Stefan Kleine: Arbeitskommandos in Olpe 12


 

  „Olpe, 25. August. Letzhin konnten wir von der Uebergabe des Neubaus
der Reichsbanknebenstelle berichten. Daß die Bautätigkeit in Olpe aber
auch jetzt trotz der zahlreichen Einberufenen nicht ruht, zeigen die großen
Fortschritte, die man beim Neubau des Pallottinerklosters im Osterseifen
beobachten kann. Wenn mit dem Bau des gewaltigen Hauptgebäudes in der
Hauptsache auch erst nach dem Winter begonnen werden soll, so ist das an
dem linken Flügel grenzende Oekonomiegebäude36 doch schon jetzt unter
Dach und Fach. Zur Zeit ist man mit dem Asphaltieren des Daches, Trep-
penbauten und Arbeiten ähnlicher Art beschäftigt. Die Erdarbeiten für die
Errichtung des Hauptgebäudes gehen ebenfalls trotz der Schwierigkeiten
wegen des steinigen Untergrundes und des Mangels an geeigneten Arbeits-
kräften den Umständen entsprechend gut voran.“
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  Es ist auffallend, dass die Zeitung die Mitarbeit der Internierten bei den
Bauten in Olpe verschwieg. Möglicherweise hielt man die Unterstützung
durch die Kriegsgefangenen für selbstverständlich und nicht erwähnenswert.
Ohnehin begegnete die Bevölkerung, der jeglicher Kontakt zu den Kriegsge-
fangenen untersagt war, ihnen überwiegend wachsam und argwöhnisch.
Überall witterte man Fluchtgefahr und Spionage, was durch die Art der Be-
richterstattung in den Medien noch gesteigert wurde. Im Folgenden wurde
eine im Grunde harmlose Begebenheit im Olper Land vom „Sauerländi-
schen Volksblatt“ zu einer anstößigen Fluchtgeschichte dramatisiert:

  „Olpe 1. Dez. Auf dem Wege von Rhode nach Olpe begegnete am Sonn-
tag abend gegen 9 Uhr der Polizeisergeant Petri einem Pärchen. Beim Nä-
herkommen versuchte die das Mädchen begleitende Mannesperson in ge-
bückter Stellung an Petri vorbeizukommen, was Anlaß zu Verdacht gab. Als
P. daraufhin den Mann festnahm, stellte sich heraus, daß es sich um einen
französischen Kriegsgefangenen handelte, der an einem Neubau dort be-
schäftigt ist. Es ergab sich später, daß der Franzose fließend deutsch
sprach, und daß er wahrscheinlich sich mit Hilfe des Mädchens zu entflie-
hen gedachte. Er wird wieder zum Gefangenenlager nach Meschede ge-
bracht werden, um dort für seinen Fluchtversuch zu büßen. Für das törichte
Mädchen, das in so würdeloser, undeutscher Weise handelte, dürfte die
Angelegenheit noch böse Folgen haben. Die Strafen sind bekanntlich mit
vollem Recht sehr hart.“
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  Ein solcher Artikel kann mit Recht als „meinungstragend“ gebrandmarkt
werden; dennoch gab es in jener Zeit Personen, denen der gesunde Men-
schenverstand nicht abhandengekommen war und die sich von einer derar-
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36 Heute: Gebäude des Jugendhofs in seiner ursprünglichen Gestalt.
37 SV vom 26.8.1915.
38 SV vom 2.12.1915.