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Die Königreiche Balis

Viele Jahre stand Bali unter dem Einfluss Javas. Zuletzt im 14. Jahrhundert herrschte die Majapahit-Dynastie. Sie beherrschte zuletzt ein Reich, das von der Größe her in etwa dem heutigen Indonesien entsprach. Durch das Vordringen des Islam zerfiel das Reich im 15. Jahrhundert. "Zu dieser Zeit zogen viele Priester und Angehörige der Königsfamilie (Hindus) nach Bali um. Und der Sohn König I Dewa Ketut Ngulesir Raja von Gelgel des Königs Sri Aji Kresna Kepakisan Raja von Samprangan in Majapahit ruft sich als Raja von Bali auf und gründete das hinduistische Königreich Gelgel." [wikipedia] Bali wurde somit zur letzten Bastion des Hinduismus.

Gelgel liegt ca. 4 km südlich von Klungkung. Der König nannte sich 'Dewa (= Gott) Agung (= groß, auch der heilige Berg Balis). Später wurde der Hauptsitz des Dewa nach Klungkung verlegt. Die Insel war aufgeteilt unter Verwandten des Königs. Diese untergeordneten Provinzen verselbständigten sich immer mehr zu eigenständigen 'Königreichen', die Herrscher nannten sich 'Rajas'. 1651 zerfiel das Reich in etwa ein Dutzend selbständige Königreiche, die sich z.T. gegenseitig befehdeten.

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Obwohl die Holländer bereits 1597 erstmals auf Bali gelandet waren, eroberten sie erst 1846 den nördlichen Teil der Insel mit dem Hafen Singaraja.  Sie nutzten die Rivalitäten der Rajas zu ihren Gunsten aus, und vom Norden aus erweiterten sie nach und nach ihre Machtsphäre. ".....Einen vergleichsweise unbedeutenden Zwischenfall nahmen die Niederländer Anfang des 20.Jhs. zum Anlaß, auch die noch freien Fürstentümer im Süden unter ihre Herrschaft zu bringen. Im Frühjahr 1904 war ein kleines Handelsschiff an der Küste von Sanur gestrandet. Die Küstenbewohner retteten zwar die Schiffbrüchigen, plünderten aber auch deren Schiff aus. Der chinesische Schiffseigner verlangte daraufhin von der holländischen Kolonialregierung eine Entschädigung und eine Bestrafung der Strandräuber. Die Niederländer leiteten die Forderung an den Raja von Badung weiter, der sich jedoch strikt weigerte zu zahlen. Die Verhandlungen zogen sich jahrelang hin und wurden zu einer ernsten politischen Affäre aufgebauscht. Schließlich erklärten die Holländer dem Badung-König und seinen Verbündeten den Krieg. Schon bald erkannten die primitiv bewaffneten Balinesen, daß sie ihrem Feind hoffnungslos unterlegen waren. In dieser verzweifelten Situation gab es für den Raja, seine Familie und sein gesamtes Gefolge nur eine Lösung - ehrenvoll zu sterben. In einem grauenvollen rituellen Amokangriff (Puputan) rannten rund 2000 Balinesen ungeschützt in die Gewehrsalven der Holländer oder stürzten sich in ihre eigenen Krise. Das gesamte Königshaus von Badung wurde bei dieser Selbstvernichtungsschlacht ausgelöscht. Beim weiteren Vormarsch der Holländer zogen auch andere Fürstenfamilien den Tod der Unterwerfung vor. Bis 1914 hatte die Kolonialmacht ganz Bali unter ihre Kontrolle gebracht. Kooperationsbereite Adlige, wie die Herrscher von Gianyar und Karangasem, wurden wieder als Regenten eingesetzt und erhielten sogar eine begrenzte Autonomie....." (Zitat aus: Roland Dusik: Indonesien - Reisehandbuch; DuMont Richtig reisen, Köln 1991 S.266-267)

 

