Zwangsarbeiter aus Belgien - 8


Arbeits- und Lebensbedingungen

Quelle: Edward 'Chille' Michiels S. 123 - 127


Nach internationalen Kriegsverträgen, die auch Deutschland unterzeichnet hatte, war es verboten, Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter für militärische Zwecke einzusetzen. Deportation und Zwangsarbeit war ebenfalls eine Verletzung internationaler Verträge.

"....In den Berichten der Deportierten lesen wir eindeutig, dass alle unsere deportierten Bürger in der deutschen Kriegsindustrie eingesetzt wurden, zwar nicht direkt bei der Herstellung von Waffen, die gegen ihre eigenen Landsleute eingesetzt wurden, aber nicht weit davon entfernt ...
Unsere Jungs rissen sich wirklich nicht darum, eine neue 'Soda- oder Pulver'-Fabrik zu bauen, die Sprengstoffe und Schießpulver herstellen sollten, um belgische Soldaten in die Luft zu sprengen, aber sie wurden dazu gezwungen.
Die Tatsache, dass die Deportierten erklärten, dass sie an "Kriegsmaterial" arbeiteten, sagt auch genug. In Munitionsfabriken zu arbeiten oder Granaten zu stapeln ist auch nicht gerade friedfertig. Das Fällen von Bäumen schien unschuldig, aber nicht, wenn diese als Holzkohle für die Herstellung von Schießpulver diente. Schienen verlegen, Be- und Entladen von Schiffen und Brücken bauen war auch noch so eine Sache, aber es war allemal im Dienste des 'Krieges'!...

...Das Leben in den Fabriken und Werkstätten war darüber hinaus nicht angenehmer als im Lager von Meschede und meistens ungesunder. Das einzig Positive gegenüber dem Lagerleben war, dass man hier keine Langeweile kannte! Ungeachtet der Tatsache, dass man hier schwere Zwangsarbeit verrichten musste, war das Essen nicht nahrhafter als in Meschede und auch alles andere als appetitlich....(S. 123)

...Die Behandlung durch die Wachen war ebenso unmenschlich ... und wenn du krank wurdest, hattest du Pech gehabt.
Die meisten Kranken wurden nicht versorgt und mussten weiter arbeiten. Nur die schlimmsten Fälle schickten sie nach Hause, aber immer zuerst zurück nach Meschede, um von dort mit dem Zug nach Hause zu fahren, trotz der Tatsache, dass dies manchmal 500 Kilometer Umweg bedeutete. Die kranken und erschöpften Männer waren manchmal tagelang unterwegs, bevor sie zu Hause behandelt werden konnten ... auf ihre Kosten!..." (S. 124)


Aus Berichten der Deportierten:

"Mit dem Revolver bedroht, geschlagen, in Kellern eingesperrt, zweimal 24 Stunden keine andere Nahrung als 250g Brot":
"Ich musste arbeiten für das Essen, das nicht ausreichend und sehr ekelhaft war."
Lucien D., ein 18-jähriger Landarbeiter ..., hatte in Meschede einen Vertrag unterzeichnen müssen "unter dem Hunger-Zwang" und musste in Neckarzimmern Erdarbeiten verrichten, Schiffe entladen, Eisenbahnschienen verlegen usw. für eine 'Pulverfabrik'. Allerdings konnte er nicht hart gearbeitet haben. Weil "ich einen Kaffee genommen hatte, ohne dass sie mir die Genehmigung dafür gegeben hatten", schlugen die Deutschen ihn so wütend "durch Treten und Schlagen mit dem Gewehr über den ganzen Körper", dass er am 4. März 1917 ins Krankenhaus aufgenommen wurde. Er wurde versorgt durch "einem deutschen Arzt" und war nach 4 Monaten ... einigermaßen wieder hergestellt. (S. 124/125)

Der 19-jährige Albert D., ein Bauernsohn aus ...Vertrijk, arbeitete in den Wäldern von Neuastenberg und Mollseifen, und er hatte auch eine traurige Geschichte:
"Eines Tages im Winter '16 auf '17 mussten wir Nussbäume, bestimmt für Gewehrkolben, umhauen. Es fror die Steine aus dem Boden, aber wir mussten weiter arbeiten. Ein anderer Deportierter rief, dass er seine Axt nicht mehr halten könnte wegen der Kälte. Er fand kein Gehör bei den deutschen Wachen und musste sein Pensum erfüllen. Kurze Zeit später hackte er sich - wegen der Kälte und mit steifen Fingern - versehentlich in den eigenen Fuß. Er betrachtete dies als eine Art Erlösung und konnte auf die Krankenstation. Wir haben ihn jedoch nie wiedergesehen." (S. 125)

