Zwangsarbeiter aus Belgien - 15


Kardinal Mercier und sein Widerstand gegen die Deportationen 2

Korrespondenz zwischen Kardinal Mercier und den deutschen Kommandanten


 

Quelle: http://www.zum.de/psm/1wk/ww1/mercier10.php; Übersetzung: H.-P. Grumpe

 

In seinem Schreiben vom 26. Oktober an Kardinal Mercier bemühte sich der Generalgouverneur, die in Belgien getroffenen Maßnahmen unter Rückgriff auf alle möglichen Arten von Spitzfindigkeiten und Ausreden zu rechtfertigen: die Situation ist nicht mehr dieselbe wie vor zwei Jahren; Frankreich und England sind verantwortlich für die Deportation der belgischen Arbeiter; die Deportation der "Arbeitslosen" wird durch soziale und wirtschaftliche Abwägungen veranlasst und beweist das Interesse, das wir für diese Arbeiter empfinden; außerdem ist es England, das durch seine Isolationspolitik die aktuelle Notwendigkeit der Deportationen veranlasst, etc. etc.
Kardinal Mercier glaubte, sich nicht erlauben zu können, die falschen Behauptungen und Verleumdungen über belgische Arbeiter, die der oben erwähnte Brief enthielt, unbeantwortet zu lassen. Deshalb schrieb er den folgenden Brief an Baron von Bissing am 10. November 1916. 

 

Zweiter Brief Seiner Eminenz, Kardinal Mercier, an den Generalgouverneur von Bissing
Erzdiözese Malines
Malines, 10. November 1916

 

Mein Herr,
ich halte mich zurück, Eurer Exzellenz die Gefühle, die Sie durch Ihr Schreiben - als Antwort auf den Brief, welchen ich die Ehre hatte, am 19. Oktober wegen der Deportation der "Arbeitslosen" an Sie zu richten - in mir geweckt haben.
Ich habe eine melancholische Erinnerung an die Worte, die Exzellenz in meiner Gegenwart bei seiner Ankunft in Brüssel sprachen und dabei jede Silbe betonten: "Ich hoffe, dass unsere Beziehungen loyal sein werden ... Ich habe den Auftrag, die Wunden Belgiens zu verbinden."
Mein Brief vom 19. Oktober erinnerte Eure Exzellenz an das Versprechen von Baron von Huene, Militärgouverneur von Antwerpen, das einige Tage später von Freiherr von der Goltz, Ihrem Vorgänger als Generalgouverneur in Brüssel, bestätigt wurde.

Das Versprechen war eindeutig, uneingeschränkt und ohne zeitliche Begrenzung: "Junge Männer brauchen keine Angst zu haben, nach Deutschland geschickt zu werden, um dort in die Armee verpflichtet oder zur Zwangsarbeit eingesetzt zu werden." Dieses Versprechen wurde während der letzten vierzehn Tage mehrere tausend Mal täglich verletzt.
Baron von Huene und später Baron von der Goltz machten keine solchen Bedingungen, wie Sie in Ihren Ausführungen vom 26. Oktober behaupten: "Wenn die Besetzung nicht länger als zwei Jahre dauert, werden Männer im wehrfähigen Alter nicht in Gefangenschaft geschickt werden." Sie erklärten vorbehaltlos, dass "junge Männer, und mehr noch, Männer, die ein reifes Alter erreicht haben, weder eingesperrt noch zur Zwangsarbeit herangezogen werden, zu jeder Zeit während der Besatzung."

Um sich zu rechtfertigen, führen Exzellenz das Verhalten Englands und Frankreichs an, die, Eure Exzellenz bestätigen es, alle Deutschen im Alter zwischen siebzehn und fünfzig von neutralen Schiffen verschleppt und in Konzentrationslagern interniert haben."

Wenn England und Frankreich eine Ungerechtigkeit begangen haben, sollten Sie Ihre Vergeltung an die Engländer und Franzosen richten und nicht an ein harmloses und entwaffnetes Volk. Aber gab es eine Ungerechtigkeit? Wir sind schlecht informiert über das, was außerhalb der Mauern unseres Gefängnisses passiert, aber wir sind sehr versucht zu glauben, dass die Deutschen festnehmen und internieren, um Reservekräfte für die kaiserliche Armee zu bekommen. Es waren somit Soldaten, die England und Frankreich berechtigten, sie in die Konzentrationslager zu schicken. Erst seit August 1913 hat Belgien die allgemeine Wehrpflicht für alle ihre Bürger eingeführt.

Belgier im Alter zwischen siebzehn und 50 Jahren, jetzt wohnhaft im besetzten Teil Belgiens, sind damit Zivilisten und Nicht-Kombattanten. Es ist ein Spiel mit Worten, sie mit deutschen Reservisten mit der mehrdeutigen Phrase zu vergleichen: "wehrpflichtige Männer."
Die Befehle, Mitteilungen und Pressekommentare, die dazu bestimmt waren, die öffentliche Meinung vorzubereiten für die Maßnahmen, die nun zur Ausführung gebracht werden, stützten sich hauptsächlich auf zwei Punkte: Die "Arbeitslosen", das wurde bekräftigt, sind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ein Kostenfaktor für die öffentliche Wohlfahrt.
Wie bereits in meinem Brief vom 19. Oktober erwähnt, ist es nicht wahr, dass unsere Arbeiter die öffentlichen Ordnung gestört oder sogar irgendjemanden bedroht haben. Fünf Millionen Belgier und Hunderte Millionen von Amerikanern sind erstaunte Zeugen der Würde und unerschütterlichen Geduld unserer Arbeiterklasse.

