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Politische Situation / Menschenrechte |
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/West-Neuguinea
Durch die papuanischen
Unabhängigkeitsbestrebungen alarmiert versuchte Indonesien im Frühjahr 1962, auf
West-Neuguinea Truppen zu landen, um das Ziel eines Territorium in den Grenzen
Niederländisch-Ostindiens von 1942 zu realisieren. Auf Druck der USA wurde am
15. August unter Vermittlung des US-Diplomaten Ellsworth Bunker zwischen den
Niederlanden und Indonesien das New Yorker Abkommen geschlossen, welches den
Übergang West-Neuguineas in den indonesischen Herrschaftsbereich regelte. Die
Vereinten Nationen (UNSF) übernahmen am 1. Oktober die Verwaltung des
Inselteiles und übergaben es am 1. Mai 1963 an Indonesien. Kurze Zeit später
begannen die ersten Umsiedlungsaktionen, welche die einheimischen Papua aus
Gebieten vertreiben sollten, die für die Besiedelung durch Indonesier vorgesehen
waren.
Im Jahr 1964 gründete sich die Papua-Unabhängigkeitsbewegung Organisasi Papua
Merdeka (OPM), um den Willen nach politischer Selbstbestimmung gegen Indonesien
durchzusetzen. Der militärische Erfolg der OPM blieb begrenzt. Es waren immer
wieder die Verfehlungen der indonesischen Regierung und ihrer Militärs, die für
Unmut und damit auch für Zulauf zur OPM sorgten.
Der im New Yorker Abkommen vorgesehene Volksentscheid, Act of Free Choice
genannt, über einen Verbleib bei Indonesien ergab im Sommer 1969 ein
einstimmiges Votum für Indonesien durch eintausend ausgesuchte Wahlmänner und
wird von Kritikern als Act of No Choice (Wahl ohne jede Wahl) bezeichnet. Die
Wähler waren durch Geschenke und Folterandrohung beeinflusst worden, nicht
Kooperationswillige wurden durch andere ersetzt. Die UNO unterstützte diesen
Vorgang und sah ihre Rolle im New Yorker Abkommen als erfüllt an.
Bis heute haben über 100.000 von ehemals 700.000 Papua durch Gewalt ihr Leben
verloren. Etwa 800.000 Indonesier sind nach West-Neuguinea eingewandert;
Grundlage dafür ist die sogenannte Transmigrasi-Politik, die die Umsiedlung von
Menschen von der dicht bevölkerten indonesischen Hauptinsel Java auf dünner
besiedelte Inseln vorsieht. Auch nach der Aussetzung des umstrittenen
Transmigrasi-Programms gelangen indonesische Zuwanderer auf eigene Faust auf die
Insel. Die Ausrufung der unabhängigen Republik West-Papua 1971 wurde von
Indonesien nicht anerkannt. 1973 wurde der Name in Irian Jaya („Siegreiches
Irian“) geändert.
2000 kam es zu einer erneuten Proklamation der Unabhängigkeit von West-Papua,
die erneut von Indonesien nicht anerkannt wurde. Dafür erhielt die Provinz am 1.
Januar 2001 innere Autonomie. Am 10. November 2001 verschleppten und töteten
Mitglieder der Kopassus-Einheiten den Unabhängigkeitsführer Theys Eluay[12].
Sein Fahrer ist seitdem ebenfalls verschwunden. Am 7. Januar 2002 wurde die
Provinz in Papua umbenannt. 2003 erfolgte schließlich unter erheblichen Protest
der lokalen Bevölkerung die Aufteilung auf die zwei Provinzen Irian Jaya Barat
und Papua. Nach dem speziellen Autonomiegesetz hätten die Vertreter West-Papuas
konsultiert werden müssen. Dieser Alleingang Indonesiens unter Megawati
Sukarnoputri wird von den Papua als Strategie des Teilens und Herrschens
empfunden. Seit 2003 erhalten Journalisten keinen Zutritt mehr nach West-Papua.