Nach wie vor lesenswert ist in diesem Zusammenhang der Roman von Vicky Baum "Liebe und Tod auf Bali" aus dem Jahr 1937. Sie schildert das Leben und die Schicksale von Familien unterschiedlicher Kasten zur Zeit der holländischen Eroberung Südbalis. Auch wenn manches romantisch verklärt dargestellt wird und die Kolonialmacht bei ihr zu positiv dargestellt wird, bekommt man doch Einblicke in das alltägliche Leben, Sitten, Gebräuche, Religion etc. der damaligen Zeit. Hier ihre Schilderung des Puputan, des kollektiven rituellen Selbstmordes:

".......In diesem Augenblick erschienen Menschen auf den hohen Stuten, die von dem Tor der Puri auf den Großen Weg hinabführten. Männer, weiß gekleidet, mit Blumen geschmückt. Sie gingen ganz langsam, die ersten von ihnen trugen Lanzen. Hinter ihnen, hoch auf den Schultern von Trägern, wurde ein Mann herausgetragen. Dahinter folgten andere, in einem Zug, einer nach dem anderen traten sie aus dem Tor; weiß gekleidet, reich geschmückt, mit dem Glanz der Sonne auf ihren Waffen, reihten sie sich mit ruhigen Bewegungen hinter ihrem Führer auf. Die Träger hatten den Stuhl niedergelassen, und der einzelne Mann, der Radja, blieb an der Spitze seines Zuges stehen. Ihm folgten andere in einem Zug, einer nach dem anderen traten sie hervor und reihten sich hinter dem einzelnen auf. Der Leutnant ließ seinen Säbelgriff los, den er umfaßt hatte. Er verstand nicht, was vor sich ging. Es sah aus wie im Theater. Das war es - es sah aus wie die Auftritte im Operntheater von Amsterdam, die er von Zeit zu Zeit gesehen hatte. Die Männer waren kostümiert, und sie bewegten sich langsam und gemessen und so, als ob sie nicht wüßten, daß die Holländer ihnen gegenüberstanden, mit Kanonen und Gewehren und Scharfschützen und daß ihr Palast umzingelt war und daß hier Krieg geführt wurde. Der Mann, der noch immer allein und von den anderen abgesondert stand - der Radja! murmelten die javanischen Soldaten -, hob seine gefalteten Hände vor die Stirn und blieb so stehen, minutenlang. Noch immer sah es nicht aus wie etwas Wirkliches. Das ist doch nicht möglich, dachte Dekker, das tut man nicht, so zieht man sich nicht an, so benimmt man sich nicht, wenn man kein Opersänger ist. Trotzdem ging von dem Fürsten in seiner konzentrierten Haltung eine besondere Gewalt aus. Die Männer vor und hinter ihm standen wie braune Statuen auf den Stufen, und auch die holländischen Soldaten rührten sich nicht.
Plötzlich hob der Fürst sein Gesicht und zog mit einer einzigen blitzschnellen Bewegung den Kris aus der Scheide, die über seine Schulter ragte. Er hob die Waffe in der aufgereckten Faust hoch, sie funkelte in der Sonne. Ein unmenschlicher Schrei brach aus der Gruppe. Im nächsten Augenblick hatten alle Männer ihre Krise in den Händen, und sie rasten los, den holländischen Soldaten entgegen.