Es ist nicht wahr, dass unsere "Arbeitslosen" eine Belastung sind, weder für die Besatzungsmacht noch für die Wohltätigkeit, die ihre Verwaltung zur Verfügung stellt. Das Nationalkomitee, in dem die Besatzungsmacht sich nicht beteiligt, ist der einzige Anbieter von Unterstützung für die unschuldigen Opfer von "Zwangs-Arbeitslosigkeit".
Diese beiden Aussagen, bereits in meinem vorigen Schreiben vorgebracht, sind unbeantwortet geblieben.
Ihr Schreiben vom 26. Oktober versucht eine andere Methode der Rechtfertigung. Es behauptet, dass die Maßnahmen gegen die "Arbeitslosen" aus "sozialen" und "wirtschaftlichen" Gründen notwendig wurden. Weil es eine wärmere und intelligentere Zuwendung an die Interessen der belgischen Nation bedeutet, als wenn wir, die Deutsche Regierung, den Arbeiter vor Müßiggang retten und den Verlust seiner technischen Begabung verhindern. Zwangsarbeit ist der Gegenwert des wirtschaftlichen Nutzens, den wir aus unseren Handelsbeziehungen mit dem Empire ziehen.
Wenn Belgien schließlich irgendwelche Beschwerden hat im Hinblick auf seinen Zustand, sollten sie an England, den Hauptschuldigen, gerichtet werden. "England ist es, das durch seine Politik der Isolation dieses Elend hervorgerufen hat."
Ein paar kurze und offene Erklärungen werden genügen, diese Ausführungen zu beantworten, was im Originalbrief unsicher und kompliziert ist. Jeder belgische Arbeiter wird einen deutschen Arbeiter freistellen, der dann ein Soldat mehr für die deutsche Armee sein wird. Dort, in all seiner Einfachheit, liegt die dominierende Tatsache der Situation. Der Schreiber des Briefes selbst würdigt diese wesentliche Tatsache, denn er sagt: "Die Maßnahme hat genau gesagt überhaupt nichts mit dem Krieg zu tun." Sie hat also eine gewisse Verbindung mit dem Krieg "nicht genau gesagt", und was bedeutet das anderes außer dass der belgische Arbeiter nicht wirklich Waffen trägt, aber einen deutschen Arbeiter ersetzt, der sie trägt? Der belgische Arbeiter wird gezwungen, zu kooperieren, indirekt aber offenbar im Krieg gegen sein eigenes Land. Dies ist in offenkundigem Widerspruch zum Geist der Haager Konvention.
Noch einmal, das Fehlen von "Beschäftigung" ist nicht vom belgischen Arbeiter oder England verursacht worden; es ist die Auswirkung des deutschen Besatzungsregimes.

Die Besatzungsmacht hat sich große Mengen von Rohstoffen, die für unsere nationalen Industrien bestimmt waren, angeeignet. Es wurden Maschinen, Werkzeuge und Metall aus unseren Fabriken und Werkstätten beschlagnahmt und nach Deutschland geschickt. Da die nationale Industrie somit zerstört ist, wird der Arbeiter mit der Alternative konfrontiert, entweder für das Deutsche Reich - hier oder in Deutschland - zu arbeiten oder unbeschäftigt zu bleiben.
Zum Bedauern der Mehrzahl haben einige zehntausende Arbeiter unter dem Druck von Angst oder Hunger Arbeit für die ausländischen Regierung übernommen. Aber vierhunderttausend Arbeiter und Arbeiterinnen zogen "Arbeitslosigkeit" vor, mit seinen Entbehrungen, zum Verrat an den Interessen ihrer Heimat, und diese leben in Armut und Abhängigkeit von der dürftigen Unterstützung durch das Nationale Unterstützungskomittee, das von Gesandten aus Spanien, Amerika und Holland kontrolliert wird. Ruhig und verdienstvoll tragen sie ihr hartes Los ohne Murren. Nirgendwo gab es einen Aufstand oder einen Anschein einer Revolte. Arbeitgeber und Arbeiter erwarten mutig das Ende ihrer langen Prüfung.

Die öffentlichen Verwaltungen und private Personen versuchen, die unbestreitbaren Übel der "Arbeitslosigkeit" zu verringern, aber die Besatzungsmacht lähmt ihre Bemühungen. Das Nationalkomitee versucht, technischen Unterricht für die "Arbeitslosen" zu organisieren. Dieser praktische Unterricht, unter Wahrung der Würde unserer Arbeiter, diente von Beginn an dazu, ihre Fähigkeiten zu erhalten und zu steigern und sie auf ihre Rolle beim Wiederaufbau ihres Landes vorzubereiten. Wer lehnte diese großzügige Entwicklung ab, nachdem die Pläne von unseren Industrieführern ausgearbeitet worden waren? Die Besatzungsmacht. Dennoch bemühten sich die Gemeinden, Arbeiten von öffentlichem Nutzen durch die "Arbeitslosen" ausführen zu lassen. Der Generalgouverneur machte diese Arbeiten abhängig von einer behördlichen Genehmigung, die dann in der Regel abgelehnt wurde. Die Fälle sind, ich bin sicher, nicht selten, in denen die Regierung Arbeiten dieser Art bewilligten unter der ausdrücklichen Bedingung, dass keine "Arbeitslosen" beauftragt würden.

"Arbeitslosigkeit" wurde daher gewünscht. Eine Armee von "Arbeitslosen" wurde rekrutiert. Und angesichts dieser Tatsachen können sie es wagen, unsere Arbeiter mit dem beleidigenden Begriff "Faulenzer (Müßiggänger)" zu bezeichnen. Nein, der belgische Arbeiter ist kein Faulenzer. Er widmet sich seiner Arbeit hingebungsvoll. Dies hat er in den edlen Kämpfen des wirtschaftlichen Lebens bewiesen. Als er die hoch bezahlte Arbeit, die ihm die Besatzungsmacht bot, verschmähte, wurde er von patriotischer Würde angetrieben. Als Hirte unseres Volkes teilen wir inniger als je zuvor ihre Sorgen und Nöte, und wir wissen, was es zeitweise gekostet hat, Unabhängigkeit in Entbehrung dem Komfort in Abhängigkeit vorzuziehen. Werft keinen Stein auf dieses Volk. Es hat Anspruch auf Euren Respekt.
In Ihrem Schreiben vom 26. Oktober heißt es, dass England in erster Linie für die "Arbeitslosigkeit" der Arbeiter verantwortlich ist, weil es nicht erlaubt, dass Rohstoffe nach Belgien gelangen.
England ermöglicht es großzügig, dass Lebensmittel nach Belgien unter der Kontrolle von neutralen Ländern - Spanien, den USA und Holland - kommen. Es würde sicherlich die Einfuhr von Rohstoffen unter der gleichen Kontrolle erlauben, wenn Deutschland sich verpflichten würde, sie uns zu lassen und die Produkte unserer Industriearbeit nicht an sich zu reißen.

