Zwangsarbeiter aus Belgien - 4


Im Lager Meschede


Nach Michiels wurden ab 1916 etwa 7000 Belgische Bürger (Zivilisten) im Kriegsgefangenenlager Meschede eingeliefert. Auch alle 184 Männer aus Boutersem kamen zunächst nach Meschede. Das Lager war meist nur eine Zwischenstation für ein bis fünf Monate. Die Deutschen versuchten, ihnen einen Arbeitsvertrag unterzuschieben. Von Meschede aus wurden sie dann - ob mit oder ohne Arbeitskontrakt - zu verschiedenen Arbeitsstellen in Deutschland geschickt. Der Rücktransport nach Belgien erfolgte wieder über Meschede.

56 Belgische Zivilarbeiter starben zwischen Dezember 1916 und Mai 1917. Sie wurden auf dem 'Franzosenfriedhof' (Waldfriedhof Fulmecke) bestattet. Nach dem Krieg wurden sie in ihr Heimatland zurück geführt. Nach Michiels soll heute noch einer dieser Verstorbenen (Hendrik Celis aus Willebringen) dort liegen. Leider konnte ich das bisher noch nicht verifizieren.

Auszüge aus dem Buch von E. Ch. Michiels:

"Das Leben im Lager war die Hölle ... ohne Feuer!
'Der Zug hat den Bahnhof von Meschede erreicht' ... 'Aussteigen, ihr Schweinehunde', von jetzt an wurde überall Deutsch gesprochen, oder besser gesagt, 'geschnauzt '!
Jedoch klang diese Verkündung nach der anstrengenden Zugfahrt eher wie eine Erleichterung, vor allem, weil die Deportierten - in den Waggons wie Vieh zusammengepfercht - nach mehr als 24 Stunden den stinkenden Zug endlich verlassen durften. Sie zogen vom Bahnhof Meschede unter ständigen Beschimpfungen von deutschen Soldaten etwa einen Kilometer weiter bergauf zum Lager auf einem Hügel in der Heide im Norden der Stadt.
Auch die Wachmannschaften empfingen sie äußerst brutal, sowohl verbal als auch physisch, alles musste immer 'schneller' gehen. Die Belgier wurden als Faulpelze, Diebe und Mörder beschimpft ... Sie sollten schnell begriffen haben, wer da der Chef war ...

Die Deportierten wurden zu 250 Mann zusammen in eine Holzbaracke gestopft, wo kaum Platz für 100 Gefangene war. Sie lebten dort unter erbärmlichen Bedingungen und bekamen mehr Schläge als Essen. Die Männer wurden sofort einer eisernen Zucht unterworfen und ihnen eine harte deutsche Disziplin auferlegt.
Sie bekamen viel zu wenig Wasser zum Waschen, und die Hygiene ließ dann auch zu wünschen übrig: unangenehme Gerüche, Ungeziefer, Krankheitserreger...

Darüber hinaus wurden die Baracken selten beheizt, trotz des Frostes mit durchgängig 20 Grad unter Null im Winter des Jahres 1916, aber dafür war dann die Überbelegung gut!
Die deportierten Arbeiter wurden systematisch ausgehungert, um ihren 'Willen' zu brechen und sie auf diese Weise leichter, wenn auch unter Zwang, einen Vertrag unterzeichnen zu lassen. Mit diesen Arbeitsverträgen ließ man es gegenüber den neutralen Kontrollkommissionen so aussehen, dass es sich um 'freiwillige Arbeiter' handelte. So versuchte Deutschland seine umstrittenen Deportationsmaßnahmen gegenüber der Außenwelt zu rechtfertigen.

Für Tausende belgischer Deportierter war das Gefangenenlager in Meschede daher nur als 'Verteilungsstelle' bestimmt. Ein Verteilzentrum, wo man sie einige Monate 'abrichtete' und von wo man sie mit oder ohne 'Arbeitsvertrag' an Fabriken in anderen Orten überwies, wo sie dann Sklavenarbeit verrichten mussten. Die hartnäckigsten Arbeitsverweigerer mussten erst ein Straflager passieren und/oder eine Freiheitsstrafe verbüßen....

