Zwangsarbeiter aus Belgien - 7 |
Von Meschede aus an Arbeitsplätze in ganz Deutschland verteilt
Im April 1917 wurden aufgrund internationaler Proteste die weiteren Deportationen aus Belgien gestoppt. Aber die zivilen Belgier, die bereits in Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten, wurden nicht zurück geschickt!
Bis April 1917 durften von den 184 Deportierten aus Boutersem 81 Männer von Meschede aus nach Belgien zurückkehren. Viele von ihnen waren so krank, dass sie nicht mehr arbeitsfähig waren. Die 103 Verbliebenen wurden auf Arbeitsplätze in ganz Deutschland verteilt.
"... Die restlichen 103 Dorfkameraden, ob mit oder ohne Arbeitsvertrag (das spielte letztlich offensichtlich keine Rolle), wurden weiter zur Zwangsarbeit 'abgestellt' in einer der mehr als 26 verschiedenen Arbeitsstätten und Fabriken, meistenteils in den heutigen Bundesländern Nordrhein -Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen, die sich alle im Westen und in der Mitte Deutschlands befinden...." (Michiels S. 98)
Schematische Darstellung der Arbeitsorte,
in die die Männer aus Boutersem von Meschede aus verschickt wurden.
Auf der Tabelle darunter die Anzahl der Zwangsarbeiter aus Boutersem (Michiels S. 98)
Nur wenige verblieben im näheren Umkreis von Meschede (Neheim-Hüsten, Neuastenberg, Mollseifen, Rönkhausen, Wingeshausen). Manche arbeiteten auch an mehreren Orten. Nach Beendigung der Arbeit mussten alle zurück nach Meschede und wurden von dort nach Hause geschickt.
Tabelle mit Informationen über die Arbeitseinsatzorte (Quelle: Michiels S. 99 - 122):
Ort |
Arbeitsstätten |
Neckarzimmern Baden-Württemberg (Nordbaden) heute ca. 1500 Einwohner |
Hier wurden 48 Männer aus Boutersem eingesetzt. Sie mussten am Aufbau einer 'Pulverfabrik' arbeiten. Sie sprachen von einer 'Sodafabrik' oder 'Badische Anilin Sodafabrik' oder 'Aufbau einer Munitionsfabrik'. Nach ihren Aussagen waren ihre Tätigkeiten: Erdarbeiten, Keller bauen, den Bau der neuen Fabrik vorbereiten, unterirdische Betonarbeiten, Keramikarbeiten, im Steinbruch Steine heraushauen, Schiffe mit Beton entladen, Arbeiten an der Eisenbahn. Sie mussten demnach eine völlig neue Fabrik aufbauen und eine Eisenbahn zu den Gipsminen anlegen, worin sie auch neue Gebäude und Betonkonstruktionen errichteten. Seit dem frühen 19. Jahrhundert gibt es einen Gipsstollen in Neckarzimmern, dessen Gips während des Ersten Weltkrieges besonders intensiv abgebaut wurde (bis zu 500 Eisenbahnwaggons am Tag), da aus dem Gips im benachbarten Reichsschwefelwerk in Haßmersheim der kriegswichtige Schwefel für die Munitionsproduktion gewonnen wurde. (wikipedia) Im Ersten
Weltkrieg wurde die BASF in die Rüstungswirtschaft integriert. Neben
Ammoniak und Salpeter als Ausgangsstoffe für die Sprengstoff- und
Schießpulverproduktion wurden Vorprodukte für die Giftgaserzeugung
hergestellt. 1916 errichtete die BASF mit dem Ammoniakwerk Merseburg
(Leunawerke) ein zweites Ammoniak-Synthesewerk und baute die Oppauer
Produktionsstätten weiter aus, um der starken Nachfrage, vor allem
aufgrund der unerwarteten Kriegslage (durch den Stellungskrieg wurde
weit mehr Sprengstoff und Schießpulver als vorgesehen benötigt),
gerecht zu werden. |
Lettgenbrunn Hessen (bei Bad Orb) heute ca. 800 Einwohner
|