Indonesische Herrschaft
Unter der niederländischen Verwaltung und ihrem ehrgeizigen Entwicklungsprogramm
bis 1962 fühlten sich die Papua nicht als Kolonie. Die Indonesier dagegen
demontierten nach ihrem Einmarsch 1963 überall holländische Ausrüstung und
schafften sie nach Java. Bücher über Papua wurden verbrannt, das Singen von
Liedern über Papua verboten. Wer Bücher über Papua besaß, wurde verdächtigt und
bedroht. Die Bezeichnung Papua war verboten. Während in ganz Indonesien
Rassenzugehörigkeiten genannt wurden, musste es in West-Papua „Indonesier aus
Westirian“ heißen. Seit 2001 hat sich die Einschränkung der Presse wieder
verschärft.
Indonesische Herrschaft über West-Papua brachte auch, was vorher schwer
vorstellbar war: die Idee einer nationalen Einheit von 250 verschiedenen und oft
zerstrittenen Papua-Stämmen. Statt der in der Pancasila-Ideologie formulierten
Einheit Indonesiens war das Gegenteil erreicht worden. Die Idee der
Unabhängigkeit West-Papuas ist heute wesentlich populärer, als sie es 1963
gewesen ist.
Bedeutung West-Papuas für Indonesien
Die Formel „von Sabang bis Merauke“ steht symbolisch für den Zusammenhalt des
auf zahlreiche Inseln und Völker verteilten, von verschiedenen Konflikten
geschüttelten Indonesien: Alles, was in Südostasien niederländische Kolonie war,
soll das von kolonialer Macht befreite Indonesien sein. Während der Verlust
Osttimors eine nationale Demütigung war, ist Papua, mit Merauke in der Formel
vertreten, von weit größerer politischer, wirtschaftlicher und symbolischer
Bedeutung für Indonesien. Es wird von Jakarta als integraler Bestandteil der
Republik betrachtet. Anders als die Unabhängigkeit Osttimors würde der Verlust
West-Papuas die Legitimität und Einheit des indonesischen Staates bedrohen.
Zudem befindet sich mit Freeport der größte Steuerzahler Indonesiens in
West-Papua. Auch ein Großteil des Flüssigerdgases des Exportweltmeisters
Indonesien befindet sich hier. Der Gewinn aus Holzeinschlag wird auf 100
Millionen bis über eine Milliarde Dollar jährlich geschätzt.
Militär und Polizei
Da Indonesien nie ernsthafte äußere Feinde hatte, sind innere Konflikte eine
wesentliche Begründung für die Macht des indonesischen Militärs. Gleichzeitig
sieht sich das Militär als Gründer des indonesischen Staates und fühlt sich
diesem nicht rechenschaftspflichtig. Wenn Vergehen überhaupt bestraft werden,
trifft dies höchstens niedere Ränge. Diese Straffreiheit verbunden mit der
inneren Notwendigkeit militärischer Konflikte hat zu dem Effekt geführt, der als
Staatsterrorismus wahrgenommen wird: Die sogenannten Sicherheitskräfte sind die
eigentliche Bedrohung und Auslöser von Angst, Repression und Mord. Seit
Jahrzehnten flüchten Papuas aus ihren Dörfern, wenn indonesische Militärs und
die Mobile Polizeibrigade (Brimob) anrücken. Verfolgt wird eine Strategie der
Erzeugung von Konflikten, der Destabilisierung und der Beseitigung jeglicher
Unabhängigkeitsbestrebungen.
Die Papua-Opposition meidet militante Auseinandersetzungen und strebt
stattdessen die Schaffung einer stabilen und sicheren Friedenszone an. Die
gewalttätigen Konflikte der letzten Jahre wie in Wasior 2001, die Erschießung
zweier US-Bürger bei der Freeport-Mine 2002 bis hin zu den Konflikten Ende 2006
in Mulia verweisen allesamt auf gezielte Provokationen durch indonesische
Militärs oder von indonesischem Militär kommandierten paramilitärischen Kräften,
die offiziell als Aktionen der Befreiungsbewegung OPM dargestellt werden. Der
Sturz Sukarnos 1965 verlief bereits nach diesem Muster: Ein scheinbar
widersinniger Angriff auf die eigenen Kräfte wurde den Kommunisten angehängt. In
der folgenden großen Militäroperation konnte die starke kommunistische Partei
Indonesiens komplett ausgelöscht und Sukarno aus der Macht gedrängt werden. Die
Militärs haben keine Scheu, Menschenrechtsverletzungen wie in Osttimor in
West-Papua zu wiederholen. Einzelne hohe Offiziere haben dies bereits angedroht.
