Zwangsarbeiter aus Belgien - 5


Im Lager Meschede


Aus dem Buch von E. Ch. Michiels (S. 80 - 86):

"Hunger, Durst und Kälte, Nichtstun ..., sitzen in überfüllten Holzbaracken voller Ungeziefer, in einem trostlosen Lager zwischen Wänden aus Stacheldraht und vor allem die Ungewissheit, wie lange gefangen, begann Tribut zu fordern .. . Nicht nur körperliche, sondern auch psychische Beschwerden traten auf.

Diese schlechten materiellen Bedingungen gingen oft einher mit Schikanen auf moralischer Ebene, und das nicht nur durch die Bewacher:
Deutsche Kinder standen häufig um das Lager und sangen feindselige Lieder in Gegenwart der Gefangenen.

Die Männer waren zusehends durch den Mangel an ausreichendem und anständigem Essen geschwächt. Ihre Muskeln erschlafften, sie fühlten sich schwindlig und bekamen regelmäßig heftige Bauchkrämpfe. Viele kämpften auch schon mit einem Gefühl von Depression und Apathie, die zur Entwicklung des gefürchteten 'Lagerkollers' oder Stacheldrahtpsychose führen konnte, womit eine große Anzahl von den gefangenen Soldaten kämpfte.
So erlaubte man den Deportierten, ab und zu Lagerarbeiten oder 'Gartenarbeit' durchführen:
Reinigung des Lagers, das Entleeren der Toiletten, Wasser holen, am liebsten beim Verteilen der Suppe helfen. Arbeiten außerhalb des Lagers waren begehrt, zum Beispiel etwas in die Stadt zu tragen oder etwas zu holen.

All dies förderte die Lust, wirklich zu arbeiten, und genau dann war die Zeit reif für die Lagerwachen, diesen Jungs einen Vertrag unter die Nase zu halten (dann auch noch in Deutsch!). In der ersten Instanz wurden sie nur aufgefordert, den Vertrag zu unterschreiben, was natürlich kein Resultat erbrachte. Danach versuchten sie, die Deportierten mit Geld, Lebensmitteln und anderen leeren Versprechungen zu überreden. Wenn die Belgier einen Vertrag unterzeichneten, sollten sie laut den Deutschen nur 4 Monate arbeiten, doppelte Rationen Lebensmittel bekommen und einen guten Lohn erhalten. Darüber hinaus sollten sie zwischendurch 14 Tage Urlaub in ihrer Heimat machen dürfen!

Die Realität danach sah ganz anders aus. Die Männer, die nach schweren Misshandlungen einen Vertrag doch unterzeichneten, mussten insgesamt viel länger, 2 bis 3 Monate länger arbeiten als die Gefangenen, die nicht auf das Angebot eingegangen waren. Einigen wurde tatsächlich erlaubt, 14 Tage Urlaub zu machen, aber das war keineswegs ein Erfolg, da die Deportierten einfach nicht mehr nach Deutschland wegen der schlechten Arbeitsbedingungen zurückkehrten. Sie wurden verfolgt und erhielten Gefängnisstrafen!

Da dieser Ansatz nicht erfolgreich war, begann man die Deportierten zu erpressen. Die Lagerwachen versuchten, die Männer zu manipulieren und brüllten mehrfach: 'Wenn ihr nicht unterzeichnet, werdet ihr niemals nach Hause gehen.'..." (S. 80)

Außerdem drohten die Deutschen, die Verweigerer nach Maubeuge (Region Nord-Pas-de-Calais) im besetzten Frankreich zu schicken. Das war nahe der Front und gefährlich. Dort sollten sie Gräben ausheben und Bunker bauen. Das machte aber keinen Eindruck auf die stolzen Belgier, und sie unterzeichneten die Arbeitsverträge nicht.

"....Die Qualen, die folgten, waren weniger angenehm ...
Herman LAURENT, genannt 'Tip Nolle', ein 23-jähriger Bauer, lebte mit seinen Eltern in der Exsterstraat 4 in Boutersem, er erzählte seiner Enkelin eine schreckliche Geschichte, aber gleichzeitig zeigt sie den Erfindungsreichtum der hungrigen Häftlinge:
Herman musste im Lager Meschede Mehlsäcke schleppen, ein Glück. Zusammen mit anderen Deportierten schüttelten sie die 'leeren' Mehlsäcke auf den Boden aus und kratzten mit den Händen die Reste des Mehls zusammen. Das gesammelte Mehl machten sie nass, notfalls mit Speichel, ein Mehlwurm dazwischen war kein Problem, alles Fleisch war willkommen. Den fertigen 'Teig' ließen sie trocknen auf dem hohen Ofen in der Baracke und sie backten heimlich 'trockene Kekse', um etwas mehr zu essen zu haben..." (S. 81)

 

Ein- und ausgehende Post wurde kontrolliert und zensiert. Über die wahren Zustände im Lager drang daher wenig an die Außenwelt.

"....Fast jeder Brief an die Familie ist eine flehentliche Bitte für Hilfsgüter. Meistens war es die Nachfrage nach Lebensmitteln, aber auch Kleidung oder Geld konnte das Leben der Deportierten angenehmer machen. Für die Familie zu Hause war auch Krieg, aber sie schickten, was sie selbst entbehren konnten.....Die Stimmung war auch schwer für die älteren oder verheirateten Gefangenen zu ertragen, weil sie die Rollen vertauscht sahen. Vor ihrer Deportation waren sie die Ernährer zu Hause, und sie arbeiteten, um ihre Familien zu unterstützen ... Nun waren diese Menschen abhängig von ihrer Familie daheim, um zu überleben. Sie wussten auch, dass es nicht selbstverständlich war, Sachen nach Deutschland zu schicken, und sie wollten nicht in ein endloses Gejammer über Hunger fallen oder ihre Familienangehörigen beunruhigen. "Mir geht es gut!" war in der Regel die Notlüge, über ihre Gesundheit wurde selten von den Deportierten geklagt, so wurde ihrer Familie die schmerzhafte Wahrheit erspart!

Viele ausgehende Briefe sind auch nie angekommen, die Wachen warfen sie manchmal in den Papierkorb, anstatt sie zu verschicken. Das Postgeld (Briefmarkengeld) steckten sie offensichtlich in die eigene Tasche!
Die Deportierten klagten auch regelmäßig über nicht angekommene Pakete, die ihre Familien geschickt hatten. In der "Paketprüfungsstelle", einer Baracke, die dazu diente, eingehende Pakete auf verbotene Waren zu überwachen, verschwanden regelmäßig "begehrte" Lebensmittel oder Geld aus den Paketen.
Eingehende Briefe wurden ebenfalls einer Untersuchung unterzogen, auch unter die Briefmarke wurde geschaut ... auf der Suche nach geheimen Botschaften. An die Stelle der Marke wurde ein Stempel "Geprüft" gedruckt." (S. 86)


 

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