Zwangsarbeiter aus Belgien - 10


 

Auszüge aus dem Tagebuch des Frans Verreck aus Binkom

über das Lagerleben in Meschede

 

Quelle: Edward 'Chille' Michiels S. 158 - 163

 


 

"Der 19-jährige Frans VERRECK wurde am Montag, den 20. November 1916, zusammen mit 27 Dorfkameraden aus Binkom nach Meschede in Deutschland deportiert. Er schrieb ein Tagebuch im Lager. In seinem Schreiben gibt es keine Erwähnung von Misshandlungen, um ihn z.B. einen Arbeitskontrakt unterzeichnen zu lassen - wahrscheinlich geschah das in den ersten Monaten seiner Gefangenschaft.
Er wurde auch 'relativ' schnell am 18. Januar 1917 wieder nach Hause geschickt und musste wohl daher keine Zwangsarbeit in Fabriken oder anderen Arbeitsplätzen verrichten.
Nur die letzten 20 Tagen von seinem Tagebuch sind erhalten geblieben, der Rest wurde durch einen Brand beschädigt. Wir beginnen am Tag 40 seiner Gefangenschaft.  [Der Text der Frans Verreck wird wörtlich wiedergegeben. Wo der Text nur schwer oder nicht lesbar war oder bestimmte Wörter und Phrasen fehlen, werden diese Lücken durch Punkte gefüllt. Erhalten bleiben Dialektwörter]

 

Samstag, 30. Dezember 1916
Am Morgen gehe ich in die Messe. Dann esse ich meinen Brei. Abermals bekommen die Brüder Taes eine Karte, dass in Binkom alles gut ist und Kameraden nach Hause (gekommen) sind. Alle waren erfreut, etwas von zu Hause zu erfahren. Am Mittag Pfotensuppe. In Baracke 8 wurden viel gerufen.
Abends Gerstenbrei, was uns gut gefällt, da wir ihn seit einigen Tagen nicht mehr bekommen haben.

Sonntag, 31. Dezember 1917
Der gewöhnliche Gang von allen Tagen. Um 9 Uhr essen wir Brot und Fisch.
Ein junger Mann fiel gestern in Ohnmacht. Am Nachmittag ist er nach Hause gefahren. Um vier Uhr bekamen wir Suppe und Kakao. Ich machte früh Bekanntschaft mit meinem Bett.

Montag, 1. Januar 1917
Am Morgen ganz schlechtes Wetter. Trotzdem werde ich meinen Kameraden ein gutes neues Jahr wünschen. Ich bin an der Reihe, Essen zu holen. Als ich den Behälter zurücktrug, konnte ich ein Kochgeschirr mit Suppe ergattern, die war sehr gut. Die beste Suppe, die wir kriegen, ist nämlich Erbsensuppe, und dazu Wurstfleisch.
Am Nachmittag kommen die Deutschen fragen, eine Stunde Arbeit zu leisten. Danach wieder gute Suppe.

Dienstag, 2. Januar 1917
Regenwetter. Die Suppe am Mittag war aber gewöhnlich. Wir bekommen wenig Brot. Heute lief es schlecht mit den Jungs, die Suppe bei den Franzosen holen wollten. Vorsichtig sein ist die Botschaft. So habe ich gestern einen Jungen gesehen, dem ein Loch in den Kopf geschlagen wurde.
Gestern ist ein Mann aus Tienen aus unserer Baracke gestorben.
 

Mittwoch, 3. Januar 1917
Heute war richtiges Hundewetter. Am Vormittag kommen Karten von Kameraden, die zu Hause sind.
Mittags Rübensuppe, die niemand essen kann. Um halb drei Beerdigung von zwei Belgiern. Ich und einige Jungs aus Binkom folgen dem Trauerzug. Wir ziehen unter Geleit der Deutschen los zum Friedhof. Dort liegen 19 Belgier und 22 Russen begraben. Der Friedhof befindet sich etwa eine Viertelstunde vom Lager entfernt. Er scheint sehr armselig und verlassen.

Donnerstag, 4. Januar 1917
Immer noch das gleiche schlechte Wetter. Nichts Neues am Vormittag. Mittags Rübensuppe.
Gestern hat man in den Baracken alle Möbel aufgeschrieben. Dasjenige, was vermisst wurde, muss teuer bezahlt werden. So musste in Baracke 10 jeder 4 Mark bezahlen. Viele haben Gräber machen müssen [Velen hebben moeten graven maken].