Seit dem Act of Free Choice 1969 bis 1998 war West-Papua als „Militärisches
Operationsgebiet“ unter vollständiger Kontrolle der TNI-Streitkräfte, die 1977
nicht vor dem Einsatz von Napalm zur Bombardierung von Dörfern der
Baliem-Hochebene zurückschreckten. Mitte der 1990er Jahre war West Papua das am
stärksten militarisierte Gebiet Indonesiens. Soldaten erhielten doppelten Sold.
1998 erhielt das Gebiet den Status einer „überwachten Unruheprovinz“. Nach der
Unabhängigkeit Osttimors wurden dort stationierte Einheiten nach West-Papua
verlegt. Der frühere Polizeichef Osttimors, Timbul Silaen, wurde 2003 zum Chef
der Polizei West-Papuas ernannt. 2006 hatte sich die Anzahl der Soldaten auf
über 30.000 erhöht, was die mit der Sicherung der Grenze zu Papua-Neuguinea
begründet wird. TNI und Kopassus kontrollieren inzwischen selbst Vanimo, die
Hauptstadt der Provinz Sandaun in Papua-Neuguinea. Flüchtlinge werden nach
Papua-Neuguinea verfolgt, wie mehrere 100 Studenten der Universität Jayapura
(UNCEN), von denen 200 als ermordet gelten. Filmaufnahmen der geflüchteten
Studenten existieren in einem neuen Film „West Papua - The secret war in Asia“.
Der in West-Papua knappe Sold hat dazu geführt, das Militärs bei praktisch jedem
lukrativen Unternehmen dabei sind, insbesondere beim illegalen Holzeinschlag
(Merbau für eine Milliarde Dollar jährlich), Schmuggel geschützter Tierarten und
in der Vergnügungsindustrie (Alkohol, Prostitution, Casinos). Schutzgelder
werden eingefordert und z.B. von Freeport reichlich bezahlt. 80 % der Einkünfte
der Soldaten stammen aus solchen illegalen Aktivitäten. Oft kommt es zu
gewalttätigen Rivalitäten um lukrative Ressourcen. Um die reiche Freeport-Mine
in der Timika-Region haben sich diese militärischen und Polizei-Aktivitäten und
Rivalitäten besonders verdichtet.
Das in West-Papua stationierte Militärkommando heißt Trikora (Kodam XVII).
Militär-Zitate:
Der Kostrad-Kommandeur West Papuas zum Mord an Theys Eluay durch indonesische Soldaten:
„Manche sagen, sie handelten falsch, brachen das Gesetz. Welches Gesetz? … Für mich sind sie Helden, weil die Person, die sie töteten, ein Rebellenführer war“.
