Albanien 2d |
Informationen zur Bektaschi-Sekte
Quelle Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Bektaschi
Die Bektaschi-Tariqa (auch Bektashi; albanisch Bektashizma oder Bektashizmi;
türkisch Bektaşilik) ist einer der größten und einflussreichsten islamischen,
alevitischen Derwisch-Orden in Anatolien und auf dem Balkan. Als Begründer des
Ordens gilt traditionell der Sufi und Mystiker Hadschi Bektasch (türkische
Schreibweise Hacı Bektaş Veli; † 1270) auf den sich auch alle Aleviten berufen.
Jedoch ist es sehr wahrscheinlich eher so, dass lediglich der Orden nach diesem
Mann benannt wurde und nicht, dass dieser einen eigenen Orden mit seinem Namen
gründete. Dieser legendäre Mystiker, auf den sich die Bektaschi zurückführen,
wird auch von den Aleviten als wichtigster Heiliger nach Ali ibn Abu Talib
verehrt.
Geschichte
Der Orden der Bektaschi entstand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im
seldschukisch beherrschten Kleinasien. Die Lehre und Gebetspraxis der
Gemeinschaft geht auf Hadschi Bektasch zurück. Er wanderte ursprünglich als
Yesevi-Derwisch aus Chorasan nach Anatolien aus. Die Angehörigen des nach ihm
benannten Ordens verehren ihn als Gründer der Gemeinschaft, doch ist es
wahrscheinlicher, dass sich erst frühe Anhänger von Hadschi Bektasch zu einem
Orden formten.
Die Nähe der Lehren und Ansichten der eher städtisch geprägten Bektaschi-Orden
zum eher ländlichen Alevitentum führt zu einer weitgehenden Gleichsetzung der
beiden Gemeinschaften, so dass sie oft zusammengenommen Alevi/Bektaschi genannt
werden. Es bestand dazu früher auch noch die allgemeine Auffassung, dass man nur
Alevite werden könne, indem man in eine alevitische Familie hineingeboren wird,
Bektaschi dagegen könne jedermann werden, der dieser Sekte beitritt. Wenn man
diese Zusammenhänge betrachtet, erscheinen die Bektaschi als eine Art Sekte des
Alevitentums.
Es gab historisch gesehen ehemals zwei Gruppen von Bektaschi; eine Gruppe, die
sogenannten „Çelebi“, behauptete von sich, direkte Nachfahren von Hadschi
Bektasch zu sein (bel evladi). Eine größere Gruppe von Bektaschi, auch „Dede“
oder „Dedebaba“ genannt, behauptete hingegen, Hadschi Bektasch habe gar keine
physischen Nachkommen gehabt, sondern nur geistliche Jünger (yol evladi).
Das Bektaschitentum fand bei der anatolischen Landbevölkerung viel Anklang und
verbreitete sich ab dem 14. Jahrhundert auch auf dem Balkan, zuerst in
Mazedonien und Kosovo, dann auch in Rumänien und Ungarn. Die aus Anatolien
stammenden Derwische Sarı Saltık Baba, Hıdır Baba und Sersem Ali Dede zählen zu
den ersten Missionaren.
Orhan I. gilt als Gründer der Janitscharen und soll Hadschi Bektasch um seine
Segnung und um einen Namen für seine Elitesoldaten gebeten haben. Vom 16.
Jahrhundert an lebten Bektaschi-Derwische in der Nähe der
Janitscharen-Garnisonen, um dort die Soldaten geistig zu leiten.
Im Jahre 1826 erlitten die Bektaschi sowohl in Albanien als auch in Anatolien
einen herben Rückschlag, als Sultan Mahmud II. die Janitscharen-Truppe auflöste
und die Schließung aller Bektaschi-Tekken im Reich anordnete. Dieser Sultan ließ
durch eine fetva bekanntmachen, dass er eine neue Armee schaffen werde, die nach
europäischen Standards organisiert und ausgebildet werden solle. Wie erwartet
zogen die Janitscharen meuternd gegen den Palast des Sultans. In der folgenden
Schlacht brannten die Kasernen der Janitscharen nach einem heftigen
Artillerieangriff. Dabei wurden 4.000(-8.000[5]) Janitscharen getötet. Die
Überlebenden wurden vertrieben oder hingerichtet und ihr Besitz konfisziert. Das
Ereignis wird Vaka-i Hayriye (Das Wohltätige Ereignis) genannt.
Die verbliebenen Janitscharen wurden in einem Turm in Thessaloniki enthauptet,
der später „Blut-Turm“ genannt wurde. Eine weitere fetva wurde erlassen, die das
Verbot des sufistischen Bektaschi-Ordens zur Folge hatte. Der Leiter des
Bektaschi-Ordens, Hamdullah Çelebi, wurde zunächst zum Tode verurteilt, dann
nach Amasya verbannt, wo sein Mausoleum noch heute existiert. Hunderte von
Bektaschi-Tekken wurden geschlossen und Derwische wurden exekutiert oder
vertrieben. Einige der geschlossenen Tekkes wurden dem sunnitischen
Naqschbandi-Orden übertragen. Im Zuge der Ereignisse wurden über 4.000 - 7.500
Bektaschis exekutiert und mindestens 550 Bektaschi-Klöster (dergâh) zerstört.
Die offizielle Begründung für das Verbot des Bektaschi-Ordens war „Häresie“ und
„moralische Abweichung“.