Hierhin wurden die hartnäckigsten 'Arbeitsverweigerer' aus Boutersem (20 Männer) transportiert, bevor sie einem festen Arbeitsplatz zugeordnet wurden. Lettgenbrunn war ein 'Disziplinar- und Straflager'. Die Häftlinge waren gezwungen, unmenschliche Sklavenarbeit in den Steinbrüchen zu verrichten. Sie mussten unter den Felsen Bäume schlagen und ganze Wälder roden, um Schienenwege anzulegen, alles ohne Bezahlung. Hier wurden sie gezwungen, doch noch einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen. Nach ungefähr 3 - 4 Wochen zogen diese 20 Männer von Lettgenbrunn zu Fabriken, wo sie auch Lohn bekamen, aber wenig. |
Wetzlar Hessen 1917 ca. 15000 , heute ca. 51000 Einwohner
|
Von Lettgenbrunn, wo die hartnäckigsten Arbeitsverweigerer 'domestiziert' wurden, kamen 13 Männer nach Wetzlar, um dort in einer Fabrik zu arbeiten. Einige sprachen von einer 'Fabrik für Kriegsgerät', andere von 'Munitions-, Eisen- und Zementfabrik' oder 'Buderus Eisenwerke Wetzlar'. Dort mussten sie unter anderem Waggons mit Eisenerz entladen, Formen stapeln etc. Sie waren hier 'privat' einquartiert, bewacht von 3 Soldaten. Die Männer, die unter Zwang einen Arbeitsvertrag unterzeichnet hatten, mussten 2 Monate länger als die anderen arbeiten, sie kamen erst am 20. Oktober 1917 wieder nach Hause. Buderus'sche Eisenwerke: Das Unternehmen beschäftigte am 31. Juli 1914 8500 Arbeiter, von denen zu Kriegsbeginn 2000 zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Im Februar 1915 wurden Kriegsgefangene in der Produktion eingesetzt und ab Mai 1915 deutsche Frauen in den Werken beschäftigt. Ende 1916 erreichte die Zahl der beschäftigten Kriegsgefangenen mit 1584 ihren Höchststand. Die Produktion in den Graugießereien wurde im Rahmen der Kriegswirtschaft auf Heereslieferungen, vor allem von Munition, umgestellt. Man errichtete 1915 eine Stahlformgießerei auf dem Gelände der Sophienhütte, um Stahlguss-Granaten herstellen zu können. (wikipedia) |
Frankfurt am Main Hessen 1917 ca. 415.000, heute etwa 717.000 Einwohner |
10 Männer aus Willebringen
wurden bereits am 18.12.1916 nach Frankfurt am Main geschickt. In
Frankfurt kamen sofort 8 von ihnen wegen Arbeitsverweigerung ins
Gefängnis. Dann mussten sie am Bau einer Munitionsfabrik (vermutlich
in Hanau) arbeiten. Einer erinnerte sich noch an den Namen der
Baufirma: 'Hoch- und Tiefbau', heute Hochtief. |
Gustavsburg (bei Mainz) Hessen heute Ginsheim-Gustavsburg, ca. 16.000 Einwohner
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Fünf Männer aus
Groß-Boutersem wurden aus dem Straflager Lettgenbrunn entlassen und
in verschiedene Fabriken in Gustavsburg, ca. 100 km westlich
geschickt. |
Dietesheim heute Teil von Mühlheim am Rhein Hessen heute ca. 2800 Einwohner |
Zwei Männer (einer war gerade 18 Jahre alt geworden) kamen von Meschede zunächst ins Straflager Lettgenbrunn, danach zum Arbeiten nach Dietesheim. Beide arbeiteten beim Brückenbau über den Rhein. Der 18-jährige arbeitete auch in Gustavsburg und an der 'Ludendorff-Brücke' in Remagen. Er muss ein guter Arbeiter gewesen sein, man behielt ihn in Deutschland bis zum 31.10.1917. |
Knapsack (Hürth) Nordrhein Westfalen heute Stadtteil von Hürth wegen Umweltverschmutzung größtenteils umgesiedelt, heute ca. 152 Einwohner
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Vier junge Männer (17 bis 22
Jahre) aus Boutersem, darunter 3 Brüder, wurden von Meschede aus
nach Knapsack bei Köln geschickt, um dort Zwangsarbeit zu leisten.