Stabschef General Ryamizard Ryacudu zu Soldaten und Offizieren (2002):
„Habt keine Angst vor Vorwürfen, ihr würdet das Gesetz brechen oder Menschenrechtsverletzungen begehen. Wenn ihr Angst habt, dann werdet ihr irritiert und an eurer Pflichterfüllung gehindert sein.“
Militäroperationen
1965-1967 Operasi Sadar (Bewusstsein) 1967 Operasi Brathayudha ungefähr 3500 Tote 1969 Operasi Wibawa (Autorität) zirka 30.000 Menschen wurden seit 1963 ermordet 1977 Operasi Tumpas (Vernichtung) 12.397 Tote 1981 Operasi Sapu Bersih I dan II (Säuberung I und II) 3500 Tote 1982 Operasi Galang I dan II (Verstärkung I und II) 1983-1984 Operasi Tumpas (Vernichtung) 1985 Operasi Sapu Bersih (Säuberung) 517 Tote, 200 Häuser niedergebrannt 1996 Mapnduma: 158 Tote, 166 Häuser und 13 Kirchen zerstört 2001 Wasior (Manokwari): 4 Tote, 5 Verschwundene, 6 Folterungen 2003 Wamena: 9 Tote, 38 Folterungen, Tausende Vertriebene, zerstörte Häuser, Kirchen, Krankenhäuser 2004 Puncak Jaya: über 6000 Flüchtlinge und 35 Tote 2006-2007 Mulia, Puncak Jaya: 5000 Flüchtlinge, bisher ein Toter
Menschenrechte
„Ein indonesischer Soldat kann einen Papua zu jeder Zeit, an jedem Ort, aus
jedem beliebigen Grund ungestraft töten.“ (Neles Tebay)
Die Repression ist geringer als in den 1960er, 1970er und Anfang der 1980er
Jahre. Mord, Folter und Verhaftungen sind jedoch nach wie vor an der
Tagesordnung. Wie viele Todesopfer die Übernahme West-Papuas durch Indonesien
kostete, ist nicht genau bekannt. Häufig wird die Schätzung von 100.000 Toten
angegeben. Nach der Absetzung von Präsident Wahid im August 2001 endete der 1999
begonnene kurze politische „Frühling“ und die Menschenrechtslage verschlechterte
sich erneut.
Während einige Berichte wie der Yale Report 2003 oder eine Studie der
Universität Sydney 2005 von Völkermord sprechen, meint die International Crisis
Group, dass die „Kultur der Straflosigkeit“ die Militärs zu übermäßigen
Gewaltreaktionen veranlasst hat. Einige Papua behaupten, die Situation sei
schlimmer als in Osttimor, da die Bildung der Papua gering ist und durch das
zergliederte, unzugängliche Terrain das Militär leicht in einem Tal einen der
250 Stämme auslöschen kann und dies nicht einmal bemerkt wird. Kuegler schreibt,
dass es sich bei den Vorfällen in Wasior 2001 (s.u.) nach indonesischen Gesetzen
um Völkermord handelt.
Angriffe auf die Sicherheitskräfte werden mit strengen Vergeltungsmaßnahmen an
der Zivilbevölkerung geahndet. Oft sind ganze Dörfer auf der Flucht. Straffrei
und unbeobachtet schießt das Militär aber auch schnell auf Papua, die es wagen,
gegen Holzeinschlag auf ihrem Besitz zu protestieren. In Wasior hatten 2001
Militärs vereinbarte Holzeinschlagrechte nach vier Jahren noch nicht bezahlt. Es
kam zu Kritik der Papua und zu Rivalitäten zwischen Militär und der
Brimop-Spezialeinheit der Polizei, die sich auch gegen die Papua richteten. Ein
Anwalt und ein papuanischer Regierungsmitarbeiter wurden gefoltert. Ein Lehrer
starb unter der Folter. Berichtet wurde, dass die Brimob ein siebenjähriges Kind
köpften und seine schwangere Mutter brutal ermordeten. 5000 Menschen befanden
sich auf der Flucht.
Im August 2002 wurden auf der vom Militär kontrollierten privaten Zugangsstraße
zur Freeport-Mine zwei US-Amerikaner und ein Indonesier getötet. Trotz FBI-Hilfe
wurde das Verbrechen nicht aufgeklärt, und es gibt Gerüchte über die
Urheberschaft des Militärs, um Schutzgeldzahlungen einzufordern. Ende 2001 wurde
der Papua-Führer Theys Eluay von Kopassus-Soldaten ermordet, obwohl er mit
Militärs befreundet war. Die zu ein bis dreieinhalb Jahren Freiheitsentzug
verurteilten Soldaten bezeichnete der Generalstabschef der indonesischen Armee
öffentlich als Helden. Theys Eluay wurde zum Symbol des gesetzlosen Handelns des
Militärs, das jeden Papua bedroht.