Aber Deutschland schluckt mit unterschiedlichen Methoden (vor allem durch die Organisation seiner Zentral-Stellen, in denen weder die Belgier noch neutrale Beamte eine wirkliche Kontrolle ausüben können) einen großen Teil der Produkte unserer Landwirtschaft und Industrieanlagen. Es ergibt sich somit eine beunruhigende Zunahme der Lebenshaltungskosten, was erhebliche Entbehrungen für diejenigen verursacht, die keine Ersparnisse haben. Die "Interessengemeinschaft", deren großer Wert für uns in Ihrem Schreiben gelobt wird, ist kein normales Gleichgewicht von Handelsbeziehungen, sondern die Dominanz der Starken über das Wohl der Allgemeinheit. Sie nicht, ich bitte Sie, stellen diesen Zustand der Unterlegenheit, auf die wir als ein Privileg, das für unser Feind gezwungen Arbeit rechtfertigen würde, und die Deportation von Legionen von unschuldigen Menschen ins Exil reduziert. Sklaverei und Deportation, die härteste Strafe im Gesetzbuch nach dem Tod - hat Belgien, die nie haben Sie etwas Böses, verdient, von Ihnen diese Behandlung, die in den Himmel nach Rache ruft?
Vertreten Sie nicht, ich bitte Sie, diesen Zustand der Minderwertigkeit, zu dem wir herabgesetzt worden sind, als Sonderrecht, welches Zwangsarbeit für unseren Feind und die Deportation von Legionen unschuldiger Menschen ins Exil legitimieren soll.
Sklaverei und Deportation, die härteste Strafe im Gesetzbuch nach dem Tod - hat Belgien, das Ihnen nie etwas Böses angetan hat, von Ihnen diese Behandlung verdient, die himmelschreiend nach Rache ruft?
Mein Herr, am Anfang meines Briefes erinnerte ich mich an die edle Äußerung Eurer Exzellenz: "Ich bin nach Belgien mit dem Auftrag gekommen, die Wunden Ihres Landes zu verbinden".
Wenn Eure Exzellenz, wie unsere Priester, die Häuser unserer Arbeiter besuchen und die Klagen der Frauen und Mütter, für die Ihre Verordnungen Trauer und Angst bedeuten, hören würden, könnten Sie besser verstehen, wie weit aufgerissen die Wunden des belgischen Volkes sind.

Vor zwei Jahren, sagen die Leute, standen wir vor Tod, Plünderung und Feuersbrunst, aber es war Krieg. Heute ist es nicht mehr der Krieg, es ist kalte Berechnung, geplante Vernichtung, der Sieg der Macht über das Recht, die Erniedrigung der menschlichen Natur, eine Missachtung der Menschlichkeit.
Es liegt in der Macht Eurer Exzellenz, diese Aufschreie der empörten Gewissen zu ersticken. Möge Gott, den wir mit der ganzen Begeisterung unserer Seele im Namen unserer unterdrückten Menschen rufen, in Ihnen das Mitleid des Guten Samariters erwecken!

Ihr sehr respektvoller
(signiert) D. J. Kardinal Mercier
Erzbischof von Malines

Seine Exzellenz, Baron von Bissing
Generalgouverneur, Brüssel.


 

Am 23. November schickte Generalgouverneur von Bissing Seiner Eminenz, Kardinal Mercier, die folgende Antwort:

Generalgouverneur von Bissings Antwort
auf den zweiten Brief Seiner Eminenz, Kardinal Mercier
Der Generalgouverneur von Belgien, P.A.I. 11254
Brüssel, den 23. November 1916

 

Eure Eminenz,
Ich habe die Ehre, den Empfang des Schreibens Eurer Eminenz vom 10. d. M. zu bestätigen als auch das handschriftliche Schreiben vom 15. d. M. hinsichtlich der Verzögerung der Zustellung. Ich möchte wie folgt antworten.
Am 19. Oktober dieses Jahres schickte Eminenz mir eine Petition mit der Auffassung, einen Stopp der Beschäftigung untätiger Belgischer Arbeiter in Deutschland veranlassen zu müssen.
In meiner Antwort vom 28. Oktober, in der ich die Sicht, die Sie einnehmen, wertschätzte, erklärte ich die Gründe und die Überlegungen, die die Besatzungsmacht dazu zwang, bestimmte Schritte im Zusammenhang mit der Arbeiterfrage vorzunehmen.
Diese Maßnahmen waren nicht das Ergebnis einer willkürlichen Entscheidung oder einer unzureichenden Untersuchung des schwierigen Problems, wurden aber nach einer eingehenden Prüfung der Umstände und angesichts der Notwendigkeit, die als unvermeidbar anerkannt werden muss, angewendet. In Bezug auf die allgemeinen Aspekte der Frage fühle ich mich verpflichtet, Eure Eminenz auf Fehlinterpretationen meiner Aussagen hinzuweisen, oder sie sind das Ergebnis von Vorstellungen, die ich im Wesentlichen nicht billigen kann.
"Arbeitslosigkeit", die ein erhebliches Maß in Belgien erreicht hat, ist eine große soziale Wunde, während es ein sozialer Gewinn für die belgischen Arbeitnehmer ist, sie in Deutschland arbeiten zu lassen. Es stimmt, dass ich bei meiner Ankunft in Belgien Eurer Eminenz sagte, ich wünschte, die Wunden, die der Krieg beim belgischen Volk verursacht hatte, zu heilen; aber die Maßnahmen, die jetzt ergriffen wurden, stehen nicht im Widerspruch zu meinen Worten. Ich darf auch sagen, dass Eure Eminenz Fakten falsch interpretieren, wenn Sie versuchen, meine oft erfolgreichen Bemühungen, das Wirtschaftsleben in Belgien wiederherzustellen, mit der Bemerkung ignorieren, dass damit eine künstliche "Arbeitslosigkeit" geschaffen worden ist.