„Feuer!" rief der Kapitän. „Feuer!" schrie Dekker mit seiner ungeübten Kommandostimme. Die Kompanien schössen. Ein paar Balinesen fielen und blieben liegen. Die anderen rasten jetzt den Großen Weg entlang, der Biegung von Tian Siap entgegen, von wo die Haubitzen schössen und die Trompetensignale schmetterten. Im Laufschritt folgten die beiden Kompanien der Elfer. Alles war in Staub und Rauch gehüllt, und hinter diesem Vorhang war das Jagen der weißen Gestalten nur verwischt zu erkennen. Leutnant Dekker rannte vor seinen Leuten her, an den zerschossenen Mauern längs des Großen Weges vorbei. Aus einer Pforte brachen ein paar Männer mit kurzen Lanzen hervor. Dekker bemerkte mit Verwunderung, daß er seinen kurzen Säbel blank in der Hand hielt. Ein Bajonett fuhr an ihm vorbei in den Bauch eines Balinesen. Als er sich umsah, fand er sich von seiner Kompanie getrennt. Es sah aus, als würden die holländischen Soldaten vor den rasenden Balinesen zurückweichen. Dekker schrie ein Kommando. Er sah einen seiner Soldaten hinfallen mit erstauntem Gesicht. Auch die anderen Offiziere schrien ihre Mannschaften an, und sie sammelten sich wieder. Schon hatten sie den Anschluß an die Hauptmacht erreicht. Haubitzenfeuer und dichte Salven schlugen in die Balinesen ein, die gleich hinter der Biegung von Tian Siap frontal in die holländischen Truppen hineinliefen. Der Fürst fiel zuerst. Über ihn hinweg rannten die weißgekleideten Männer dem Feind entgegen, sie stürzten hin, und die hinter ihnen kamen, rasten über sie fort. Ein Hügel von Toten und Verwundeten wuchs zwischen der Puri und den feuernden Truppen auf. Indessen stürmten immer neue Menschen dahinten aus dem Tor hervor, neue und mehr, alle mit Krisen in der Hand, alle mit dem gleichen irrsinnigen Ausdruck der Todeswut in den Gesichtern, alle geschmückt und mit Gold und Blumen gekrönt.
Dreimal hörten die Holländer auf zu feuern, fast als wollten sie diese Wahnsinnigen aufwecken oder schonen oder retten. Aber die Balinesen wollten sterben. Nichts in der Welt konnte sie in ihrem Todesrennen aufhalten, weder die Haubitzen noch die unfehlbaren Gewehre der Scharfschützen, noch die plötzliche Stille, die entstand, wenn das Feuern unterbrochen wurde. Hunderte von ihnen fielen unter den Kugeln, und hundert ändere reckten ihre Krise hoch und stießen sie sich in die Brust; sie senkten sie oberhalb des Schlüsselbeines ein, so daß die Spitze das Herz traf nach der alten und heiligen Weise. Hinter den Männern kamen jetzt die Frauen daher und die Kinder, Knaben und kleine Mädchen mit Blumen im Haar und Säuglinge in den Armen der Mütter und alte Sklavinnen mit ihren Jünglingsbrüsten und den weißen Haaren. Sie alle waren geschmückt mit Blumen, und deren Duft vermischte sich mit den Pulverdämpfen und mit dem süßlichen Aroma von Blut und Tod, das bald den Platz einhüllte.
Da und dort waren Priester zwischen ihnen zu sehen, still gingen sie zwischen den Sterbenden hin und her und sprengten heiliges Wasser auf ihre zuckenden Glieder. Die fürstlichen Frauen hatten goldene Kronen auf den Köpfen, daran zitterten goldene Blumen, und ihre Hände und Arme waren schwer von Geschmeide. Sie rissen es sich ab und warfen es den Soldaten hin, mit Verachtung in ihren unwissenden, runden Blumengesichtern. Javaner und Ambonesen liefen aus der Reihe und griffen danach, aber sie wurden von ihren Korporalen zurückgejagt. Es gab Offiziere, die ihre Augen abwandten oder ihre Hände vors Gesicht schlugen, um nichts sehen zu müssen. Leutnant Dekker konnte es nicht ertragen, anzuschauen, wie Männer ihre Frauen töteten und dann sich selbst, und wie Mütter den Kris in die Brust ihrer Säuglinge stießen. Er wandte sich ab und übergab sich....."

Quelle: Vicky Baum: Liebe und Tod auf Bali, Köln 1984 S. 278-279

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