Sie mussten dort u.a. Erdarbeiten verrichten beim Unternehmen
Gartener und Wimmeler. Die 3 Brüder sind vermutlich geflohen, alle
hatten angegeben, weggelaufen zu sein. 2 kamen am 18.8.1917, der
dritte am 3.9.1917 wieder nach Hause. |
Buisdorff bei Siegburg |
Der älteste der 3 Brüder (s. oben) erwies sich als der hartnäckigste, was die Arbeitsverweigerung angeht. Nach seiner Ankunft in Knapsack wurde er krank und kam ins Krankenhaus von Brühl. Danach weigerte er sich erneut zu arbeiten, was ihm 44 Tage Gefängnis in Aachen einbrachte. Von dort schickten ihn die Deutschen nach Buisdorf, wo er 9 Wochen arbeitete. |
Abtei Mariawald (bei Heimbach), Schleiden Nordrhein Westfalen, Eifel |
Vier Männer kamen zum Trappisten-Kloster Mariawald. Vermutlich waren sie hier nur einquartiert und arbeiteten für eine Pulverfabrik im 14 km entfernten Schleiden. Sie mussten u.a. Bäume fällen, Holz spalten und Holzkohle für die Pulverfabrik herstellen, alles ohne Lohn. |
Okarben Hessen heute ca. 3300 Einwohner |
Auch hierhin wurden 2 junge Leute aus Boutersem von Meschede aus zur Arbeit geschickt. Beide mussten in der Landwirtschaft arbeiten. Sie wohnten privat bei einem Bauern. Der 19jährige J.V. wurde Anfang 1917 krank, musste aber weiter arbeiten. Nach Hause kam er am 4.8.1917. Erst ein Jahr später war er wieder genesen. Der andere, 18 Jahre alt, wurde mit Gewalt von Meschede nach Okarben geschickt, wo er mehr als ein Jahr Zwangsarbeit leistete. Als letzter der aus Boutersem Deportierten kehrte er erst am 23. November 1917 heim. |
St. Goarshausen Rheinland-Pfalz 1917: ca. 2200 Einwohner heute: ca. 1300 Einwohner |
Zwei junge Männer aus Kerkom,
19 und 20 Jahre alt, wurden am 3. März 1917 aus Meschede 228 km
weiter nach St.Goardshausen geschickt und gezwungen, in einem
Betonwerk des Unternehmers Krauss zu arbeiten. Die Zwangsarbeiter
wurden in der Fabrik selbst einquartiert. Beide kehrten krank am 6.
August 1917 zurück nach Hause. Während der 20jährige nach einem
Monat Verpflegung wieder gesund war, war der 19jährige nach 4 Jahren
immer noch nicht genesen, sein Gesundheitszustand verbesserte sich
nur langsam. |
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Niederlahnstein Lahnstein (bei Koblenz) Rheinland-Pfalz 1915 ca. 4700 Einwohner |
In Niederlahnstein wurden 3 Männer aus Willebringen beschäftigt. Louis V., 23 Jahre, arbeitete im Bereich Koblenz. Nach 236 Tagen Deportation kam er am 14.7.1917 nach Hause. Louis Ch., ein 26jähriger Bauer, hatte 'halb Deutschland' gesehen, ehe er am 2.4.1917 nach Oberlahnstein kam. Er musste in der Schamotte-Fabrik Didier arbeiten. Dort wurde feuerfeste Keramik hergestellt. Florimond V., 28 Jahre, Bauer, wurde von Lettgenbrunn nach Lahnstein verlegt. Er arbeitete ebenfalls im Didier-Werk und kam am 29.8.1917 wieder nach Hause. |
Wingeshausen Bad Berleburg Nordrhein-Westfalen heute ca. 1800 Einwohner |
Zwei sehr junge Burschen (16 J. 11 Mon. und 18 Jahre) wurden von Meschede in die Wälder von Wingeshausen geschickt. Beide mussten Bäume fällen und andere Holzarbeiten erledigen, u.a. für das Sägewerk 'Marienglück'. Nach 9 Monaten Zwangsarbeit kamen sie am 18.8.1917 zurück nach Hause. |
Erndtebrück Nordrhein-Westfalen heute ca. 7200 Einwohner |
Arthur S. (19 Jahre) aus Kerkom wurde am 26.11.1916 ins Lager Mesche deportiert, zusammen mit seinem 10 Jahre älteren Bruder. Er wurde am 15.4.1917 'gegen seinen Willen' allein nach Erndtebrück verschickt. Dort musste er in einem Dampfsägewerk arbeiten. Er kehrte am 28.6.1917 nach Hause zurück. |