Der Tagesablauf im Lager war einfach:
    06.00 Uhr schnell aus den Federn oder Schläge, Frühstück, und danach wurden die Männer gezählt;
    11.30 Uhr Mittagessen oder so etwas ähnliches
    16.30 Uhr Abendessen, oder was davon noch übrig war." (S. 76)

"Man bekommt zu wenig zu essen, um zu leben, und zu viel, um zu sterben ...
Die Speisekarte in Meschede war sehr umfangreich, ... aber das Essen unzureichend und grauenhaft, es war meistens "nicht zu fressen"!
Man hatte von den Deportierten verlangt, ihr eigenes Besteck mitzubringen, denn die Deutschen weigerten sich, Löffel oder Gabeln zu geben. Nun, ein wirkliches Problem war das nicht. Eine Gabel war hier nicht erforderlich, denn aus einem Napf konnte man alles schlürfen, da fast alle Speisen flüssig waren!

Frühstück: in der Regel heißen Kaffee, meistens ein Absud aus Gerste und gerösteten Eicheln, ohne Zucker oder Milch. Sporadisch ein Brei oder eine "feste" Nahrung - trockenes Brot von der Größe einer Kinderhand, ein wenig Fisch (Überreste von vorigen Tagen) ...
Mittagessen: bestand immer aus Suppe, ... Rübensuppe oder Rote-Bete-Suppe, Kohlsuppe, Erbsensuppe (die war lecker), Bohnensuppe, Pfotensuppe, Suppe aus schwarzen Bohnen und / oder Kartoffelschalen, ... nur selten lag mal ein Bröckchen Fleisch in der Suppe. Und niemand wusste, was es war (Innereien?).
Abendessen: regelmäßig Gerstenbrei oder Suppe, Brennnesseltee oder Kakao, getrockneter Fisch (rohe Salzheringe), sehr selten etwas flachen Käse oder ein verschimmeltes Stück Hartkäse, etwas Mais ...
In aller Deutlichkeit: man konnte nicht wählen, was man essen wollte, und es war immer nur ein Stückchen eines breiten und kreativen Sortiments von 'Gerichten' ... oder 'Resten'!

Am Sonntag bekamen sie schon einmal ein kleines Stückchen rohe Wurst von der Dicke eines Franken und daumenlang. Ein Napf mit dünnem Haferflockenbrei wurde als großer Luxus angesehen, ein halbes Ei wurde sehr geschätzt.
Wenn man etwas 'roh' vorgesetzt bekam, musste man es auch so essen, man durfte kein Feuer oder einen Ofen benutzen, um es eventuell zu kochen oder zu backen. Tatsächlich gab es kaum genug Kohle um die Baracken ab und zu zu erwärmen!
Bei besonderen Anlässen, wenn zum Beispiel ein General oder hoher Offizier zu Besuch kam, hatte man Glück. Man musste jedoch eine ganze Woche das Lager reinigen, aber als "Belohnung" bekam man an diesem Tag allerdings 'gute' Suppe aus Rüben, Dosenfleisch und Margarine ...

Gott sei Dank konnten sie hin und wieder etwas Brot, Reisbrei oder zusätzliche Suppe bei den Französischen Kriegsgefangenen bekommen (Die Franzosen hatten in Deutschland eine offizielle Hilfs- und Nahrungsmittelversorgung im Lager: 'Le Comité de Secours Français' war verbunden mit dem Heimatland, um die französischen Kriegsgefangenen in Meschede mit (ausreichenden) zusätzlichen Lebensmitteln zu versorgen.).