England hat unzumutbare Bedingungen für die Einfuhr von Rohstoffen in Belgien und den Export von Fertigwaren eingeführt. Während des Krieges waren diese Fragen Gegenstand ernsthafter Verhandlungen mit fachkundigen Personen sowohl belgischer Nationalität als auch neutraler Staaten, aber es wäre zu langwierig, sie hier zu erklären. Ich kann nur wiederholen, dass, in der letzten Analyse, die beklagenswerten Bedingungen ein Ergebnis von Englands Isolationspolitik sind, ebenso wie die Requirierung von Rohstoffen eine unvermeidliche Folge der gleichen Politik war. Ich muss auch unbedingt aufrecht erhalten, dass, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus, die Besatzungsmacht Belgien alle Vorteile garantiert, die sie angesichts der von England ausgeübten Einschränkung gewährleisten kann.

Die Durchführung der Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den "Arbeitslosen" unternommen wurden, hat meiner Regierung viele Schwierigkeiten verursacht, was wiederum Härten für die Bevölkerung zur Folge hatte. All diese Schwierigkeiten hätten vermieden werden können, wenn die Kommunalverwaltungen korrekt mit uns bei der Ausführung der vorgeschlagenen Maßnahmen zusammengearbeitet hätten, es wäre einfacher und besser gewesen. (etwas freie Übersetzung)
Unter den bestehenden Bedingungen ist es notwendig gewesen, die Maßnahmen auf einen größeren Kreis auszuweiten, um in diesem Rahmen eine größere Anzahl von Personen hineinzubringen. Jede mögliche Vorsichtsmaßnahme wurde jedoch ergriffen, um die Fehlerzahl zu verringern. Klar bestimmte Kategorien von Personen, bestimmt durch ihren Beruf, sind von der Pflicht befreit, selbst erscheinen zu müssen, und individuelle Beschwerden werden sofort untersucht oder zur weiteren Untersuchung aufgeschoben.

Eure Eminenz wird aus den obigen Ausführungen erkennen, dass es unmöglich ist, Ihren Wunsch auf Aufhebung der Maßnahmen, die getroffen worden sind, zu bewilligen, aber dass in der Anwendung dieser Maßnahmen nichts unversucht gelassen wird, was im öffentlichen Interesse möglich ist, trotz der aufgetretenen Schwierigkeiten.
 

Hochachtungsvoll
(signiert) Frh. von Bissing
Generalleutnant

Seine Eminenz, Kardinal Mercier,
Erzbischof von Malines, Malines.


 

Trotz der zahlreichen Proteste und Petitionen bürgerlicher Kräfte in Belgien, trotz des Aufrufs der belgischen Bischöfe an die öffentliche Meinung, trotz der starken Protestschreiben von Kardinal Mercier an die deutschen Behörden setzte der Feind die Deportationen im Widerspruch zu allen Rechten und Verträgen fort. Der unerschrockene Kardinal von Malines verbrachte drei Tage mit tröstenden Besuchen bei Familien, die in die Tiefen des physischen und moralischen Elends durch die schändlichen Maßnahmen eines Feindes, ohne jedes Gefühl von Mitleid und Menschlichkeit, herabgemindert worden waren. Nicht mehr in der Lage, die Empörung, hervorgerufen von so viel Leid und so viel Ungerechtigkeit, zurückzuhalten, beschloss Seine Eminenz, öffentlich die Verletzung der Rechte der Arbeiter anzugreifen, um diese Ungerechtigkeit zu verkünden, die "auf Gewalt beruhend nichtsdestotrotz Ungerechtigkeit bleibt", um die tiefe Trauer der Bischöfe über die Leiden ihrer Herden zu erklären und seine Landsleute zu drängen, in Geduld und Würde den Frieden mit Sieg abwarten.
Am 26. November 1916 hielt der Kardinal die folgende Predigt in der Kirche von St. Gudula in Brüssel anlässlich der Messe zu Ehren Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe für die Deportierten und ihre Familien:

Für diejenigen in Gefangenschaft

"Ihr werdet meine Jünger sein, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." - Joh. VIII. 32-33

Meine lieben Brüder:
Die vier oder fünf Wochen, die gerade vergegangen sind, sind wohl die unglücklichsten meines Lebens und die herzzerreißendsten meiner bischöflichen Dienstzeit. Die Väter und Mütter, die sich um diese Kanzel versammelt haben, werden mich verstehen.
Das Amt des Bischofs ist eine geistliche Vaterschaft. Paulus nannte es sogar eine Mutterschaft, als er an die Galater schrieb: "Meine Kinder, euretwegen erleide ich wieder Geburtswehen, bis Christus in euch Gestalt gewinnt". (Galater IV, 19)
Jetzt habe ich Hunderte meiner Herde in Gefahr und in Trauer gesehen. Drei Tage lang, am vergangenen Sonntag, Montag, Dienstag, morgens und abends, bin ich durch die Teile des Landes gereist, von wo aus die ersten Tagelöhner und Arbeiter meines Bistums zwangsweise in die Verbannung transportiert worden sind. In Wavre, Court-Saint-Etienne, Nivelles, Tubize, Braine-l'Alleud, betrat ich mehr als hundert Häuser, die jetzt halb leer stehen. Der Mann war weg, die Kinder wurden zu Waisen, die Schwestern saßen an ihren Nähmaschinen, mit verstörten Augen und Händen, die arbeitsunfähig waren. Ein düsteres Schweigen herrschte in jeder Hütte. Man hätte glauben können, dass in ihnen ein Toter lag.