Freitag, 5. Januar 1917
Aufwachen mit einem mächtigen Schneesturm. Th. Empsen ..............
In Baracke 10 wurden mehrere gerufen, die nach Hause gehen konnten.
Das Mittagessen ist Rübensuppe. Hatte noch Kartoffeln gekocht. Dazu esse ich meinen Fisch auf. Die Kartoffeln kosten .......
Ich gebe einem Mann einen Brief mit.

Samstag, 6. Januar 1917 Dreikönigstag
Männer aus Attenrode sollen nach Hause dürfen. In Baracke 20 sollen viele als Freiwillige unterzeichnet haben.
Mittags Essen mit Mais drin, das ich gut esse. Es gab auch Nesseltee.
Abends zu den Franzosen wegen Suppe. Alfons (Taes) war auch dort gewesen, aber sie mussten die Beine in die Hand nehmen, dass sie weg kamen, oder sie bekamen es mit dem Bajonett.
Nach den Abendstunden gehen wir zu den Männern aus Attenrode, die jetzt noch immer reisefertig da standen, um abzureisen. Aber sie wissen nicht, wann. Man sagt am Montag.

Sonntag, 7. Januar 1917
Ich gehe wie gewohnt zur Messe. Vormittags keine Neuigkeiten.
Mittags Rübensuppe mit Fleisch, die man gut essen kann.
Vergangenen Donnerstag war plötzlich Alarm für die Feuerwehrleute. Nachdem sie ein Fass Wasser verspritzt hatten, zogen sie wieder ab. Am Mittags stand ich für eine halbe Stunde bei den Franzosen für Suppe an.
Aber statt der Suppe hatte ich nur Kälte. Zum Abendessen kriegten wir sechs Kartoffeln mit Suppe. Es reisen wieder Männer ab. Man sagt, dass das Freiwillige seien. In Baracke 14 wurden Freiwillige getrennt gelegt. Sie erhalten doppelte Ration Brot und mehr anderes Essen.

 

Montag, 8. Januar 1917
An diesem Morgen war es hart gefroren.
Nach der Messe eine warme Tasse Kaffee mit einem Stückchen trockenem Brot. Das schmeckt hier so gut wie zu Hause Schinken mit Eiern.
Mittags schwarze Bohnensuppe, die wir alle gerne essen. Dann beginnen alle bereits, ihre Sachen zu packen und lassen sogar hören, dass sie uns nach Hause gehen lassen.
Um vier Uhr Appell. Wir müssen umziehen. Unsere Baracke wird jetzt die Nummer 34, wo wir alle wieder zusammen schlafen. Jan Goddé liegt in einer anderen Baracke. Jetzt sind wir bei Männern aus La Louviere. In dieser Baracke liegen 250 Männer. Ich bin zufrieden, dass unter diesem Pack Männer aus Tienen sind.
Am Abend gehen wir wieder zurück zu Baracke 39, die bereits voll von Freiwilligen liegt. Um neun Uhr schlafen wir alle bereits dicht und warm beieinander.

Dienstag, 9. Januar 1917
Es ist richtiger Winter. In allen Baracken wurden die Freiwilligen getrennt gelegt.
Um 11 Uhr reisen die Männer aus Attenrode nach Hause. Glückliche Jungens. Das gibt uns gute Hoffnung.
Das Mittagessen war wieder Rübensuppe und Fisch.
Die Brüder Taes mussten wieder zum Büro.
Wir glauben, einen guten neuen Deutschen und eine bessere Baracke zu haben. Um 8 Uhr die Betten gemacht und um 9 Uhr schlafen.
Vorerst nahmen wir Abschied mit einem warmen Händedruck von den Männern aus Attenrode. Wir wünschen ihnen ein baldiges Wiedersehen.

Mittwoch, 10. Januar 1917
Morgens zur Messe. Es ist nicht so kalt wie die vorigen Tage.
Heute zogen bereits Freiwillige ab.
In unserer neuen Baracke ist alles viel besser als in der vorherigen. Alles wird dort von unserem Barackenchef geregelt.
Die Jungs aus Attenrode, die nicht nach Hause durften, sind nicht mehr ruhig, seit ihre Kameraden nach Hause sind. Die Brüder Taes mussten Baracken abreißen, aber sie beschwerten sich heftig
Am Abend ging's wieder für Brei zu den Franzosen. Alfons Taes war auch dabei. Aber es lief schlecht. Taes hatte seine Holzscheite verloren. Wie ein Hase kam er in die Baracke gestürmt. Später hat er die Scheite doch noch zurück gekriegt. Heute Mittag gibt es viele, die zur Visite gehen mussten.