Aber das war von den Deutschen streng verboten und gefährlich, es wurde bereits jemandem ein Loch in den Kopf geschlagen. Wenn man dann doch einmal eine deftige Ration ergattern konnte, war offensichtlich eine große Selbstdisziplin erforderlich, um nicht alles auf einmal aufzuessen, sondern die Nahrung über mehrere Tage zu verteilen, um Magenverstimmungen und Durchfall zu vermeiden. Man musste auch stets aufpassen, dass das Essen nicht 'geklaut' wurde, bevor es im Magen verschwand...." (S. 77)

Natürlich gab es diese 'Zusatzkost' nicht umsonst. Ein 18jähriger Deportierter:

'Wir bekamen etwas zu essen, aber ich musste jeden Tag für 10-15 Mark Essen dazukaufen von den französischen Soldaten.'

"....Darüber hinaus konnte man fast 'alles' kaufen im Laden der Kantine, auch Lebensmittel wie Kartoffeln, Wurst, Orangen, auch Margarine, Honig etc .... aber für eine Menge Geld!
Allerdings war es willkommen für einige von denen, die sich diese 'Extras' erlauben konnten. Ein Stück Seife kostet etwa 17 Franken, was eine Menge Geld war. Man konnte 'Sayettestoff' und Zwirn kaufen, auch Tabak; ein stinkendes Zeug, aber wirksam gegen den Hunger, und Zigarren, die mit 10 oder 15 Pfennig sehr günstig waren, aber von leidlicher Qualität. Die Deutschen rauchten sie den ganzen Tag, oder aber auch die 'großen Haken-Pfeifen'.....

Andere weniger Glückliche, die meisten der zivilen Gefangenen, die wenig oder gar kein Geld hatten und denen keine Gaben geschickt wurden, versuchten, sich mit Muscheln, Rüben, Fischgräten oder öligen Resten aus Dosen, die die Wachen weggeworfen hatten, etwas 'zusätzliches Futter' zu besorgen.
So war es nicht verwunderlich, dass bereits einige Dutzend Male in verschiedene Lebensmittellager des Lagers eingebrochen wurde......

..... Bei mehreren Deportierten führte die schlechte Ernährung zu einer Schwächung des Immunsystems, wodurch sie sehr anfällig für allerlei Krankheiten wurden, was dann wieder nicht ins Spiel der Deutschen passte. Nach ungefähr 40 Tagen nach der Deportation, gegen Neujahr, wurde schon eine große Anzahl Deportierter wegen Krankheit entlassen, bevor sie überhaupt Zwangsarbeit verrichten konnten.

Kranke und Gebrechliche konnten dem 'Reich' nicht länger zu Diensten zu sein. Sie wurden ohne medizinische Versorgung nach Belgien zurückgeführt. Andererseits unterstellten die Wachen, meistens zu Unrecht, dass einige Deportierte eine Krankheit vortäuschten, um nicht arbeiten zu müssen und in der Hoffnung, schnell in die Heimat zu kommen. Diese falsche Auffassung verursachte durchgängig einen unerwarteten Tod, womit den Deutschen natürlich auch nicht 'gedient' war.

Im Konzentrationslager von Meschede gab es auch einen lebhaften Handel unter den Gefangenen: Jacken, Westen, Hüte, Mützen, Uhren und andere Artikel... alles konnte man verschachern. Einige Männer verkauften ihre beste Kleidung, um zusätzliche Lebensmittel zu kaufen. Schließlich liefen sie nur noch in Lumpen gekleidet herum! Für Stiefel wurden bis zu 20 Mark bezahlt, aber solides Schuhwerk war notwendig und wurde deshalb nur selten aus der Hand gegeben. Deshalb wurden regelmäßig Schuhe gestohlen......

Auch der Zigarettenhandel florierte, und die Nichtraucher hatten eine richtige Buchhaltung für den Kauf und Verkauf. Sie verdienten gut ihr 'Brot'!
Der 'Handel' unter den Deportierten hatte unbewusst auch einen positiven Einfluss auf die psychische Verfassung der Gefangenen. Selbst die weniger angenehmen Momente, wie bestohlen worden zu sein, Zoff oder Schlägereien usw. gaben doch eine notwendige Ablenkung und sorgten für Emotionen, wodurch die Männer geistig beweglich blieben... denn sonst hatten die Gefangenen die ganze Zeit nichts zu tun, und die Langeweile schlug schnell zu." (S. 77/78)


 

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