sogenannte »weiße See« bei Banda ist schon seit altersher berühmt. Die Erscheinung tritt regelmäßig und periodisch auf, im Juni ist sie schwächer und wird als kleines weißes Wasser, im August und September ist sie stärker und wird dann als großes weißes Wasser bezeichnet. Zweifellos muß es das Auftreten einer besonderen stark leuchtenden und sehr zahlreichen Gruppe von Lebewesen sein, das diese auffallende lokale Erscheinung hervorruft. Bis ein Naturforscher einmal zur rechten Zeit nach Banda kommt und den Erzeuger des Lichts, wahrscheinlich einen einzelligen Organismus, genauer studiert, läßt sich ein Urteil nicht abgeben.

Am nächsten Morgen besuchte ich den Markt oder Pasar von Banda, auf welchem auffallend viele Araber Verkaufsstellen haben. Dann machte ich mit meinem einzigen Mitpassagier an Bord des Both, Herrn C. Drießen, einen weiten Spaziergang durch die herrlichen Muskatnußparks von Neira. Am Abend dieses Tages, am 1. März lichtete der Both die Anker, und ich trat nun im vollen Ernste meine Rückreise in die Heimat an und betrachtete von nun an meine wissenschaftliche Arbeit als beendigt. Die nächsten Monate war ich bloß noch Tourist, der sich nach getaner Arbeit schauend und genießend erholte und Kräfte für neue Aufgaben, die wissenschaftliche Ausarbeitung der Reiseergebnisse, sammelte. Nur pelagischen Auftrieb oder Plankton fischte ich auch fernerhin mit dem feinen Netz in den verschiedenen Meeresteilen, die ich noch berührte.