Aber kaum konnten wir ein freundliches Wort der Mutter sagen, bevor die Schluchzer ausbrachen, und mit ihnen Worte der Trauer und Wut und großartige Ausbrüche von Stolz. Die Erinnerung an diese herzzerreißenden Szenen wird mich nie verlassen.
Ich wäre gerne nach Antwerpen, Tirlemont, Aerschot, Diest geeilt, wo ich vielleicht das Gleiche wiederholt gefunden hätte, wo immer ich Schmerz beruhigen, Tränen trocknen oder Herzen hätte trösten können. Aber ich konnte es nicht tun. Meine Kraft und meine Zeit versagten gleichermaßen.
Und so, liebe Brüder, beschloss ich, zu Euch zu kommen, hier ins Zentrum meiner Diözese und unseres Landes. Ihr sollt Missionare meiner Gedanken werden, Ihr sollt meine Gefühle bekannt machen.

Pax vobiscum ist der traditionelle Gruß des Bischofs - Friede sei mit euch - und so bringe ich euch jetzt ein Wort des Friedens.  Aber es gibt keinen Frieden ohne Ordnung, und Ordnung beruht auf Gerechtigkeit und Liebe.
Wir wünschen uns Ordnung, und zwar aus diesem Grund: von vorneherein haben wir gebeten, dass kein aktiver Widerstand gegen die Macht, die unser Land besetzt hat, geleistet wird und dass alle Bestimmungen bedingungslos eingehalten werden, solange sie weder gegen unser Gewissen als Christen noch gegen unsere Ehre als Belgier verstoßen. Aber diese Macht muss ebenfalls Ordnung wünschen, das heißt, sie muss unsere Rechte und ihre eigenen Versprechen respektieren.
In jedem zivilisierten Land hat der Bürger das Recht, frei zu arbeiten. Er hat ein Recht auf seine Heimat. Er hat das Recht, seine Dienste jedem, außer seinem eigenen Land, zu verweigern. Regelungen, die diese Rechte verletzen, kann unser Gewissen in keiner Weise binden.
Ich sage Euch das, meine Brüder, ohne Zorn und nicht im Geist der Rache. Ich wäre unwürdig dieses Ringes, den die Kirche auf meinen Finger gesteckt hat, dieses Kreuzes, das sie an meine Brust gelegt hat, wenn ich menschliche Schwäche zeigte und zögerte zu verkünden, dass, auch wenn sie verletzt werden, Rechte Rechte bleiben, und dass Unrecht, das auf Gewalt beruht, nichtsdestoweniger Unrecht ist.

Es kann keine Ordnung ohne Gerechtigkeit geben, keine ohne Nächstenliebe. Nächstenliebe ist Vereinigung. Und Vereinigung ist das Recht des Menschen, das Recht der Dreifaltigkeit des Lebens, in der Natur und Glaube ihm sein Wesen und sein Wachstum gibt, die Familie, das Land und die Gemeinschaft aller Christen. Die Treuepflicht eines jeden Menschen gehört seinem Land, und es ist die Pflicht jeder Gesellschaftsschicht, mit den anderen für die nationale Wohlfahrt zusammenzuarbeiten.
Der Christ gehört zu seiner Diözese. Zur katholischen Kirche, seiner Mutter, er ist allein gebunden durch seinen Bischof. Und es ist aus diesem Grunde, meine Brüder, dass heute die Herzen Eurer Bischöfe bluten. Sie haben Tausende ihrer Söhne gesehen, verschleppt außerhalb der Reichweite ihrer Seelsorge, getrieben ins Unbekannte, verlorene Schafe ohne Hirten, eine Beute der Gefahren der Isolation, ohnmächtiger Wut, vielleicht der Verzweiflung.
Und ein großes Ereignis der Geschichte bietet sich Ihrem Gedächtnis dar. Als Papst Pius VII in Gefangenschaft in Savona war, legte er sein Vertrauen in seine himmlische Mutter, die, seit dem Sieg von Lepanto, Europa "Unsere Liebe Frau der immerwährenden Hilfe der Christen" nennt. Am Tag nach seiner Freilassung war der Heilige Vater gezwungen, seine eigene Frömmigkeit und die Dankbarkeit der Christenheit durch die Einführung eines jährlichen Festtages zu Ehren Unserer Lieben Frau der immerwährenden Hilfe auszudrücken.

Wir unterbreiten durch die Vermittlung der Allerheiligsten Jungfrau Maria unsere bescheidenen Bitten an den Herrn, "den Himmelskönig, von dem alle Königreiche der Erde abhängig sind", uns schnell unsere gefangenen Arbeiter zurückzugeben und unsere Häuser unberührt zu lassen bis zu dem Tag, wenn wir uns alle im Frieden des Sieges einander umarmen rund um den triumphierenden Altar unserer Lieben Frau von Ransom.
Mut, meine Brüder - haltet die Gebote Christi. Seid loyal zu Belgien, Eurer Heimat.
Aus der Tiefe meines Herzens gebe ich Ihnen allen meinen väterlichen Segen.


Man kann gut verstehen, dass diese mutige und patriotische Rede, die die Tatsache hervorhob, dass Recht und Macht nicht gleichbedeutend sind, wesentlich dazu beitrug, den bewundernswerten Mut der Menschen fortzusetzen und die unverdienten Leiden der unglücklichen Opfer der ungerechten Eindringlinge zu mildern. Sie konnte nicht die fortgesetzte Rechtsverletzung durch die Macht verhindern. Mit einer erbarmungslosen Brutalität, die bei der Durchführung von Maßnahmen, die bereits grausam genug durchgeführt worden waren, hätte ausgesetzt werden können, wurden "Arbeitslose" und Beschäftigte weiterhin aus ihren Familien gerissen und nach Deutschland deportiert.
In dem Wunsch, noch einen Versuch zu starten, seinen unglücklichen Landsleuten zu helfen, schickte der Kardinal von Malines am 29. November einen weiteren Brief an den Generalgouverneur, in dem er die willkürliche und unmenschliche Vorgehensweise der Deutschen anprangerte und an die obersten Behörden des Reiches appellierte.