Donnerstag, 11. Januar 1917
Morgens mildes Wetter. Wie üblich bin ich in die Messe gegangen. Man sagt, dass wir gehen dürfen. Man ruft die Taes auf die Schreibstube. Aber sie gehen nicht mehr.
Mittags rufen die Deutschen sie wieder auf, aber sie sagen, dass sie nicht arbeiten.
Mittags Kohlsuppe, die nichts wert ist.
Es kommen drei Männer aus Langdorp. Unsere Männer dahin, um Neuigkeiten zu hören. Aber die Jungs sehen dumm aus. Man hat ihnen aufgelauert, und sie sind gefangen worden.
In Baracke 22 wurden abends vier ausgerufen.

Freitag, 12. Januar 1917
Schnee hat alles zugedeckt. Als wir aus der Messe kamen, gingen wir mit einigen zu einer anderen Baracke, um ein paar Neuigkeiten zu hören. Aber nichts.
Wir waren kaum wieder in unserer Baracke als sie die Taes aufriefen. Sie mussten um 1 Uhr auf der Schreibstube sein um abzureisen. Wohin? Nach Hause?
Heute Rübensuppe mit .............. für unseren Mittag.
Es scheint doch, dass die Brüder Taes nach Hause dürfen. Wir begleiten sie und verabschieden uns mit einem warmen Händedruck.
Abends bin ich auch noch mal bei den Franzosen gewesen. Die Deutschen jagten alle weg. Ich sagte, dass ich Arbeit geleistet habe. Das funktionierte, und ich tat meinem Bäuchlein was Gutes.
Ich war mit in der Stadt gewesen und hatte eine Menge Naschzeug und Tabak mitgebracht. Aber alles war sehr teuer.
Es kommen viele Pakete, aber nur für die Wallonen. Für uns nichts.

Samstag 13. Januar 1917
Es schneit immer noch. In der Messe gibt es viel weniger Menschen. Es ist völlig Winter und der Schnee liegt schon hoch. Es sind wieder Jungs abgereist.
Die Wallonen bekommen viele Pakete, aber einige sind bereits geöffnet gewesen
Freiwillige reisen wieder wacker ab. Die Deutschen sagen, dass in der nächsten Woche ein General kommt. Alles muss sauber sein. Heute war ich mit Brot holen. Ich konnte dort gerade ein paar Kartoffeln schnappen.
Die Jungs aus Attenrode kommen und zeigen Karten, die ihre Kameraden aus Lüttich geschrieben hatten. Man sagt, dass wir bald an der Reihe sind, abzureisen.

Sonntag 14. Januar 1917
Immer noch das gleiche Wetter. In dieser Nacht träumte ich, dass ich zu Hause war. Schade, dass es nicht wahr war.
Morgens um 8.00 Uhr erhalten wir Gerstenbrei und Brot.
Jetzt beginnt es mich langsam im Lager zu langweilen. Immer das gleiche, immer Lügen. Und wie traurig ist das Leben mit einem leeren Magen. Es wird gesagt, dass die Straßenbahnlinie Leuven-Diest abgebrochen ist.
Mittags kaufe ich Apfelsinen. Das Mittagessen ist Rübensuppe.
Dann müssen wir wieder arbeiten. Wir gingen zu den Franzosen, wurden aber mit Schneebällen empfangen. Bald war es ein Bombardement zwischen Franzosen und Belgiern. Auf den Bergen um uns herum sehen wir, wie die Deutschen sich beim Schlittenfahren vergnügen.
Wir mussten zum Bahnhof, um ..... abzuholen. Als wir fertig waren gingen wir zu den Franzosen. Wir hatten bereits eine Ration Brot gehabt, aber als ein Offizier sah, dass die Franzosen uns etwas in die Hände stopften, schoss er zornig auf uns zu. Er verbot, noch etwas zu geben. Er sagte, dass das Essen für die Freiwilligen war. Wir gingen alle schimpfend zurück zu den Baracken.
Ein paar Minuten, nachdem wir drinnen waren, hörten wir ein Geheul und Geschrei an unserer Treppe. Die Deutschen hatten einen Walonen in ihren Händen. Er bekam eine Menge ....
Wir bekamen Gerstenbrei und Scheibenkäse. Damit taugte der Sonntag nichts. Man soll mich nicht mehr dazu kriegen am Sonntag zu arbeiten.

 

Montag 15. Januar 1917
Es war hart gefroren. Als ich aus der Messe kam, war der Ofen aus. Alles musste gereinigt und gescheuert werden, da die Deutschen sagten, dass der General käme.
Ich verbrachte den ganzen Tag eiskalt, denn man saß überall ohne Kohle. Mittags Bohnensuppe und abends guter Gerstenbrei. Da es draußen kalt und richtiger Winter ist, stecken wir früh unsere Pfeifen an.