Selbst die Kirchenleiter der Evangelischen Kirche Papuas fürchten,
„abgeschlachtet“ oder entführt zu werden. Sie stehen auf Todeslisten und werden
vom Indonesischen Geheimdienst observiert. Pastor Herman Awom, Mitglied des
Papua-Rates und Stellvertretender Vorsitzender der Evangelischen Kirche, ist
schon mehrmals entführt worden. Zwischen 2002 und 2005 hat das indonesische
Militär 23 Kirchen abgebrannt. Ein Pastor wurde von Soldaten beschuldigt,
Mitglied der OPM zu sein, und getötet. Sabine Kuegler berichtete 2006, dass bei
nächtlichen Stromausfällen Leute spurlos verschwinden. Die Menschen werden
schnell und professionell getötet, die Leichen sind nicht auffindbar. Die Täter
haben aus Osttimor gelernt, keine Spuren, wie etwa Massengräber, zu
hinterlassen. Fischer haben stattdessen zerstückelte Leichen im Meer gefunden.
Ausländische Menschenrechtsorganisationen werden seit 2003 von Indonesien nicht
mehr nach West-Papua gelassen. Auch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten
Nationen UNHCR erhält keinen Zutritt. 2002 betrug die Prämie für die Exekution
eines Unabhängigkeitsaktivisten 240 Euro.
Flagge
Die
noch vor dem New Yorker Abkommen vom Ersten Papua-Kongress am 19. Oktober 1961
gewählte Flagge wird Morgenstern (Bintang Kejora) genannt und besteht aus einem
weißen Stern auf rotem Grund mit blauen und weißen horizontalen Streifen, die
vom Flaggenmast wegzeigen. Diese Flagge (Niederländisch: Morgenster) wurde 1961
gemeinsam mit der niederländischen Regierung als Symbol und erster Schritt zur
geplanten Selbstregierung der Papua-Bevölkerung eingeführt. Nach dem
öffentlichen Hissen am 1. Dezember 1961 begriffen die indonesischen
Nationalisten die drohende Unabhängigkeit Papuas, die die Idee der Einheit
Indonesiens von Sabang in Aceh bis Merauke in West-Papua gefährdete. Der
Zusammenhalt des Vielvölkerstaates war in Gefahr. In der Trikora-Rede am 19.
Dezember gab Sukarno den „Befehl zur Befreiung Westirians“, der letztlich 1962
zum New Yorker Abkommen führte. Unter der Suharto-Regierung hatte das Hissen der
Flagge Gefangenschaft, Folter oder Tod zur Folge. Auch seit dem Ende der
Regierung Wahids ist das Zeigen des Morgensterns wieder lebensgefährlich
geworden, wird als Hochverrat angesehen und mit Freiheitsentzug bis zu 20 Jahren
bestraft. Der 1. Dezember symbolisiert seit 1963 für die Papua den Wunsch nach
Beendigung der indonesischen Herrschaft. Indonesien realisierte aus Sicht der
Papua keine befreiende Dekolonisation, sondern herrscht als neue Kolonialmacht.
Merdeka
Für Indonesien zentral ist die Befreiung von der niederländischen
Kolonialherrschaft. „Befreiung“ – indonesisch Merdeka – kann auch mit „Freiheit“
oder „Unabhängigkeit“ übersetzt werden. „Indonesia merdeka, dari Sabang sampai
Merauke“ (ein freies Indonesien von Sabang bis Merauke) war ein Slogan der
indonesischen Revolution 1945–1949. Der indonesische Präsidentenpalast trägt den
Namen Merdeka. In der Trikora-Rede 1961 gab Sukarno den „Befehl zur Befreiung
West Irians“.
In West-Papua dagegen wird der Begriff Merdeka nicht für die Einheit Indonesiens
verwendet. Die Papuanische Bewegung der Unabhängigkeit von Indonesien
(Organisation Papua Merdeka) hat ihn im Namen, und beim Hissen der verbotenen
Morgenstern-Flagge wird Merdeka gerufen.