Dritter Brief Seiner Eminenz, Kardinal Mercier, an den Generalgouverneur von Bissing
Erzdiözese Malines
Malines, 29. November 1916

Mein Herr,

das Schreiben vom 23. November, mit dem Eure Exzellenz mich beehrt hat, ist eine Enttäuschung für mich. In einigen Kreisen, von denen ich Grund hatte zu glauben, dass sie sehr gut informiert waren, hieß es, dass Eure Exzellenz dachte, dass es Pflicht sei, bei den höchsten Behörden des Reiches gegen die Maßnahmen, die Sie gezwungen sind, in Belgien anzuwenden, zu protestieren. Ich erwartete daher zumindest eine Verzögerung bei der Anwendung dieser Maßnahmen, während diese einer weiteren Prüfung unterzogen würden, und eine Aufweichung der Methoden, die ihre Durchführung begleiten.
Aber ohne eine Antwort auf die Argumente, mit denen ich den anti-rechtlichen und anti-sozialen Charakter der Verurteilung der belgischen Arbeiter zur Zwangsarbeit und Deportation begründete, begnügen sich Exzellenz mit Wiederholungen in seiner Depesche vom 23. November mit jenem Text seines Schreibens vom 26. Oktober. Die beiden Schreiben vom 26. Oktober und vom 23. November sind in der Substanz in der Tat identisch und in der Form fast identisch.
Andererseits schreitet die Rekrutierung von sogenannten "Arbeitslosen" voran, zum größten Teil ohne Rücksicht auf die Meinungen der lokalen Behörden. Mehrere Berichte in meinem Besitz beweisen, dass der Klerus brutal beiseite geschoben und die Bürgermeister und Gemeinderäte zum Schweigen verdammt wurden. Die Rekrutierungsbeauftragten werden so mit Menschen konfrontiert, von denen sie nichts wissen, und führen ihre Wahl willkürlich durch.

Für solche Vorgehensweise gibt es reichlich Beispiele. Ich werde zwei der jüngsten Fälle aus der Zahl, die mir zur Verfügung steht, Eurer Exzellenz aufzeigen.
Am 21. November fand die Rekrutierung in der Gemeinde Kesbeek-Miscom statt. Von den 1325 Einwohnern der Gemeinde nahmen die Rekrutierer 94 en bloc mit, ohne Unterscheidung der sozialen Bedingungen oder Berufe; Bauernsöhne, einzige Stütze der alten und gebrechlichen Eltern, Väter, durch deren Abreise ihre Frauen und Kinder in Not zurückgelassen werden - alle für ihre Familien so notwendig wie ihr tägliches Brot. Zwei Familien wurden jeweils ihrer vier Söhne beraubt. Von den vierundneunzig Deportierten waren nur zwei "arbeitslos".
Die Rekrutierung im Bezirk Aerschot fand am 23. November statt. In Rillaer, Gelrode und Rotselaer wurden einige junge Männer, einzige Unterstützer ihrer verwitweten Mütter, rekrutiert. Landwirte, Bauern von großen Familien (ein Bauer, älter als fünfzig Jahre, hatte zehn Kinder), die ihr eigenes Land bearbeiteten, mehrere Stück Vieh besaßen und noch nie einen Cent von der öffentlichen Wohlfahrt angerührt hatten, wurden trotz ihre Proteste auch zwangsweise deportiert. Fünfundzwanzig junge Burschen von 17 Jahre wurden aus der kleinen Gemeinde Rillaet mitgenommen.
Eure Exzellenz hätten gerne die Gemeindebehörden zu Komplizen bei diesen abscheulichen Rekrutierungen gemacht. Aufgrund ihrer Rechtsstellung und ihres Gewissens konnten sie es nicht tun. Aber sie könnten die Rekrutierungsstellen aufklären, und sie sind gut qualifiziert, dies zu tun. Die Priester, die die ärmeren Leute besser als jeder andere kennen, wären eine wertvolle Hilfe für die Rekrutierungsgruppen. Warum wird die Zusammenarbeit verschmäht?

Am Ende Ihres Schreibens bemerken Eure Exzellenz, dass Menschen, die den freien Berufen angehören, nicht berührt werden. Wenn nur die "Arbeitslosen" weggeführt würden, sollte ich diesen Unterschied verstehen. Aber wenn die Praxis fortgesetzt wird, leistungsfähige Männer ohne Ausnahme zu verpflichten, ist diese Unterscheidung nicht zu rechtfertigen. Es wäre falsch, die Last der Deportation allein auf die Arbeiterklasse fallen zu lassen. Die Mittelschicht sollte ebenfalls ihren Anteil an dem von der Besatzungsmacht der Nation auferlegten Opfer haben, wie grausam dieses Opfer auch sein mag; in der Tat liegt es gerade umso mehr an ihnen, das Opfer zu teilen, wenn dies grausam ist; eine Anzahl meiner Geistlichen einfordern mit einem Platz an der Spitze der Verfolgten. Ich verzeichne ihr Angebot, und ich bin stolz, es Ihnen zu übermitteln. Ich bin abgeneigt zu glauben, dass die Behörden des Reiches ihr letztes Wort gesprochen haben. Sie werden an unser unverdientes Leid denken, an die Missbilligung der zivilisierten Welt, an das Urteil der Geschichte und die Strafe Gottes.
Hochachtungsvoll
(signiert) D. J. Kardinal Mercier
Erzbischof von Malines

Seine Exzellenz, Baron von Bissing
Generalgouverneur, Brüssel.


