Stefan Kleine: Arbeitskommandos in Olpe 13


 

tigen Berichterstattung nicht beeinflussen ließen, was der folgende Leser-
brief in Worte fasst:

  „Man schreibt uns: Die in Nr. 279 des Sauerl. Vbls. geschilderte Fest-
nahme eines französischen Kriegsgefangenen hat sich nicht gegen 9 Uhr,
sondern kurz nach 1/2 9 Uhr zugetragen. Daß es sich bei dem Vorfall um
einen Fluchtversuch gehandelt hat, kann nicht angenommen werden, weil
mehrere Umstände dagegen sprechen. Das Mädchen, an dessen Seite der
Kriegsgefangene gesehen worden war, hatte sich erst kurz vorher von sei-
ner Arbeitsstelle auf den Weg zum Elternhaus begeben. Ob das Mädchen,
wie es in dem Artikel heißt, tatsächlich in 'würdeloser, undeutscher Weise'
gehandelt hat, kann füglich bezweifelt werden, denn dann müßte irgendwel-
che Verabredung vorliegen, was aber bestimmt nicht der Fall ist. Das Mäd-
chen ist m.E. unschuldig. Im übrigen dürfte aber die behördlicherseits be-
reits eingeleitete Untersuchung bzw. die event. folgende gerichtliche Ver-
handlung die Sache klarstellen.“
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  Trotz allen Ressentiments den Kriegsgefangenen gegenüber sprach
man ihnen das Menschsein nicht ab, davon zeugt der folgende Zeitungsbe-
richt über die Beisetzung eines Franzosen:

  „Olpe, 10. Nov. [1916]. Heute morgen fand hier die Beerdigung eines
französischen Kriegsgefangenen statt, der vor einigen Tagen sich auf der
Grube Vahlberger Zug in Rothenmühle eine Lungenentzündung zugezogen
hatte. Kurz nach seiner Einlieferung in das hiesige Vereinslazarett war er
der Krankheit erlegen. Der Olper Kriegerverein gab ihm mit Fahne das letzte
Geleite. Auch etwa 100 auf hiesigen und auf Werken der näheren Umge-
bung beschäftigte französische Kriegsgefangene nahmen an der Beerdi-
gung teil. Pfarrer Hirschmann sprach am Grabe über die Barmherzigkeit, die
wir auch dem Feinde nicht versagen. Mehrere Kränze wurden von den Ka-
meraden am Grabe niedergelegt.“
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  Inzwischen war das Wirtschaftsgebäude auf dem Areal des Pallottiner-
klosters bezugsfertig. Fünf kleine Wohnzimmer, ein Speisezimmer, ein Emp-
fangszimmer, eine Küche und eine kleine Hauskapelle boten den französi-
schen Gefangenen zusammen mit der Wachmannschaft, einem Geistlichen,
zwei Ordensbrüdern als Gefangenenaufseher sowie weiteren Pallottinern,
die ihren Urlaub dort verlebten, eine angenehme Unterkunft.41 Bei einem
guten Arbeitsklima auf der Baustelle gingen die Planierungs- und Kanalisa-
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39 SV vom 4.12.1915.
40 SV vom 11.11.1916.
41 StdA Olpe: Chronik der Pallottiner (Digitalisat). Chronik 1 (1914-1924). S. 17-18