Außenpolitik
Schon 1962 war erfolgreiche indonesische Außenpolitik der Schlüssel zur
Eroberung West-Papuas. Während die militärischen Angriffe gegen die Niederlande
wenig Erfolg zeigten, gaben die Niederländer ihre Pläne der Unabhängigkeit
West-Papuas sehr schnell auf, als die USA den indonesischen Anspruch auf
West-Papua unterstützten.
Die 1994 gegründete US-Indonesische Gesellschaft sagt von sich selbst, sie sei
eine Nichtregierungsorganisation, ist jedoch von Großkonzernen wie Texaco,
Mobile, General Electric, Chevron, American Express und Freeport dominiert.
Mitglieder sind aus der indonesischen Elite, sowie Botschafter und andere
Spitzenbeamte. Laut Denise Leith macht die Gesellschaft eine effektive
Lobbyarbeit um Gefahren z.B. durch Menschenrechtsgruppen und Gewerkschaften
abzuwenden. Ende 2005 konnte ein Gesetzentwurf im US-Kongress verhindert werden,
der sich mit der Gültigkeit des Act of Free Choice von 1969 und der
Sonderautonomie West-Papuas beschäftigen sollte (HR 2601).
Freeport ist nicht nur reicher Steuerzahler, sondern war mit seinen guten
Kontakten in Washington von Anfang an ein Lieblingskind der Suharto-Regierung
und machte internationale Lobbyarbeit für Indonesien, um nach den Enteignungen
internationaler Konzerne und dem Blutbad von 1965 ausländisches Kapital ins Land
zu holen und Indonesien internationale Anerkennung zu verschaffen.
Henry Kissinger war laut 2002 veröffentlichten Geheimdokumenten sowohl 1969 beim
Act of Free Choice hilfreich als auch beim Einmarsch Indonesiens in Osttimor
1975. Später war der frühere US-Außenminister Vorstandsmitglied bei Freeport und
verhinderte kritische Untersuchungen durch Präsident Abdurrahman Wahid bezüglich
Freeports Umweltverschmutzung in West-Papua durch die Grasberg-Mine und ihren
gewaltigen Abraum.
Auf Druck Indonesiens hat Australien die OPM als Terroristische Organisation
eingestuft, was Australiern und Papua, die sich für eine friedliche
Konfliktregelung einsetzen, erschwert, öffentlich zu arbeiten. Australien
unterstützt offiziell die indonesische Linie. Nur kleine Teile der australischen
Opposition unterstützen eine friedliche Lösung des West-Papua-Konfliktes.
Internationale Isolierung
Indonesien betreibt seit Jahrzehnten gegenüber ausländischen Kritikern das
Prinzip der Zwangsausweisung Cekal (cegah tangkal: Listen der
Einwanderungsbehörde, welche Indonesier das Land nicht verlassen und welche
Ausländer das Land nicht betreten dürfen). Daher haben sich alle internationalen
Vertreter und Organisationen, die mit Indonesien kooperieren möchten, angewöhnt,
zu schweigen. Das betrifft auch den Vatikan.[38] Auch Deutschland exportiert
Rüstungsgüter und half bei technologischen Großprojekten wie dem umstrittenen
Staudammbau am Mamberamo (gestoppt aus finanziellen Gründen), ohne Kritik zu
üben.
Aufgrund mangelnder kritischer Informationen können sich von staatlicher Seite
in Umlauf gesetzte Gerüchte schnell verbreiten und die gesellschaftliche
Stimmung stark beeinflussen. Öffentliche Desinformation ist traditionell eine
Grundlage indonesischer Innenpolitik.
Insbesondere West-Papua wird seit Jahren durch Indonesien vom Ausland isoliert.
Ins Land darf nur, wer Geschäfte mit der indonesischen Regierung oder dem
Militär betreibt oder als Tourist sich an strenge Auflagen hält: eine
Aufenthaltsgenehmigung mit genauer Reiseroute (surat jalan) beantragt und sich
unterwegs bei jeder Polizeistation meldet. Keine Einreiseerlaubnis erhalten
ausländische Journalisten und Medien, UN-Organisationen (konkret UNHCR),
internationale Menschenrechtsorganisationen und Umweltschutzorganisationen. Auch
Diplomaten berichten, dass ihnen der Besuch West-Papuas jahrelang durch Jakarta
verboten wurde.[39] Nach mehrjähriger Berichterstattung über West-Papua und Aceh
wurde 2004 die International Crisis Group ausgewiesen.
