Stefan Kleine: Arbeitskommandos in Olpe 27


 

  Nachdem der Bürgermeister darauf Zeugen zur Klärung des Sachver-
halts vernommen hatte, konnte er die Bedenken des Landrats zerstreuen:

  „In nebenstehender Angelegenheit ist folgendes festgestellt worden: In
der Nacht vom 31. Dezember 1915 zum 1. Januar 1916 haben sich drei
Frauenspersonen in dem von den kriegsgefangenen Franzosen bewohnten
Gebäude aufgehalten, jedoch nicht bei den Gefangenen, sondern bei den
Wachleuten. Die Namen der drei Personen konnten nicht festgestellt wer-
den. Es wird vermutet, daß es Emma Rogge, Theresa Mund und Agnes
Dornseifer hier selbst gewesen sind, die mit den Wachtleuten in regem Ver-
kehr gestanden haben sollen. Die Firma Lütticke hat, nachdem sie von dem
Vorfall Kenntnis erhalten hat, die Ablösung der betreffenden Wachmann-
schaft veranlaßt. Als Frauenspersonen, die in Herrenkleidung umhergegan-
gen sind, kommen in Betracht:
1) die bei Herrn Gerlach in Beschäftigung stehende Köchin Anna Schlösser.
2) die fühere Haushälterin des Fabrikanten Lütticke namens Paula Müller.
3) Fräulein Johanna Allebrodt hier.
  Diese haben sich einen Scherz erlauben wollen, indem sie Bekannte,
nicht aber die Kriegsgefangenen, besucht haben. Anläßlich der Hochzeit
des Fabrikanten Richard Lütticke sind die kriegsgefangenen Franzosen mit
einem Abendessen, einigen Zigarren und mit je einer Flasche Bier bewirtet
worden.“88
Damit waren die Gerüchte aus der Welt geschafft.

  Ab August des Jahres 1917 mussten Kriegsgefangenenarbeiter in In-
dustriebetrieben, die den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung
unterlagen, auch zur Unfallversicherung angemeldet werden.89 Die Versi-
cherungsbeiträge waren für die Unternehmer zu verschmerzen, wenn man
bedenkt, welche Kostenersparnis ihnen der Einsatz der Kriegsgefangenen
brachte. Arbeitsunfälle der Gefangenen in den Olper Industriebetrieben sind
nicht auszuschließen, konkrete Belege dafür konnten allerdings nicht gefun-
den werden. Tatsächlich waren im Ersten Weltkrieg Arbeitsunfälle in Indust-
rie und Bergbau durch mangelnde Arbeitssicherheit an den Arbeitsplätzen
und Überanstrengung der Kriegsgefangenen durch schwere Arbeit und lan-
ge Arbeitszeiten an der Tagesordnung. Die Kriegsgefangenen litten häufig
unter Krankheiten und körperlichen Beschwerden, die die Arbeitsfähigkeit
kurzzeitig beeinträchtigten. In der Zeit von Dezember 1917 bis März 1918
wurden vom Apotheker Joseph Streffing an 15 Kriegsgefangene in der Stadt
Olpe Medikamente verabreicht.90 Ein länger erkrankter Kriegsgefangener,
----------------------------------------
88 Ebenda.
89 Reichsgesetzblatt. Jahrgang 1917. Nr. 145. Gesetz über Fürsorge für Kriegsge-
fangene (15.8.1917).
90 StdA Olpe: Akten A 463.