In Albanien lebte der Orden nach dem Tod des Sultans Mahmud II. aber schnell
wieder auf und erreichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seine
höchste Blüte. 15 Prozent der albanischen Bevölkerung bekannten sich zu den
Bektaschi. In den Balkankriegen (1912/13) wurden 80 Prozent der Tekken in Epirus
und Südalbanien von den Griechen zerstört. Von diesem Schlag konnte sich der
Orden nur schwer wieder erholen.
Bis zum Verbot aller Derwisch-Orden in der Türkei durch den Staatsgründer Kemal
Atatürk im Jahr 1925 hatte der Orden sein Zentrum in Anatolien, danach in
Albanien (Tirana). Seitdem sind die meisten Bektaschi Albaner. Mitte der 1940er
Jahre gab es in Albanien etwa 280 Babas und einfache Derwische und in den 1960er
Jahren immer noch fünfzig Bektaschi-Tekken mit ungefähr achtzig Derwischen. Nach
der Erklärung Albaniens zum ersten atheistischen Staat der Welt im Jahr 1967
wurden die meisten heiligen Stätten der Bektaschi zerstört. Viele Mitglieder
wurden ins Gefängnis geworfen. Bis zum Zusammenbruch der kommunistischen
Diktatur hatten nur fünf Babas und ein Derwisch überlebt. Es gab lediglich sechs
Tekken, die noch als Kultgebäude erkennbar waren.
Vor dem Zweiten Weltkrieg emigrierte Bektaschi führten die Tradition des Ordens
in den USA fort. Die amerikanische Tekke ist 1954 in Detroit eingerichtet
worden. Nach der Aufhebung des Religionsverbots in Albanien im Jahr 1990 wurde
das internationale Zentrum des Bektaschi-Ordens wieder in Tirana eingerichtet.
In Vlora erbauten die Bektaschi 2005/2006 ein großes Bildungszentrum.
Organisation
Die Bektaschi betreiben Konvente (Tekken), in denen Derwische wirken. Das
Oberhaupt der Bektaschi-Tariqa ist der (Groß)-Dede (Dedebaba), Dede bedeutet so
viel wie ‚Großvater‘. Der nächste Rang ist der Halifebaba, anschließend der des
Baba (‚Vater‘). Dieser Rang hat die Aufgaben inne, zu predigen und sich um die
Seelsorge zu kümmern. Die mittlere Station ist die des Derwisch, der wie der
Baba verheiratet sein oder ein zölibatäres Leben führen kann. Am Ende der
Hierarchie steht das normal initiierte Mitglied, der Talib oder Muhibb
(‚Liebender‘). Die Bektaschi wurden zuletzt von Dedebaba Reshat Bardhi geleitet,
der am 2. April 2011 verstarb. Zu seinem Nachfolger wurde im Sommer 2011 Baba
Edmond Brahimaj bestimmt.
In Albanien sind die Bektaschi neben den christlichen Kirchen und dem
sunnitischen Islam eine vom Staat offiziell anerkannte Religionsgemeinschaft. In
der Türkei sind sie seit einem Verbot in den 1920er Jahren nicht wieder
zugelassen worden, werden aber von den Behörden mehr oder minder geduldet. Ende
des 19. Jahrhunderts spielten sie eine wichtige Rolle bei der Gründung der
ersten US-amerikanischen Universität im Nahen Osten, dem Robert College, das
direkt neben der wichtigsten Tekke in Istanbul errichtet wurde.
Religiöse
Praxis
Die religiöse Praxis der Bektaschi weicht von der islamischen Orthodoxie ab. Das
Gebet ist nicht an gewisse Tageszeiten gebunden, sondern konzentriert sich auf
bestimmte Abendstunden, in denen die Arbeit ruht und die Gläubigen sich in
kontemplativer Hingabe den Zeremonien des Cem geistig öffnen können. In diesem
Ritus werden die Gläubigen – Frauen und Männer, Junge und Alte, Arme und Reiche
– durch Gesang, Musik und die Rezitation von Hymnen und Heldensagen in
Begleitung des Sazinstruments in eine mystische Stimmung des ‚Eins-Seins‘ (El
ele ve el hakka) versetzt, in der alle unterschiedslos und gemeinsam ihre Hände
dem Schöpfer (Hak-Tanri-Allah) entgegenstrecken.
Der Semah-Tanz ist der rituelle Tanz der Aleviten und Bektaschi, der innerhalb
der Cem-Zeremonie stattfindet. Er ist der physisch-geistige Ausdruck der ewigen
Wiederkehr aller Schöpfungen, denn im Semah-Tanz drehen sich Frauen und Männer
(als Sinnbild der antagonistischen und sich dennoch bedingenden Gegensätze) im
Kreis und bilden symbolisch den Umlauf der Planeten um die Sonne nach.
Ihr höchstes Fest begehen die Bektaschi alljährlich eine Woche lang am Berg
Tomorr bei Berat in Südalbanien.
Um die Lebenshaltung der Bektaschi zu beschreiben, wird folgende Anekdote
erzählt: Der Kalif besuchte das Oberhaupt des Bektaschi-Ordens. Als er die
üppigen Weinberge um das Konvent des Ordens erblickte, fragte er: „Mein lieber
Freund, was macht ihr denn mit den vielen Weintrauben?“ „Ach“, antwortet der
Derwisch, „wir essen gerne süße, reife Trauben.“ Der Kalif darauf: „Aber es ist
doch unmöglich, so viele Weintrauben zu verspeisen.“ Der Derwisch daraufhin:
„Das ist kein Problem. Was wir nicht essen können, das pressen wir und lagern es
in Holzfässern. Und was dann geschieht, ist allein Allahs Wille.“