Zwangsarbeiter aus Belgien - 9 |
Arbeits- und Lebensbedingungen
Quelle: Edward 'Chille' Michiels S. 128 ff
Die Angaben zum Arbeitslohn waren ganz unterschiedlich. Es gab von deutscher Seite auch keine verbindlichen Tarife für Zwangsarbeiter. Die Löhne, die denen versprochen wurden, die freiwillig einen Arbeitskontrakt unterzeichneten, stimmten meist nicht. Oft bekamen die 'Freiwilligen' sogar noch weniger als die anderen Deportierten. Nach Michiels gaben 62% der Deportierten an, Lohn erhalten zu haben, die übrigen hatten 'nichts' oder 'keinen Centime' bekommen. Von den Löhnen wurden oft bis zu 3/4 für 'Kost und Logis' wieder abgezogen. Nach den Angaben der Deportierten berechnete Michiels einen Lohndurchschnitt von ca. 50 Pfennig pro Stunde bzw. 5 Mark pro Tag (ein 10-Stundentag war üblich).
Lohntüte von Herman Laurent Er arbeitete 115 Stunden à 50 Pfennig = 57,50 Mark Nach Abzügen blieben ihm 26,70 Mark, weniger als die Hälfte
Quelle: Archief Jeannine Laurent (Enkeltochter von Herman Laurent) Michiels S. 129 |
"...Aber eigentlich spielt der Lohntarif keine Rolle. Ob sie viel oder wenig Geld für ihre Zwangsarbeit bekamen - alles, was sie verdient hatten ging schließlich zurück ins Reich.
Durch Unterernährung und ekelhaftes Essen, wofür alle Männer durch den Lohnabzug bezahlten, wurden die Gefangenen in der Tat gezwungen, 'besseres' Essen dazu zu kaufen - von den Deutschen. Es kam so, dass sie beinahe nur dafür arbeiteten, um ihr Essen zu bezahlen, die paar Cent Überschuss (selten vorkommend) waren dazu da, sie 'brav' zu halten und Streiks zu vermeiden!" (Michiels S. 130)
Man muss allerdings dazu sagen, dass der Winter 1916/17 besonders hart war und auch die Deutschen im Reich großen Hunger litten. Dieser Winter wurde im Volksmund 'Steckrübenwinter' genannt.
"Der Steckrübenwinter, auch Kohlrübenwinter genannt, bezeichnet eine Hungersnot im Deutschen Reich im Winter 1916/17 während des Ersten Weltkriegs, ausgelöst durch Missernten und einer kriegsbedingten Seeblockade durch die Alliierten.....
.... Ein verregneter Herbst 1916 verursachte eine Kartoffelfäule, die die Ernte etwa auf die Hälfte des Vorjahres reduzierte. Ernährungswirtschaftlich war der Krieg für Deutschland schon 1916 verloren. Die Steckrübe, eine Kohlart, wurde für breite Kreise der Bevölkerung wichtigstes Nahrungsmittel. Man ernährte sich von Steckrübensuppe, Steckrübenauflauf, Steckrübenkoteletts, Steckrübenpudding, Steckrübenmarmelade und Steckrübenbrot. Mit dem Spitznamen „Hindenburg-Knolle“ wurde sie nach dem damaligen deutschen Oberbefehlshaber Paul von Hindenburg benannt. Im Winter kam es zu einem unerwarteten Kälteeinbruch. Zudem wurden die Wohnungen mangels Kohle kaum mehr beheizt. Die Bevölkerung wurde teilweise durch Suppenküchen notdürftig versorgt.
Im Frühjahr 1917 sank die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln auf ihren Tiefpunkt. Die Ernte im Herbst brachte eine leichte Verbesserung. Allerdings war sie auf die Hälfte eines normalen Ertrags gesunken. Gleichzeitig hatten die zugeteilten Lebensmittel durchschnittlich 1.000 kcal. Die katastrophale Ernährungslage trug zu der Streikwelle bei, die, ausgehend von Berlin und Leipzig, die deutsche Rüstungsindustrie seit April 1917 empfindlich traf.
In Deutschland starben von 1914 bis 1918 insgesamt etwa 800.000 Menschen an Hunger und Unterernährung....."Quelle und weitere Informationen: (https://de.wikipedia.org/wiki/Steckr%C3%BCbenwinter)
"....Wenn man schließlich 'bedankt' wurde für die Zwangsarbeit, durften die belgischen zwangsrekrutierten Arbeiter nicht sofort nach Hause zurückkehren. Trotz hunderter Kilometer 'Umweg' wurden doch alle erst zurück zum Lager in Meschede geschickt , manchmal für ein paar Tage oder mehr als eine Woche.
In Meschede hielten die Deutschen immer sorgfältig die 'Verwaltung' aufrecht für die Tausenden von Deportierten, und so wurden sie auch endgültig 'ausgetragen'.
Dann erst wurden sie in einen Zug gesetzt, um in ihr Dorf und zu ihren Familien in Belgien zurückzukehren! Ausgenommen natürlich die, die bereits aus den Fabriken oder Werkstätten geflohen waren, oder diejenigen, die nach ihrem 'Urlaub' in Belgien nicht zurückkehrten, aber die bekamen später Probleme...!
Zwangsarbeiter, Deportierte, Exilanten, angeforderte Arbeiter oder Zivilgefangene, oder wie auch immer man es nennt - es ähnelte dem Sklavenhandel im 17. Jahrhundert, nur das Schiff wurde durch einen Zug ersetzt!
War all das Leid und Elend nötig? Und was hat es gebracht?
Für die Deportierten selbst natürlich nichts, im Gegenteil, einige waren für das Leben gebrochen, traumatisiert oder blieben für den Rest ihres Lebens Invaliden, ganz zu schweigen von der Armut, die ihre Familien dadurch erleben mussten...
Für die Deutschen brachte es auch zu wenig [find ich persönlich!]
Wenn man sich anschaut, wie viel administrative und logistische Unterstützung diese Deportationen verlangten, wie viele deutsche Soldaten dafür benötigt wurden und vor allem die Menge an Energie, die Deutschland dadurch 'verschwendete':
- Das Verteidigen und Rechtfertigen dieser umstrittene Maßnahme;
- Ausarbeitung der unzähligen Einberufungslisten und Briefe an die Gefangenen;
- die Massenorganisation der Untersuchungen bei der ersten Selektion in den Städten, in denen nur die Hälfte der einberufenen Arbeiter deportiert wurden;
- die zahllosen Bahnreisen in die Lager, zu den Straflagern, zwischendurch zu den Gefängnissen, dann weiter zu den Werkstätten und Fabriken, zurück zum Basislager und schließlich zurück nach Belgien ...;
- die große Zahl der Kranken, die vom Basislager zurück nach Hause geschickt wurden und die zahlreichen Verletzten, die keine menschenwürdige Arbeit mehr leisten konnten;
- die mehr als 2.600 Toten ...
War es das alles wert?..." (Michiels S. 133)