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"Rund 35 km von Surakarta entfernt, liegt der
Candi Sukuh, in einer Höhe von 910 m, inmitten einer herrlichen
Berglandschaft, an der Westflanke des Lawu-Vulkans (3265 m). Dieses Bima,
einem Heros des Hinduepos Mahabharata, geweihte Terrassenheiligtum ist
einmalig und nimmt in ganz Indonesien eine Sonderstellung ein. Von
seiner Gesamtkonzeption und seinem Erscheinungsbild her weicht es
deutlich von den hinduistisch-buddhistischen Tempelkomplexen Javas ab.
Die Terrassenanlage weist mit ihrem pyramidenförmigen, sie krönenden
Aufbau eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Maya-Tempeln Mittelamerikas
auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit war Candi Sukuh bereits lange vor
Beginn der Indisierung ein Heiligtum der Megalithkultur, das der
Ahnenverehrung diente. In seiner heutigen Form erscheint der
Sukuh-Tempel aufgrund der Verschiedenartigkeit der dortigen Monumente
als ein synkretistisch geprägtes Bauwerk.
Mit Beginn des indischen Kultureinflusses
nahmen vermutlich Brahmanenpriester Besitz von der Tempelanlage und
ließen sie von hinduistischen Bildhauern mit einem eigenständigen
Relief- und Skulpturenschmuck versehen. Die auf verschiedenen
Steinbildwerken vorgefundenen Jahresdatierungen aus der Mitte des 15.
Jhs. geben zwar Hinweise darauf, daß hier damals eine vielbesuchte
Kultstätte existierte, sie lassen aber keine Schlüsse auf das
eigentliche Alter des Terrassenheiligtums zu. Vieles ist ungeklärt am
Candi Sukuh, vieles paßt nicht ins gewohnte Bild
hinduistisch-buddhistischer Kultausübung auf Java. So unterscheiden sich
die Reliefdarstellungen und die Skulpturen grundlegend von denen anderer
javanischer Tempel. Die Bildwerke haben häufig einen erotischen
Charakter und vereinen stilistisch Elemente des sogenannten Wayang-Stils
mit einer Tendenz zur archaischen Vereinfachung. Verschiedene Skulpturen
deuten darauf hin, daß hier möglicherweise im 15. Jh. ein Zentrum
erotisch-tantrischer Geheimkulte bestanden haben könnte, so zum Beispiel
die Linga-Yoni-Darstellung (Phallus bzw. Vagina), die in die
Bodenplatten des wuchtigen Portaltors eingelassen ist......."
Quelle: DuMont Richtig reisen -
Indonesien, Köln 1991, S. 238-239 |