Vergeblich waren alle Bemühungen, leider!
Und Kardinal Mercier - der Ruhm des tapferen belgischen Episkopats, eine der herausragenden Persönlichkeiten der Welt, größer und bewunderter in dem Maße, wie seine Sorgen ansteigen - geht von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, tröstend die alten Männer, die Frauen und die Kinder, die leiden um der Gerechtigkeit willen. Wie lange werden Gerechtigkeit und Recht weiter so verachtet und ungestraft verletzt?

Anweisungen Seiner Eminenz, Kardinal Mercier, an den Klerus seiner Diözese

Seine Besuche in mehreren hundert Familien der deportierten Arbeiter und die Berichte seines Klerus über die häufig brutale Art und Weise, in der die Deportationsbefehle ausgeführt wurden, inspirierte den Kardinal von Malines, Anweisungen in dieser Angelegenheit den Hirten seiner Diözese zu erteilen. In falscher Annahme bei seinen edlen Bemühungen, seine Meinung von Gerechtigkeit, Recht, Humanität und Mitgefühl bei einem Eindringling, der nur von Kraft und Macht träumte, durchsetzen zu können, wollte Kardinal Mercier gebrochenen Herzens an den Leiden und Unglück seiner Herde, das Böse abmildern, das machtlos er zu verhindern versuchte. Er hätte gern alle ihre Tränen getrocknet, jede unruhige Seele getröstet, erinnerten sich diese leidgeprüften Familien - die noch nicht in ihrer Treue zu Land und König wankten - an die Erhabenheit ihrer patriotischen Ausdauer. Er fand Essen für die Kinder, die ohne Frühstück zur Schule kamen, und für die alten Männer, die auf ihre Mahlzeit verzichteten, um einen Bissen Brot ihren Enkelkindern zu geben. Wie sein göttlicher Meister hätte er sich gerne voll und ganz geopfert für alle, durch Liebe zu seinem Volk und Bewunderung für die heroischen Tugenden, die dieses Volk für mehr als zwei Jahre nie aufgehört hatte zu zeigen. Aber wie "seine Kraft und seine Zeit nicht Schritt halten konnten mit seinem guten Willen", wandte er sich an seine Priester und durch sie an  alle Menschen guten Willens und bat sie, den Leidtragenden zu Hilfe zu kommen.

Am 19. Dezember 1916 sandte Seine Eminenz die folgenden Anweisungen an die Hirten seiner Diözese.

Malines, 19. Dezember 1916

Meine liebe Pastoren und Mitarbeiter:
Trotz der an Deutschland gerichteten Proteste durch den Papst und mehrere neutrale Staaten, hat die Deportation unserer Zivilbevölkerung nicht aufgehört.
Es ist unsere Pflicht, ein Übel, das wir machtlos sind zu verhindern, so viel wie wir können zu lindern.

Wenn die Abschiebung angekündigt ist
1. Sobald die Bekanntmachung der Einberufung in Ihrer Gemeinde ausgehängt wurde, warnen Sie bitte die Personen, die nicht abhängig von Sozialhilfe sind, dass sie sich einen Steuerbescheid besorgen und eine Beglaubigung der kommunalen Behörde hinzufügen. Die Kranken und Schwächlichen sollen ihre Ärzte bitten, ihnen eine Krankenbescheinigung auszustellen, und die Arbeiter, die nicht "arbeitslos" sind, werden von ihren Arbeitgebern eine Arbeitsbescheinigung bekommen, die durch den Bürgermeister gegengezeichnet wird.

2. In Verbindung mit den einflussreichsten Menschen Ihrer Gemeinde, legen Sie besonderes Augenmerk auf die Belange Ihrer Gemeindemitglieder, die nach den Angaben der deutschen Behörden selbst nicht abgeschoben werden können. Dann handeln Sie gemeinsam mit den Gemeindebehörden, mit dem Comite de Secours et d'Alimentation, mit Ihren wohlhabenden Gemeindemitgliedern und eifrigen Frauen im Hinblick auf die Versorgung mit notwendiger Kleidung und Hilfe für die Bedürftigen, deren Abreise wahrscheinlich ist.

Am Vorabend der Abreise
Fordern Sie am Vorabend der Abreise oder am vorhergehenden Tag die registrierten Männern auf zur Beichte zu gehen. Einige von Ihnen sollten sich zu ihrer Verfügung stellen. Feiern Sie eine Messe für ihre Anliegen und laden sie ihre Kinder, Enkel und andere Erwachsene ein, anwesend zu sein. Die Tatsache, dass sie die heilige Kommunion in Einheit mit der ganzen Familie erhalten, wird ein Trost und eine glückliche Erinnerung für sie in ihrem Exil sein. In einer praktischen Unterweisung ermahnen Sie sie, in der Zeit ihrer Abwesenheit treu zu ihrem Glauben und ihren moralischen und religiösen Praktiken zu stehen. Familiengebete sollten für sie gesprochen werden. Geben Sie den abreisenden Männern ein Souvenir - Perlen, ein Skapulier oder ein Neues Testament.

Am Tag nach der Abreise

1. Geben Sie einen Aufruf an eine ausgewählte Anzahl wohltätiger Gemeindemitglieder. Treten Sie in Kommunikation mit den Filialen der Society of St. Vincent de Paul, der Vereinigung der Damen der Barmherzigkeit, des Dritten Ordens des heiligen Franziskus, den Sodalitäten, Bruderschaften und den verschiedenen gemeinnützigen Gesellschaften, die dem Diözesanverband der katholischen Frauen angeschlossen sind, von denen Pater Halflants der Direktor ist. Mit deren Hilfe und unter der Leitung des Pfarrers oder seines Beauftragten bildet "einen Ausschuss der moralischen Hilfe", um die trauernden Familien zu besuchen, sie zu trösten und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Helft ihnen moralisch, und, wenn die Notwendigkeit besteht, materiell. Die christliche Pfarrei bildet eine Familie. Wenn ein Mitglied einer Familie leidet, leiden die anderen Mitglieder mit ihm; wenn eine Familie im Überfluss lebt, teilt jeder mit dem anderen. In gleicher Weise sollte es in der Pfarrei nicht einen einzigen vernachlässigten, unbekannten oder vergessenen Haushalt geben. Und wenn diese Verpflichtung in normalen Zeiten gilt, gebietet sie sich in diesen Tagen des Elends. Personen, die Muße haben, sollten diese Personen zur Verfügung stellen, die keine haben. Was auch immer einige in Überfluss haben, sollte den Bedarf der anderen versorgen. Gegenseitige Hilfe, so verstanden und praktiziert, ist nur die Erfüllung des christlichen Gesetzes. "Trage einer des anderen Last", sagt Paulus, "und so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen" (Galater VI.2)