Mit ihrem Buch Dschungelkind avancierte die in Papua aufgewachsene Sabine
Kuegler 2005 zur Bestsellerautorin. Kritisiert für die fehlende Darstellung der
politischen Situation, fuhr Kuegler 2006 nach West-Papua, traf sich heimlich mit
verbotenen Gruppierungen (einige dieser Menschen wurden kurz darauf ermordet),
notierte Augenzeugenberichte und publizierte anschließend das Buch Ruf des
Dschungels. Eine erneute Einreise nach West-Papua ist Kuegler nicht mehr
gestattet.
Die bisher nicht verbotenen Kirchen sind daher momentan das wichtigste
Bindeglied für die Papua zum Ausland.
Korruption
Korruption ist weit verbreitet in Asien. Besonders in der Suharto-Zeit war
Indonesien viele Jahre das korrupteste Land Asiens und wird von Transparency
International unter den korruptesten Nationen der Welt gelistet. Die Region mit
der höchsten Korruption in Indonesien ist West-Papua. Korruption, Kollusion und
Nepotismus, abgekürzt als KKN bekannt, waren lange akzeptierter Bestandteil der
indonesischen Machtausübung und Wirtschaftskultur. Sie wurden von Indonesiern
und ihren Militärs nach West-Papua gebracht und haben sich unter mit Ämtern
betrauten Papuas verbreitet. Bis 1997 deckte die Weltbank die indonesische
Korruption und gestattete die Fälschung ihrer einflussreichen Länderberichte.
Ebenso ist die indonesische Justiz auf jeder Stufe des Rechtsprozesses, von der
Polizei über die Staatsanwaltschaft bis zu den Richtern, von Korruption
durchsetzt. Wie bei den Militärs, werden nicht für den Lebensunterhalt
ausreichende Bezüge durch Bestechungsgelder aufgebessert. Häufig treffen Richter
Absprachen mit Staatsanwälten, die es den Richtern leicht machen, einen
Angeklagten freizusprechen. Das indonesische Rechtssystem versagt insbesondere
bei der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen und unterstützt die Kultur der
Straflosigkeit.
Ingo Wandelt schreibt über das indonesische Militär:
„Wohl und Sicherheit sind zur Ware verkommen. Die Bevölkerung weiß, dass die
Streitkräfte käuflich sind und dass man sie kaufen muss, will man persönliche
Sicherheit gewährleisten.“
Freeport hat sich immer an diese Regel gehalten und nachweislich bereits
Millionen in die Sicherheitskräfte der Timika-Region investiert.
Justizwesen
Vor Gericht gestellte Papua erwarten keine rechtsstaatlichen Prozesse.
Verhandlungen finden typischerweise in einer Atmosphäre von Einschüchterung,
Angst und Repression statt. Angeklagte in Polizeigewahrsam werden häufig von den
indonesischen „Sicherheitskräften“ gefoltert und unter Druck gesetzt, um z.B.
falsche Geständnisse zu erpressen. Der Kontakt mit Anwälten wird systematisch
verhindert. Erst mit Hilfe von internationalem Druck werden von den Angeklagten
gewählte Rechtsanwälte zugelassen und ist es möglich, dass die Anwälte Fragen
stellen können und ihre Plädoyers zu Ende lesen dürfen.
Zeugen werden ebenfalls bedroht und eingeschüchtert. Auf einen Zeugen im
Mordfall Theys Eluay wurde von einem indonesischen Sicherheitsbeamten ein
Mordanschlag verübt. 2006 überfielen Polizisten eine Gruppe von Zeugen nach
einer Gerichtsverhandlung und störten selbst die medizinische Behandlung von
Verletzten. Zeugen verstecken sich daher oder gehen auf die Flucht, da sie
Schlimmstes für sich und ihre Familien befürchten.
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