Dienstag 16. Januar 1917
Es ist hart gefroren und kalt an diesem Morgen. Ich bleibe den ganzen Morgen in der Baracke und vergnüge mich damit, meine Jacke auszubessern. Die Deutschen reinigen noch Fenster und Töpfe . Alles muss bis morgen sauber sein.
Mittags Rübensuppe mit Fisch, Muscheln abends.
In mehreren Baracken wurden welche aufgerufen, nach Hause zu reisen.

Mittwoch 17. Januar 1917
Noch immer liegt Schnee, obwohl es wieder milder wird. Man ist immer noch dabei, alles vorzubereiten, falls Exzellenz kommt. Wir müssen unsere Matratzen gut aufrollen die .......... so dass man den Schmutz nicht sehen sollte.
Um 12 Uhr bekamen wir jetzt bei Gelegenheit gute Rübensuppe, Dosenfleisch und Margarine, die ich mit Genuss bewältigte. Vom General selbst habe ich nichts gesehen, dennoch sagt man, dass er in Baracke 37 war.
Am Abend, als ich schon schlief, wurden 14 Jungs aus Binkom gerufen, die nach Hause gehen durften. Glücklicherweise war ich auch dabei.
Wir mussten unsere Pässe abgeben. Wir liefen von Baracke zu Baracke, um das unseren Kameraden zu erzählen. Dann gingen wir zu Bett. Aber wir konnten kein Auge zumachen. Unsere Freude war zu groß.
Sie sagten uns, dass wir am nächsten Tag mittags für die Abreise bereit sein mussten.
Unsere Kameraden, die nicht mit durften, waren niedergeschlagen.

Donnerstag, 18. Januar 1917
Am Morgen waren wir wieder früh dabei, unsere Sachen zu packen. Die Kameraden, die dableiben mussten, halfen uns dabei.
Wir aßen unseren Morgenbrei und liefen dann von Baracke zu Baracke, um Brot zu kaufen, um es mitzunehmen.
Um 8 Uhr der übliche Appell. Unsere Deutschen waren sehr überrascht, dass wir abreisen durften. Dann standen wir ungeduldig die ganze Zeit und warteten. In den anderen Baracken waren sie schon abgezogen.
Endlich kamen sie, um uns zu informieren , dass wir unser Gepäck aufnehmen und unsere Decken, Handtücher, Kochgeschirr und Löffel abliefern sollten.
Unsere Kameraden waren sehr traurig und geleiteten uns zu unserer alten Baracke 39. Dort jagten wir eilig etwas heiße Suppe durch die Kehle.
Dann war es soweit. Mit einem warmen Händedruck verabschiedeten wir uns und gingen in das Franzosenlager, wo noch andere warteten. Dann mussten wir uns zu fünft aufstellen. Wir bekamen einen Karton Nahrung Lebensmittel für fünf Mann, für jeden Mann eine doppelte Ration.
Halb eins zogen wir zum Bahnhof, wo wir warten mussten. Endlich fuhr der Zug ab. Vom Bahnhof sahen wir noch einmal unseren traurigen Aufenthaltsort, wo unsere Kameraden mit ihren Taschentüchern standen und uns hinterher winkten.
So verließen wir die Stadt Meschede und sagten einen letzten Gruß an unserer unglücklichen Kameraden, die zurückblieben. Wir fuhren in Richtung Rhein. Den überschritten wir gegen 7 Uhr abends.
In dunkler Nacht ging es Richtung Aachen. Wir kamen dort um halb elf an.
In Herbesthal, an der deutsch-belgischen Grenze, hielt der Zug bis zum Morgen.
Gegen halb sieben fuhren wir durch Verviers, um in Lüttich um 8 Uhr morgens anzukommen.
Ein Großteil des Tages blieben wir in Lüttich stehen. Gegen 8 Uhr abends kamen wir in Leuven an.
Da wurden unsere Papiere untersucht und unsere Pässe abgestempelt. Wir bekamen die Erlaubnis, in die Stadt zu gehen und liefen freudig zu einem Muschelhaus. Wir schlangen eine gute Portion Miesmuscheln hinunter. Aber bald mussten wir nach draußen, denn um 9 Uhr war alles geschlossen.
Gegen halb zwei in der Nacht gab es einen Zug nach Lienen. Der war proppenvoll. Wir durften in einem Wagen der zweiten Klasse sitzen.
In Tienen kamen wir um 2 Uhr nachts an. Von da ging es zu Fuß weiter nach Binkom. Da kamen wir um halb vier an.
Wir klopften bei vielen Nachbarn an, und bald war jedermann auf den Beinen."
 


 

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