Pastoren, die Unterstützung bei der Erfüllung ihres Dienstes der Nächstenliebe benötigen, können kommen und mich fragen oder jemanden in ihrem Namen schicken. Ich wäre ihnen dankbar, wenn sie in solchen Fällen möglichst genau die Menge der Unterstützung nennen, die sie erwarten.

 

2. Wir dürfen keine Mittel zur Sicherung der Rückführung von Personen vernachlässigen, die gemäß den Erklärungen der deutschen Regierung der Deportation entkommen konnten. Ein Büro für Ansprüche wurde für diesen Zweck in unserer Bischofsbüros organisiert.
Die Pastoren werden gebeten, die beigefügten Formulare auszufüllen, in dreifacher Ausfertigung. Zusätzliche Kopien werden auf Wunsch zugesandt. Die ausgefüllten Formulare werden in den verschiedenen Dekanaten gesammelt und von dort so schnell wie möglich an die erzbischöflichen Büros gesandt.
Die Dekane werden freundlicherweise die obigen Anweisungen ihren Kollegen bekanntgeben.
Sie werden sich wieder erinnern an unsere Bitte vom 14. August 1914, jede Woche für unsere Soldaten, die auf dem Feld der Ehre gefallen sind, eine Messe zu lesen. Nächstenliebe befiehlt uns, zu beten und andere zu veranlassen, für sie beten. Das wird auch der Moment sein, Frömmigkeit und den Geist der Buße und Opfer unter Ihren Gemeindemitglieder neu zu entfachen. Lasst sie ihre guten Werke anbieten allen, die in Not oder Trauer sind: für unsere Soldaten, die Verwundeten, die Abwesenden, die Flüchtlinge von heute oder die Exilanten von morgen; für unseren König und seine Regierung, für unseren Heiligen Vater, den Papst, und ich füge zuversichtlich hinzu, wie ich es am Ende der Feierlichkeiten der Ordination tue: "Betet auch beim allmächtigen Gott für mich."
Nehmen Sie, liebe Pastoren und Gehilfen, die Versicherung meiner liebevollen Hingabe an unseren Herrn Jesus Christus entgegen.


 

Der Heilige Stuhl und die Deportationen

Kardinal Mercier sandte dem Papst mehrere Dokumente, die sich mit der Deportation der Belgier nach Deutschland befassten. Nach Empfang der Antwort des Kardinalstaatssekretärs schickte er sie an die Pfarrer seiner Diözese mit der Bitte, sie den Gläubigen vorzulesen: "Sie werden dankbar den beiliegenden Brief begrüßen, den der Kardinalstaatssekretärs uns im Namen des Heiligen Vaters gesandt hat. Bitte verlesen Sie diesen Brief den Gläubigen". Der Brief ist in Italienisch verfasst. Die Übersetzung ist wie folgt:
 

Staatssekretär Seiner Heiligkeit
No.23026
Vatikan, 29. November 1916

 

Eure Eminenz
Der Heilige Vater hat das Schreiben Eurer Eminenz vom 12. des Monats und die beigefügten Unterlagen über die Deportation der Belgier nach Deutschland erhalten .
Der ehrwürdige Papst, in dessen Vaterherz alle Leiden seines geliebten belgischen Volkes ein Echo findet, hat mich beauftragt, Eurer Eminenz mitzuteilen, dass er selbst leidenschaftlich interessiert ist an Ihrem hart geprüften Volk, dass er sich selbst bereits an die kaiserliche deutsche Regierung zu ihren Gunsten gewandt hat und dass er alles in seiner Macht Stehende tun wird, um sicherzustellen, dass den Deportationen ein Ende gesetzt wird und dass diejenigen, die bereits weit von ihrer Heimat deportiert wurden, vielleicht schon bald in den Schoß ihrer betroffenen Familien zurückkehren dürfen.
Seine Heiligkeit hat mir auch die angenehme Pflicht zur Übersendung eines ganz besonderen Segens für Eure Eminenz und die Gläubigen eurer Diözesen anvertraut .
Ich bin auch froh, bei diese Gelegenheit Eurer Eminenz die Gefühle der tiefen Verehrung zum Ausdruck zu bringen, mit denen ich Euch demütig grüße.
Eurer Eminenz bescheidener und ergebener Diener,
(signiert) P. Kardinal Gasparri

Die Fürsprache von Papst Benedikt XV bei der deutschen Regierung war nicht von Erfolg gekrönt. Die belgische Regierung berichtet, dass die Deportationen fortgesetzt werden und nur die Kranken in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Allerdings spricht er in seiner Rede vor dem Konsistorium am 4. Dezember 1915 von der Verletzungen der Rechte der Völker, die während des Krieges stattgefunden haben, und der Heilige Vater glaubte, es sei seine Pflicht, vor allem auf die Schrecken der Deportation zu insistieren.
Wir zitieren hier die Passage von der Konsistorialrat-Ansprache, die sich mit diesem Thema befasst:
"Überall dort, wo die Autorität des Gesetzes vernachlässigt oder verachtet wird, herrschen Zwietracht und Leid, und Leid dringt in öffentliche und private Angelegenheiten. Wenn diese Wahrheit eine Bestätigung benötigt, findet man sie im derzeitigen Weltgeschehen."

 


 

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