Die vielen Verletzungen auf Baustellen und in Fabriken waren tägliche Kost. Aus Mangel an Sicherheitsvorschriften, durch den hohen Arbeitsdruck und die Erschöpfung durch die schwere Arbeit, gab es regelmäßig Verletzte und auch Getötete während der Zwangsarbeit. Regelmäßig wurden Gliedmaßen der Arbeiter zerquetscht, Arbeiter zwischen Waggons zerdrückt, von Wagen überfahren etc ...
Einen "Arbeitsunfall" könnte man das möglicherweise nennen, aber von einer Invalidenversicherung war natürlich keine Rede.
Auch erfrorene Gliedmaßen, mit Amputationen als Folge, waren ein weit verbreitetes Phänomen.
Glücklicherweise blieben die Männer von Boutersem hiervon verschont! (S. 125)

In den Jahren nach der Rückführung erlagen viele hundert belgische Zwangsarbeiter den direkten Folgen der Deportation:
Jozef D., ein junger Mann von 22 Jahren aus ...Vertrijk starb ein Jahr nach seiner Rückkehr an all den Schlägen, die er von seinen deutschen Wachen im Lager von Meschede und Neckarzimmern erhielt, wo er gezwungen wurde, zu arbeiten! Vor seiner Deportation war Joseph der Ernährer zu Hause, für seine Mutter, die seit 1903 verwitwet war, und für den Rest der Familie.
Er verbrachte acht Monate in Deutschland, erst ein paar Monate im Lager in Meschede, wo sie versuchten, ihn durch Aushungern und Schläge dazu zu zwingen, einen Vertrag zu unterzeichnen. Danach wurde er zwangsweise 320 km weiter nach Neckarzimmern geschickt, um in einer neuen Fabrik im Aufbau (Badische Anilin- & Soda-Fabrik) schwere Erdarbeiten zu verrichten. Dank eines Generalstreiks der Zwangsarbeiter kam er am 1. August 1917 frei.
Drei Jahre nach dem Tod von Jozef schrieb beim Ausfüllen seiner Akte am 30. April 1921 seine Mutter die vier Jahre zuvor gestellte Diagnose von Dr. Stroobants auf den Fragebogen:
1. Wodurch wurde er verwundet? - Durch Schläge mit dem Gewehrkolben
2. Welche Verwundung? - verursacht einen Ball (Schwellung?) am Herzen
Nach Dr. Stroobants haben die Gewehrschläge "einen Ball" am Herzen verursacht, der Jozef ein Jahr später verhängnisvoll wurde.
Die Frage, ob sein Tod die direkte Folge der Deportation und des Eingesperrtseins war, schrieb die Mutter vorsichtig: "Ich denke es" ...!
Bei der Frage nach den erforderlichen Nachweisen oder ein "Zertifikat" eines Arztes musste die Witwe notgedrungen antworten: "Der Arzt ist verstorben."
Die Stellungnahme des Stadtrats war:
"Die Aussage der Witwe Peeters scheint aufrichtig."
Stellungnahme des Provinz-Kommission:
"Sachschaden 1150 fr., Körperlichen Schaden 150 fr."
Der Betrag war lächerlich gering. Es wurde nur berücksichtigt der Verschleiß der Kleidung und die Anschaffungskosten sowie der Verdienstausfall durch die Deportation.
Auch nach den Begräbniskosten in Deutschland wurde gefragt und aufgeschrieben, 298 Franken, aber nicht zurückerstattet. Ob die Mutter später noch "Kriegsschädenerstattung" von dem zuständigen Gericht erhielt ist nicht bekannt. (S. 126)

"...Von 18 Dorfbewohner oder 10% der Deportierten wissen wir, dass sie erst Jahre später genasen, sieben Männer behaupteten sogar im Frühjahr 1921, noch nicht genesen zu sein, das war 4,5 Jahre später!
In Wirklichkeit war die Anzahl der Kranken vielleicht noch höher, weil nicht alles Elend gerne breit ausgebreitet wird. Viele kamen gebrechlich zurück und waren fürs Leben gezeichnet, krumm vom Rheuma oder sie hatten chronische Bronchitis, Brustfellentzündung und Tuberkulose, ... waren aber vor allem psychisch gebrochen. Auch zu Hause waren die geschwächten Deportierten extrem anfällig für Krankheiten. Manchmal waren sie lange Zeit bettlägerig und ständig arbeitsunfähig, 15% bis 60%." (S. 127)
 


 

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