Worms Rheinland-Pfalz 1917: ca. 40000 Ew. heute: ca. 80000 Einwohner |
August V., ein 19jähriger Maurer aus Boutersem, wurde im November nach Meschede deportiert. am 3.4.1917 wurde er nach Worms verschickt. Nachdem er dort einige Zeit im Gefängnis gesessen hatte, musste er 2 Monate Zwangsarbeit in Worms leisten. Er musste dort für die Firma Doerr & Reinhart (eine Lederfabrik) 'mauern und zimmern'. Danach arbeitete er noch 2 Monate im 12 km entfernten Frankenthal. Zurück in Boutersem war er am 2. August 1917. |
Messel Hessen 1916 ca. 1000 Einwohner, heute ca. 3800 Einwohner |
Felix D., ein 20jähriger Bauernsohn, wurde von Meschede nach Messel geschickt. Er berichtete, in einer 'Kerzenfabrik' für die Grube Messel gearbeitet zu haben. In der Grube Messel, die heute für ihre Fossilien bekannt ist, wurde aus Ölschiefer Öl gewonnen. Man stellte dort auch Kerzen her, weil Paraffin aus Erdöl gewonnen wird. |
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Hüsten Neheim-Hüsten von 1941 - 1974 Arnsberg ab 1974 Nordrhein-Westfalen 1916 ca. 7000 Einwohner |
Der 20jährige Eisenbahnarbeiter Joseph B. aus Boutersem wurde am 13.4.1917 von Meschede ins 28 km entfernte Hüsten zur Zwangsarbeit geschickt. Er wurde in die Eisenfabrik der 'Gelsenkirchener Bergwerks AG' einquartiert und musste dort Eisen be- und entladen. Am 10.8.1917 kam er über Meschede zurück nach Hause. Bis 1916 war die 'Hüstener Gewerkschaft' ein selbständiges Unternehmen (Walzwerk, Koks- und Stahlerzeugung), Tochterbetriebe in Bruchhausen (Stadt Arnsberg) (Walzwerk, Holzverkohlung), Brilon-Wald (Holzverkohlung), Soest (Walzwerk). Im Ersten Weltkrieg profitierte das Unternehmen von der kriegsbedingten Nachfrage nach Produkten der Montanindustrie. Die Gewinne waren erheblich und die Belegschaftszahlen stiegen erneut an. 1916 wurde das Werk von der Gelsenkirchener Bergwerks-AG übernommen. (wikipedia) |
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Neuastenberg Mollseifen (Winterberg) Nordrhein-Westfalen |
Albert D., ein 19jähriger Bauer aus Vertrijk, wurde 4 Monate im Lager Meschede festgehalten. Dann musste er 4 Monate in einem Wald Bäume fällen. Seine Arbeitsstellen waren u.a. in Neuastenberg und Mollseifen. Mitte Juli 1917 habe er sich 'auf den Tod geweigert, weiter zu arbeiten'. Die Deutschen schickten ihn am 21.7.1917, dem belgischen Nationalfeiertag, zurück nach Hause. |
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Nied ab 1928 Stadtteil von Frankfurt/Main) Hessen |
Gustaaf S., 20 Jahre, aus Kerkom, war vor dem Krieg Bergmann. Von Meschede aus wurde er am 3.3.1917 nach Nied zur Zwangsarbeit geschickt. Dort arbeitete er als Schienenleger an der Eisenbahn nach Frankfurt. Am 23. Mai 1917 kam er wieder nach Hause, vermutlich 'weil er schlechte Arbeit geleistet hatte'. |
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Rönkhausen Nordrhein-Westfalen heute ca. 1600 Einwohner |
Joseph V., 22jähriger Landarbeiter aus Kerkom, erklärte: 'Ich habe 6 Wochen todkrank im Krankenhaus Meschede gelegen.' Trotzdem wurde er am 17.3.1917 aus dem Lager Meschede 40 km weiter zur Zwangsarbeit nach Rönkhausen bei Finnentrop geschickt. Er musste dort in einem Steinbruch arbeiten. Am 8.7.1917 durfte er total erschöpft zurück nach Hause. |
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